Wie sich Berlin auf Merkels Abgang vorbereitet
Deutschland. Die Regierung muss sich innerhalb weniger Wochen auf Angela Merkels ersten Rückzug vorbereiten. Die Bewerber für den CDU-Vorsitz gehen auf Tour, der CSU-Chef bleibt wohl nicht lange – und die SPD spielt trotz allem auf Zeit.
In Zukunft werde sie hier womöglich öfters stehen, meint Angela Merkel. Die zweitägige Sitzung ihrer CDU im KonradAdenauer-Haus ist gerade zu Ende gegangen. Üblicherweise müsste jetzt Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer die Öffentlichkeit über die Ergebnisse der Klausur informieren.
Aber es ist wieder kein gewöhnlicher Montag in der CDU-Zentrale: Vor einer Woche hat die Bundeskanzlerin angekündigt, nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren. Und weil Kramp-Karrenbauer Merkels Job übernehmen möchte, muss Merkel erst einmal ihren erledigen: Es wäre nicht fair gegenüber den anderen Kandidaten, wenn Kramp-Karrenbauer über die Organisation einer Wahl berichtete, bei der sie kandidieren wird. Also spricht eben Merkel selbst darüber, wie sich die CDU auf die Zeit nach ihrem Rückzug aus der Politik vorbereiten will. Viel Zeit bleibt dafür nicht: Schon in vier Wochen, beim Bundesparteitag am 7. Dezember in Hamburg, wählen 1001 Delegierte der CDU ihren neuen Parteivorsitz. Spontankandidaturen sind nicht ausgeschlossen, im Vorfeld müssen Bewerber allerdings von einer „vorschlagsberechtigten Institution“nominiert werden. Die erste ist Kramp-Karrenbauer, die von der saarländischen CDU ins Rennen geschickt und auch von der Frauenunion unterstützt wird. Ihr größter Konkurrent ist der Wirtschaftspolitiker und frühere Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz. Mit ihm sei Merkel „nicht immer einer Meinung gewesen“, sagt die Kanzlerin am Montag. „Wenn es sich ergibt“, könne sie aber auch mit ihm zusammenarbeiten. Eine offizielle Nominierung Merz’ steht zwar noch aus, ist aber nur eine Frage der Zeit. Genauso wie bei Gesundheitsminister Jens Spahn, der wie Merz im konservativen AntiMerkel-Lager punkten will. Damit die Parteibasis ihre potenziellen Chefs kennenlernt, sollen sie auf Tour gehen: Neun sogenannte Regionalkonferenzen sind dafür geplant. Abstimmen können am Ende aber nur die Parteitagsdelegierten: Der Sieger (oder die Siegerin) braucht eine absolute Mehrheit, es wird also wohl zu einer Stichwahl kommen. Einer Meinung sei man sich am Montag in einer Sache gewesen: Man halte „einhellig“am Koalitionsvertrag mit CSU und SPD fest, sagt Merkel. Aber tut die SPD das auch? So ganz klar war das bis Montag nicht. Auch die Sozialdemokraten waren am Wochenende zu einer Klausur zusammengekommen. Der Termin war lange geplant, eigentlich wollte man mögliche Konsequenzen nach den Wahlen in Bayern und Hessen besprechen. Doch mit Merkels angekündigtem Rückzug aus der Politik stand die SPD plötzlich statisch da: Keine personellen Veränderungen, keine inhaltlichen Fortschritte. Andrea Nahles konnte eine Rebellion gegen ihre Person und die Große Koalition allerdings abwenden: Nach der Gremiensitzung trat sie gemeinsam mit ihrem Vorstand vor Journalisten. „Wir gehen untergehakt“, sagte sie zur Begrüßung. Das war allerdings nur bildlich gemeint. In Zukunft werde man auf Geschlossenheit setzen. Zuerst in der SPD, dann in der Gesellschaft. Einen vorgezogenen Parteitag, um über die Koalition und das Personal abzustimmen, werde es nicht geben. In den kommenden Wochen will sich Nahles aber mit den beiden Unionsparteien CDU und CSU auf Projekte einigen, die man innerhalb der Regierung rasch absegnen könnte. Außerdem sollen sich die Parteien zu einer neuen, friedlichen Zusammenarbeit bekennen. Am 14. Dezember will Nahles im SPD-Vorstand über die Ergebnisse beraten. Sie bittet ihre Genossen also noch um etwas Geduld. In Bayern kennt man so etwas nicht, allein schon des Gesetzes wegen: Einen Monat nach der Wahl muss die neue Landesregierung stehen, Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und sein neuer Stellvertreter, Hubert Aiwanger von den Freien Wählern, einigten sich sogar drei Wochen nach dem Urnengang auf einen Arbeitspakt. Die schwarzorange „Spezi“- oder, je nach Gusto, „Papaya“-Regierung will Eltern von Kleinkindern finanziell stärker entlasten. Als „ökologischen Akzent“soll der Flächenverbrauch pro Tag auf fünf Hektar reduziert werden – allerdings nur als Richtwert. Mit dem Ende der Regierungsverhandlungen beginnt nun die Personaldebatte: Horst Seehofer will sich ab kommender Woche zu seiner Zukunft als CSU-Chef äußern. Wahrscheinlich wird die CDU nicht die einzige Partei sein, die im Dezember einen neuen Chef wählt.