Arrivederci, bella Italia? Das italienische Dilemma
Trotz bedrohlicher Signale am Eurohorizont: Italien ist nicht Griechenland.
Die italienische Regierung hat erreicht, was sie politisch wollte: eine Zurückweisung ihres Budgetentwurfs durch die EU-Kommission. Der Grund dafür ist nicht nur der Verstoß gegen europäische Fiskalregeln an sich; andere Staaten haben in der Vergangenheit in ähnlicher Art gegen Regeln verstoßen und wurden nachsichtiger behandelt.
Italiens Regierung hat – im Gegensatz zu anderen Staaten früher – gar nicht erst den Versuch gestartet, einen Kompromiss zu finden. Dazu kommt: Der Budgetentwurf ist ausgabenseitig wie einnahmeseitig viel zu optimistisch.
Italien leidet seit Langem unter anhaltender Wachstumsschwäche. Das Land hat sich gegenüber der EU-Kommission zu einem Konsolidierungskurs verpflichtet, der mittels jährlicher Primärüberschüsse (vor Zinszahlungen) die hohe Staatsschuldenquote von etwa 130 Prozent des BIPs zurückführen sollte. Diese Vereinbarung scheint jetzt Schall und Rauch zu sein.
Ökonomisch gibt es durchaus gute Gründe, Italien unter die Arme zu greifen. Das langfristig schwache Wachstum hat ja erst die politische Radikalisierung in Italien ermöglicht. Ein höheres Defizit und eine langsamere Reduktion des Schuldenstandes wären aus Sicht vieler Fachleute auch akzeptabel, wenn das höhere Defizit stärker wachstumsfördernd wäre.
Aber, Italien hat auch noch eine Reihe anderer wirtschaftspolitischer Probleme: etwa eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, relativ geringe Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt, verkrustete Strukturen im politischen System, eine sich nicht schließende, sondern eher wachsende Kluft zwischen dem relativ prosperierenden Norden und dem wachstumsschwachen Süden. Offensichtlich wurde die Dividende aus dem Eurobeitritt in Form von über Jahre hinweg viel niedrigeren Zinsen als ohne Euro nicht für Investitionen und Strukturreformen aufgewendet, sondern vor allem für den kurzfristigen Konsum.
Die EU-Kommission und die anderen EU-Regierungen werden Italien wohl entgegenkommen müssen, aber es darf nicht der Anschein erweckt werden, dass die EU erpressbar ist.
Italien ist nicht Griechenland. Die Aufschläge auf die Zinsen der Staatsanleihen sind für Italien zumindest noch bei Weitem geringer als damals für Griechenland. Gleiches gilt für den Schuldenstand Italiens. Und im Gegensatz zu Griechenland wird ein Großteil der Staatsschulden von italienischen Investoren gehalten. Dass die EZB auf einem Gutteil der Staatsanleihen Italiens sitzt, ist eine Mär. Aber natürlich könnte eine Destabilisierung der italienischen Banken zu Ansteckungseffekten in der Eurozone führen.
Insgesamt ist der Rest des Euroraums für eine mögliche „Italien-Krise“viel besser gewappnet, als das noch bei Griechenland der Fall war. Trotzdem wäre das Risiko eines italienischen Defaults und eines möglichen italienischen Austritts aus der Eurozone unabwägbar. Daher sollte die Stabilität der Eurozone weiter gestärkt und die Abhängigkeit zwischen Italien und dem Rest der Eurozone weiter reduziert werden.
Dabei soll es nicht um eine langsame Verabschiedung von Italien aus der Eurozone gehen – „arrivederci Italia“wäre die falsche Strategie. Italien sollte in seinem Bemühen um Erreichen eines soliden Wachstumskurses durch die anderen Länder unterstützt werden – aber aus Solidarität und aus Eigeninteresse dieser Länder heraus. Eine Eurozone mit sich wechselseitig erpressenden Staaten kann nämlich mittelfristig nicht erfolgreich sein und erst recht nicht langfristig stabil existieren.