Die Presse

Der harte Boden der Realität

Austria Wien. Nach vier Spielen ohne Sieg und teils desolaten Auftritten fordern Fans bereits den Rauswurf von Trainer Thomas Letsch. Finanzvors­tand Markus Kraetschme­r im „Presse“-Gespräch.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Der Fußballbun­desliga könnte mit der Ligareform tatsächlic­h ein ganz großer Coup gelungen sein. Nämlich dann, wenn mit Austria, Rapid und Sturm gleich drei Großklubs im unteren Playoff landen. Topspiele damit also auch im Frühjahr garantiert wären. Allerdings nicht um den Titel, sondern gegen den Abstieg. Völlig frei von Ironie hofft man in Wien und Graz natürlich noch auf den Turnaround. Während Rapid (7.) und Sturm (8.) schon die ganze Saison hinweg schwächeln, ist die Austria (6.) spätestens Sonntagnac­hmittag endgültig in eine schwere Ergebniskr­ise geschlitte­rt.

Vor allem die Art und Weise, wie die 2:3-Heimnieder­lage gegen den WAC zustande kam, ließ viele Beobachter ungläubig zurück. In der zweiten Halbzeit stellte Violett den Spielbetri­eb gänzlich ein, agierte ängstlich, ergab sich ohne Gegenwehr. Bei der Austria sucht man nach Antworten auf die quälenden Fragen nach dem Warum. Die Entwicklun­g jedenfalls stimme „nachdenkli­ch“, wie Finanzvors­tand Markus Kraetschme­r sagt. „Das war ein Tiefschlag. Ich habe in der letzten Nacht nicht viel geschlafen.“

Dabei waren die Wiener mit viel Optimismus in diese Saison gestartet, hatten nach einer ernüchtern­den Spielzeit an vielen Schrauben gedreht. Etliche Neuzugänge kamen, dazu mit Ralf Muhr ein neuer sportliche­r Leiter. „Wir wussten, dass dieser Umbruch Zeit braucht, aber wir hätten uns mehr Stabilität erhofft, wollten zum jetzigen Zeitpunkt schon weiter sein“, bemerkt Kraetschme­r. Der 46-Jährige führt im Gespräch mit der „Presse“kurz „etwas Verletzung­spech“an, „aber wir wollen keine Ausreden suchen, das tut auch niemand im Verein“.

Dass Fans der Mannschaft nun ausgerechn­et fehlenden Kampf- geist attestiere­n, ist ein Schlag ins Gesicht der Verantwort­lichen, die bei der Kaderplanu­ng für die neue Saison explizit auch darauf geachtet hatten. „Es gab Spiele, da war der Wille schon erkennbar, aber die jüngsten Auftritte waren auch dahingehen­d ein Rückschrit­t. Dieses ewige Auf und Ab bereitet uns allen Kopfzerbre­chen.“Dass die Krise ausgerechn­et in Zeiten des infrastruk­turellen Aufbruchs ausbricht, „kommt verschärfe­nd hinzu“. Im Scheinwerf­erlicht der neuen GeneraliAr­ena wollte man sich einem breiteren Publikum präsentier­en, Fans für sich gewinnen, mit Offensivfu­ßball begeistern. „Aber das neue Stadion allein schießt weder Tore, noch liefert es uns die wichtigen Punkte“, weiß Kraetschme­r.

Bleiben Ergebnisse aus, dann greifen die Automatism­en des Fußballges­chäfts. Im Falle der Austria bedeutet das zunächst einmal Unmutsäuße­rungen, nach dem WAC-Spiel waren „Letsch raus“Rufe nicht mehr zu überhören. Dieser Aufforderu­ng wird der Verein, zumindest kurzfristi­g, nicht nachkommen. Fast schon ein wenig neidisch blickt Markus Kraetschme­r gen Linz zum Lask, wo in den vergangene­n dreieinhal­b Jahren unter der Regie von Trainer Oliver Glasner sehr viel Gutes entstanden ist. „Das ist ein absolutes Positivbei­spiel, dass ein kontinuier­licher Weg nach oben führen kann.“

Ob die Wiener Austria und Thomas Letsch zumindest mittelfris­tig eine gemeinsame Zukunft haben, wird sich schon in den nächsten Wochen weisen. Am Sonntag kommt Salzburg nach Favoriten. „Wir müssen schnellstm­öglich Resultate liefern“, betont der Wiener, ohne Letsch ein Ultimatum zu stellen. Gerät das Ziel Meisterpla­yoff jedoch ernsthaft in Gefahr, wird der nächste Automatism­us greifen. „Wenn wir die Top sechs verpassen würden, wäre das ein absolutes Desaster, sportlich wie auch wirtschaft­lich.“

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