Guter Ruf der Verwaltungsgerichte in Gefahr
Politik und Rechtskontrolle. Richterliche Verantwortungslosigkeit und politische Rücksichtslosigkeit schaden dem Ansehen der Verwaltungsgerichtsbarkeit, wie zwei aktuelle Fälle am Bundes- und einem Landesverwaltungsgericht zeigen.
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz ist die bedeutendste Verwaltungsreform der Zweiten Republik. Seit 2014 ist die Rechtskontrolle der Verwaltung auf einem europäischen Niveau, haben die Länder Anteil an der Gerichtsbarkeit, findet sich der Verwaltungsgerichtshof entlastet und es können zahlreiche Verwaltungsbehörden abgeschafft werden. Die hohe rechtsstaatliche Bedeutung der Reform zeigt sich nicht zuletzt daran, dass nunmehr auch im Verwaltungsweg hohe Geldstrafen eingehoben werden können. Dies hat erst jüngst der Verfassungsgerichtshof damit begründet, dass die Verwaltungsrichter dieselben richterlichen Garantien wie die Richter der Zivil- und Strafjustiz genössen, nämlich die Unabhängigkeit, Unversetzbarkeit und Unabsetzbarkeit.
Naturgemäß ist die Bestellung der Richter und Richterinnen der Verwaltungsgerichte besonders sensibel. Einerseits sollen hier – gleich wie in der ordentlichen Gerichtsbarkeit – die Mitglieder des betroffenen Verwaltungsgerichts ein Wort mitzusprechen haben. Andererseits soll – so sieht es die Verfassung eben vor – der Einfluss der obersten Organe von Bund und Ländern gewahrt bleiben.
Demgemäß können die Personalsenate der Verwaltungsgerichte an die politische Ebene Vorschläge erstatten, die freilich nicht bindend sind. Nur für die Präsidenten und Vizepräsidenten der Verwaltungsgerichte besteht kein Vorschlagsrecht. Die Richter und Richterinnen des Bundesverwaltungsgerichts ernennt der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung, jene der Landesverwaltungsgerichte die Landesregierung. Dieses Zusammenwirken richterlicher und politischer Organe verlangt ernstes Bemühen und guten Willen auf beiden Seiten. Leider scheint es daran in letzter Zeit zu fehlen.
Vor einigen Wochen hat es der Personalsenat des Bundesverwaltungsgerichts (al- lenfalls seine Mehrheit) versäumt, einen verantwortungsvollen Vorschlag einzubringen. Das Gesetz fordert nämlich auch die „persönliche Eignung“des Bewerbers, die einem in rechtsextremen Kreisen eingebundenen Kandidaten fehlen muss. Ihn dennoch vorzuschlagen, noch dazu erstgereiht, kann durch keine pragmatische Überlegung gerechtfertigt werden. Es sollte nicht der Bundesregierung – genauer dem zuständigen Justizminister –, angelastet werden, sich auf den mangelhaften Vorschlag des Personalsenats verlassen zu haben. Erst im Verfahren vor dem Bundespräsidenten konnte – nach Medienberichten und einem Aufschrei der kritischen Öffentlichkeit – die Sache ins Lot gebracht werden. Schließlich zog der Kandidat seine Bewerbung zurück.
Beim Personalsenat des Bundesverwaltungsgerichts (oder seiner Mehrheit) hat es also an richterlichem Selbstbewusstsein und an Verantwortung für den untadeligen Ruf des Gerichts gefehlt. Letztlich wurde auf diese Weise das Ansehen der Verwaltungsgerichtsbarkeit schlechthin herabgesetzt.
Verstörende Unbekümmertheit
Auf der anderen Seite verstört die Unbekümmertheit, mit der im Burgenland derzeit über die Nachfolge des amtierenden Landesverwaltungsgerichtspräsidenten verfügt wird. Rechtlich ist vorgesehen, dass der Landeshauptmann nach der Befassung einer – allerdings weitgehend von ihm abhängigen und mit Mehrheit entscheidenden – Kommission der Landesregierung einen Kandidaten oder eine Kandidatin vorschlägt.
Zunächst fällt auf, dass die Stelle des Präsidenten erst Anfang 2020 vakant wird. Trotzdem soll sie noch heuer nachbesetzt werden. Zwar sollte die Ernennung in eine solche Leitungsfunktion zeitgerecht erfolgen, doch ist sie derart früh rechtlich höchst bedenklich: Man stelle sich vor, das Beispiel mache Schule und die Bundesregierung könnte bereits jetzt auf Jahre hinaus – also „auf Vorrat“– alle frei werdenden Stellen beim Verfassungsgerichtshof „vorbesetzen“. Hier würde der eigentliche Sinn des politischen Einflusses verloren gehen, denn dieser besteht ja darin, das Ernennungsverfahren demokratisch zu legitimieren. Dieser Effekt wird aber nur durch eine zeitnahe Ernennung erreicht. Im Lauf eines Jahres kann sich manches ereignen.
Eindeutig verfassungswidrig
Dazu kommt, dass die Ausschreibung Personen ausschließt, die älter als 40 Jahre alt sind, wenn sie nicht schon im Landesdienst stehen. Die Ausschreibung beruht hier auf einer eindeutig verfassungswidrigen – oder verfassungswidrig verstandenen – gesetzlichen Regelung: Eine obere Altersgrenze von 40 Jahren für eine Leitungsfunktion (!) ist gleichheitsrechtlich durch nichts zu rechtfertigen. Die Diskriminierung von Bewerbern und Bewerberinnen über 40 aus dem Dienst einer anderen Gebietskörperschaft widerspricht überdies dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Gleichwertigkeit aller Staatsdienste.
Der unbefangene Beobachter versteht diese eigentümliche Ausschreibung erst, wenn er die Medienberichte darüber liest: Offenbar geht es darum, dass der Landeshauptmann seine derzeitige Büroleiterin zur Präsidentin des burgenländischen Landesverwaltungsgerichts befördern möchte.
Wenn man dies weiß, wird freilich sogleich eine weitere rechtliche Hürde sichtbar. Denn das strenge Burgenländische Landesverwaltungsgerichtsgesetz verlangt eine mindestens fünfjährige Ausübung eines Berufs, für den die Vollendung des Studiums des österreichischen Rechts erforderlich ist. Ob die bisher politisch verwendete Kandidatin dem entspricht, kann ohne Aktenkenntnis nicht sicher beurteilt werden, erscheint aber doch zweifelhaft.
Nach der Einschätzung des Verfassers erfüllen die neuen Verwaltungsgerichte die in sie gesetzten rechtsstaatlichen Erwartungen. Allerdings hängt der Erfolg der Verwaltungsgerichte, ihre Akzeptanz bei der rechtsuchenden Bevölkerung, auch von ihrem Ansehen ab, von ihrem „guten Ruf“also. Abträglich sind ihm die richterliche Verantwortungslosigkeit ebenso wie die politische Rücksichtslosigkeit.