Der harte Boden der Realität
Austria Wien. Nach vier Spielen ohne Sieg und teils desolaten Auftritten fordern Fans bereits den Rauswurf von Trainer Thomas Letsch. Finanzvorstand Markus Kraetschmer im „Presse“-Gespräch.
Der Fußballbundesliga könnte mit der Ligareform tatsächlich ein ganz großer Coup gelungen sein. Nämlich dann, wenn mit Austria, Rapid und Sturm gleich drei Großklubs im unteren Playoff landen. Topspiele damit also auch im Frühjahr garantiert wären. Allerdings nicht um den Titel, sondern gegen den Abstieg. Völlig frei von Ironie hofft man in Wien und Graz natürlich noch auf den Turnaround. Während Rapid (7.) und Sturm (8.) schon die ganze Saison hinweg schwächeln, ist die Austria (6.) spätestens Sonntagnachmittag endgültig in eine schwere Ergebniskrise geschlittert.
Vor allem die Art und Weise, wie die 2:3-Heimniederlage gegen den WAC zustande kam, ließ viele Beobachter ungläubig zurück. In der zweiten Halbzeit stellte Violett den Spielbetrieb gänzlich ein, agierte ängstlich, ergab sich ohne Gegenwehr. Bei der Austria sucht man nach Antworten auf die quälenden Fragen nach dem Warum. Die Entwicklung jedenfalls stimme „nachdenklich“, wie Finanzvorstand Markus Kraetschmer sagt. „Das war ein Tiefschlag. Ich habe in der letzten Nacht nicht viel geschlafen.“
Dabei waren die Wiener mit viel Optimismus in diese Saison gestartet, hatten nach einer ernüchternden Spielzeit an vielen Schrauben gedreht. Etliche Neuzugänge kamen, dazu mit Ralf Muhr ein neuer sportlicher Leiter. „Wir wussten, dass dieser Umbruch Zeit braucht, aber wir hätten uns mehr Stabilität erhofft, wollten zum jetzigen Zeitpunkt schon weiter sein“, bemerkt Kraetschmer. Der 46-Jährige führt im Gespräch mit der „Presse“kurz „etwas Verletzungspech“an, „aber wir wollen keine Ausreden suchen, das tut auch niemand im Verein“.
Dass Fans der Mannschaft nun ausgerechnet fehlenden Kampf- geist attestieren, ist ein Schlag ins Gesicht der Verantwortlichen, die bei der Kaderplanung für die neue Saison explizit auch darauf geachtet hatten. „Es gab Spiele, da war der Wille schon erkennbar, aber die jüngsten Auftritte waren auch dahingehend ein Rückschritt. Dieses ewige Auf und Ab bereitet uns allen Kopfzerbrechen.“Dass die Krise ausgerechnet in Zeiten des infrastrukturellen Aufbruchs ausbricht, „kommt verschärfend hinzu“. Im Scheinwerferlicht der neuen GeneraliArena wollte man sich einem breiteren Publikum präsentieren, Fans für sich gewinnen, mit Offensivfußball begeistern. „Aber das neue Stadion allein schießt weder Tore, noch liefert es uns die wichtigen Punkte“, weiß Kraetschmer.
Bleiben Ergebnisse aus, dann greifen die Automatismen des Fußballgeschäfts. Im Falle der Austria bedeutet das zunächst einmal Unmutsäußerungen, nach dem WAC-Spiel waren „Letsch raus“Rufe nicht mehr zu überhören. Dieser Aufforderung wird der Verein, zumindest kurzfristig, nicht nachkommen. Fast schon ein wenig neidisch blickt Markus Kraetschmer gen Linz zum Lask, wo in den vergangenen dreieinhalb Jahren unter der Regie von Trainer Oliver Glasner sehr viel Gutes entstanden ist. „Das ist ein absolutes Positivbeispiel, dass ein kontinuierlicher Weg nach oben führen kann.“
Ob die Wiener Austria und Thomas Letsch zumindest mittelfristig eine gemeinsame Zukunft haben, wird sich schon in den nächsten Wochen weisen. Am Sonntag kommt Salzburg nach Favoriten. „Wir müssen schnellstmöglich Resultate liefern“, betont der Wiener, ohne Letsch ein Ultimatum zu stellen. Gerät das Ziel Meisterplayoff jedoch ernsthaft in Gefahr, wird der nächste Automatismus greifen. „Wenn wir die Top sechs verpassen würden, wäre das ein absolutes Desaster, sportlich wie auch wirtschaftlich.“