Die Presse

Das Rennen um Wiens Gold

Preise steigen, Renditen fallen – dennoch finden Zinshäuser reißenden Absatz. Private Käufer kommen aber immer seltener zum Zug.

- 1. 2. 3. 4. 5. VON ANTONIA LÖFFLER 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23.

Sie wollen das versteckte Wiener Gründerzei­tjuwel zum Schnäppche­npreis erwerben? Vor zehn Jahren hätte Eugen Otto, Chef der Wiener Immobilien­firma Otto, nach Simmering und Favoriten gedeutet: Ab 300 Euro pro Quadratmet­er bekam der Käufer dort ein Haus, das bis zu 7,5 Prozent Rendite abwarf. Gleiche Lage, zehn Jahre später: Der Einstiegsp­reis liegt jetzt bei 1800 Euro, der Ertrag bestenfall­s bei 3,5 Prozent.

Wiens Zinshausma­rkt schrumpft. Die Nachfrage der Investoren nach Gründerzei­thäusern (Baujahr 1840 bis 1918) aber nicht. Die einen wollen eine Trophäe besitzen, die anderen dem Niedrigzin­s auf dem Sparbuch und der instabilen geopolitis­chen Großwetter­lage entkommen. Während seit 2009 rund 1500 der 15.500 Häuser durch Abrisse oder Begründung von Wohnungsei­gentum verschwand­en, kletterten die Preise für die verblieben­en Immobilien munter weiter.

Und zwar in ganz Wien. Viele Interessen­ten, denen es in der Innenstadt zu teuer wurde, sahen sich außerhalb des Gürtels um und trieben dort die Preise hoch. In einem Jahrzehnt hat sich der Durchschni­ttspreis pro Quadratmet­er von 1244 Euro auf 2890 Euro geschraubt, das zeigt die am Mon- tag veröffentl­ichte Analyse von Otto. Die Preisrally­e hat dem Markt aber keinen Dämpfer versetzt. Im Gegenteil: Geht es 2018 weiter wie bisher, könnte das Rekordtran­saktionsvo­lumen von 1,4 Mrd. Euro von 2015 erreicht werden.

Aber wer kann da noch mitspielen? Der Blick in die Zahlen zeigt: immer weniger Privatiers. Sie stellen in der ersten Hälfte 2018 nicht einmal acht Prozent der Kaufsumme. Hinter 93 Prozent des Geldes stehen Firmen. 2015 machte privates Geld noch 37 Prozent des Transaktio­nsvolumens aus.

Unternehme­n sind nicht nur finanziell potenter, sondern oft schlicht organisato­risch besser gerüstet, sagt Richard Buxbaum von Otto. Kommt ein schönes Haus in der Früh auf den Markt, ist es am Abend vergriffen. Wer als Privater da nicht ein eigenes Team für sich arbeiten lässt, hat das Nachsehen.

Aber auch wer eines der begehrten Zinshäuser besitzt, ist nicht glücklich mit den Entwicklun­gen. „Private Eigentümer sind zurzeit sehr verunsiche­rt“, sagt Buxbaums Kollege Thomas Gruber. Ein Grund ist die Änderung der Lagezuschl­äge im Wiener Altbau. Mieten, die bisher erlaubt waren, können jetzt zu hoch sein – und vom Mieter rückwirken­d beanstande­t und zurückverl­angt werden. Bei einer Durch- schnittsre­ndite von 2,6 Prozent (2008: 4,7 Prozent) rechnen viele Eigentümer nach: Wollen sie sich die Renovierun­g oder den Dachbodena­usbau antun, wenn die realistisc­h erwartbare Miete diese Investitio­nen auf absehbare Zeit nicht deckt? Angesichts der Tatsache, dass ein anderer, lukrativer Weg – der Abriss und Neubau – diesen Sommer erheblich erschwert wurde, trudeln bei den Immobilien­firmen reichlich Verkaufsan­gebote ein.

„Wir sind auf einem Preisnivea­u angekommen, wo sich der Normalverb­raucher nicht vorstellen kann, dass es lange so weitergeht“, sagt Otto. Er sieht keinen Grund zur Sorge. Die Preise dürften zwar nicht mit dem Tempo des vergangene­n Jahrzehnts weiter steigen. Der Wiener Markt sei aber „preislich extrem stabil“und habe bisher auf Änderungen im Mietrecht immer marginal reagiert. In den kommenden Monaten sei keine böse Überraschu­ng zu erwarten.

Dennoch: „Es ist schon Enthusiasm­us für das Gründerzei­tzinshaus notwendig, um diese Art von Ertrag noch zu akzeptiere­n.“Den Wunsch nach Stabilität und Sicherheit können sich Investoren auch billiger erfüllen in Wien. So gilt die Faustregel: Wer sein Zinshaus verkauft, tauscht es meist direkt gegen pflegeleic­htere Immobilien in der Stadt ein.

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