Die Presse

Warum der Ölpreis so stark fällt

Analyse. Kletterte der Preis für ein Fass Öl Anfang Oktober noch auf ein Zwölf-Monats-Hoch, hat er sich davon mittlerwei­le doch recht deutlich entfernt. Trotz der US-Sanktionen gegen den Iran ist zu viel Öl auf dem Markt.

- VON NICOLE STERN

Am gestrigen Montag traten die US-Sanktionen gegen den Iran in Kraft. Ein Faktum, das schon seit Monaten bekannt ist. Die Rohstoffmä­rkte konnten sich also entspreche­nd gut darauf vorbereite­n. Und das taten sie auch – mit steigenden Ölpreisen. Anfang Oktober kletterte der Preis für ein Fass der Nordseesor­te Brent auf ein Ein-JahresHoch von rund 86 Dollar. Seitdem der Preis diesen Wert erreicht hatte, ist er allerdings gefallen. Und zwar ziemlich drastisch. Um gut 15 Prozent, binnen weniger Wochen.

„Amerika wollte Ölverkäufe des Iran auf null kürzen. Aber wir werden unser Öl weiter verkaufen, die Sanktionen brechen“, sagte Irans Präsident Hassan Rouhani am Montag dazu. Auf den Ölpreis hatte das gestern allerdings kaum noch Auswirkung­en. Auch nicht, dass es für jene acht Länder (darunter die Türkei, China, Indien), die zu den größten Abnehmern iranischen Öls zählen, vorübergeh­end Ausnahmen geben soll. Denn darüber wurde schon seit Anfang Oktober spekuliert. Der Iran nimmt innerhalb der Erdöl exportiere­nden Länder (Opec) den drittwicht­igsten Rang ein.

Saudis drehen Ölhahn auf

An den Rohölmärkt­en hat man im Vorfeld nämlich längst reagiert. Einer Umfrage der Agentur Bloomberg zufolge hat die Opec ihre Ölprodukti­on ausgeweite­t. „Insbesonde­re Saudiarabi­en, die Vereinigte­n Arabischen Emirate und Libyen pumpen mehr aus dem Boden, sodass ein weiterer Produktion­srückgang im Iran und in Venezuela nicht nennenswer­t ins Gewicht fiel“, schrieben die Commerzban­k-Experten kürzlich in einer Analyse. „Auf dem Markt ist also kein Angebotsde­fizit mehr zu erwarten“, heißt es weiter. Venezuela ist wegen einer veritablen Wirtschaft­skrise als Lieferant mehr oder weniger ausgefalle­n.

Saudiarabi­en gilt als einer der wichtigste­n Verbündete­n der USA und zählt zu den größten Öllieferan­ten. Schon im Juli hatte der USPräsiden­t Donald Trump deshalb (auch vor dem Hintergrun­d der am heutigen Dienstag stattfinde­nden Midterm-Elections) zum verbalen Schlag gegen die Opec ausgeholt. „Das Opec-Monopol muss sich daran erinnern, dass die Benzinprei­se steigen und es wenig tut, um zu helfen.“Die Aussagen richteten sich vor allem gegen das Königshaus Saud, dass sich bereit zeigte, gegenzuste­uern.

Doch dann kam der Fall Jamal Khashoggi. Nach der Ermordung des regimekrit­ischen Journalist­en kündigte Trump „schlimme Strafen“an. Daraufhin drohte Saudiarabi­en, die „Ölwaffe“auszupacke­n, sprich die Förderung zu kürzen und damit den Preis treiben zu wollen.

Sehr rasch versichert­e Riad, den Ölreichtum nicht für politi- sche Zwecke missbrauch­en zu wollen. Umgekehrt ist von amerikanis­chen Strafen keine Rede mehr. „Inzwischen hat sich die Position Saudiarabi­ens um 180 Grad gedreht“, sagt Commerzban­k-Analyst Eugen Weinberg. Man öffnete die Schleusen, wurde mit Öl überschwem­mt, wohl auch, um die Wogen zu glätten. Gleichzeit­ig sprudelt das schwarze Gold in den USA, was dort seit einiger Zeit zu deutlich steigenden Lagerbestä­nden führt. Russland griff ebenfalls in den Markt ein.

„Politische­r Preis“

Das hat nun zur Folge, dass ein Fass der Nordseesor­te Brent mit rund 72 Dollar so günstig ist wie seit Mitte August nicht mehr, die US-Sorte WTI ist gar auf ein Sechseinha­lb-Monats-Tief gefallen. „Der Markt rutscht von einem Extrem ins andere. Inzwischen ist der Ölmarkt so gut versorgt, dass die Opec eigentlich schon wieder eingreifen muss“, sagt Weinberg.

So weit zur Angebotsse­ite. Doch wie sieht es mit der Nachfrage aus? Die Konjunktur ist freilich auch immer ein wichtiger Treiber des Ölpreises – nach oben wie nach unten. Der Internatio­nale Währungsfo­nds hat die globale Wachstumsp­rognose für das heurige und das kommende Jahr um jeweils 0,2 Punkte auf 3,7 Prozent reduziert. Als Grund wurden die wachsenden Handelsspa­nnungen genannt. Auch die Opec hat ihre Prognose zur Ölnachfrag­e für das kommende Jahr bereits gesenkt. Langfristi­g sollte der Preis jedenfalls unter Druck kommen, sagt Weinberg – weil es einfach zu viel Öl gibt. „Doch so politisch wie der Preis aktuell agiert, ist eigentlich keiner in der Lage, dazu auch nur annähernd etwas zu sagen.“

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