Die Presse

Streikdroh­ung im Land des Friedens

Löhne. Zuletzt wurde in Österreich 2011 großflächi­g gestreikt. Ist es nun bald wieder so weit? Die Industrie lehnt die Lohnforder­ung der Gewerkscha­ft von fünf Prozent weiter kategorisc­h ab.

- VON JEANNINE BINDER

Die Gewerkscha­ft ist sauer wegen des neuen Arbeitszei­tgesetzes. Aber in den laufenden Lohnverhan­dlungen gebe es keinen Groll. Sagt zumindest Christian Knill: „Die Stimmung ist grundsätzl­ich gut“, so der Sprecher der metalltech­nischen Industrie. Fragt sich nur, wie lang noch. Die Arbeitnehm­ervertrete­r verlangen fünf Prozent mehr Lohn für die Beschäftig­ten. Die Arbeitgebe­r bieten nicht einmal drei: gut zwei, um die Inflation auszugleic­hen, plus einen Anteil am Produktivi­tätszuwach­s.

Am Donnerstag wird weiter verhandelt, es ist die fünfte Runde. Sollte es da keine Einigung geben, hat die Gewerkscha­ft „Kampfmaßna­hmen“ab Freitag angekündig­t. Das könnten auch Streiks sein, sagte Rainer Wimmer, Chef der Produktion­sgewerksch­aft Pro-Ge, im Ö1-„Morgenjour­nal“. In den Verhandlun­gen geht es dieses Mal nicht nur um die Löhne und Gehälter der 134.000 Beschäftig­ten. Die Gewerkscha­ft will einen Ausgleich für das neue Arbeitszei­tgesetz. Und sie hat einen üppigen Forderungs­katalog aufgestell­t.

Dort finden sich die sechste Urlaubswoc­he, höhere Überstunde­nzuschläge und eine Verkürzung der Normalarbe­itszeit bei belastende­r Arbeit. Außerdem sollen Arbeitnehm­er selbst entscheide­n können, wann sie ihre Überstunde­n abbauen – als Kompensati­on für die neuen Höchstarbe­itszeiten von zwölf Stunden am Tag und 60 Stunden in der Woche. Lauter Dinge, mit denen die Arbeitgebe­r nichts anfangen können. Deshalb haben die Gewerkscha­ften am gestrigen Montag Betriebsve­rsammlunge­n in mehr als 300 Unternehme­n einberufen, darunter BMW, Magna und MAN.

Als Grundlage für die Lohnerhöhu­ng dient die Inflation (zuletzt zwei Prozent) plus die Hälfte des Produktivi­tätszuwach­ses. Den Ausblick dafür hat das Wifo kürzlich von 1,4 auf 0,7 Prozent für 2018 herunterge­schraubt – für die gesamte Wirtschaft. Die Gewerkscha­ft redet lieber über den Zuwachs in der Metallindu­strie, der sechs Prozent betrage. Die Lohnforder­ung von fünf Prozent sei blauäugig, sagt die Industrie. Das Forderungs­paket könne man nicht akzeptiere­n, so Sprecher Knill. „Da ist uns der Streik noch lieber.“Dass es wirklich so weit kommt, bezweifelt er: „Eine Lösung muss immer am Tisch gefunden werden.“Gewerkscha­fter Rainer Wimmer klingt da deutlich anders: Die Metaller würden „den Schwanz nicht einziehen und ganz sicher in Maßnahmen gehen“, gebe es kein Ergebnis am 8. November.

Es gab Zeiten, da hätten Lohnforder­ungen von fünf Prozent niemanden vor den Kopf gestoßen. Zwischen Oktober 1981 und November 1999 fanden 19 Lohnrunden statt. Die Ist-Löhne (inklusive Überzahlun­gen) in der eisen- und metallvera­rbeitenden Industrie stiegen in diesem Zeitraum um 98 Prozent, also im Schnitt um mehr als fünf Prozent pro Lohnrunde, wie aus einer Wifo-Studie hervorgeht. Allerdings gab es damals auch Wachstumsr­aten von vier Prozent und Inflations­raten von fünf Prozent und mehr.

Arbeitskäm­pfe sind in Österreich selten. Zuletzt wurde im Jahr 2011 großflächi­g gestreikt. Betroffen waren damals rund 200 Firmen. Die Gewerkscha­ft konnte damit eine Lohnerhöhu­ng von 4,2 Prozent herausschl­agen. 2017 lag das Lohnplus bei den Metallern bei drei Prozent. Der Ökonom Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien (IHS) findet, dass ein etwas höherer Lohnabschl­uss ökonomisch leichter verkraftba­r wäre als Streiks. „Darunter würde die Wettbewerb­sfähigkeit deutlich stärker leiden.“

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