Ein Jahr mit Trump in der Redaktion der „New York Times“
Medien. Pünktlich zu den Midterm-Wahlen in den USA zeigt Arte die komplette Showtime-Doku „The Fourth Estate“. Reporter, Kolumnisten und der Chefredakteur der „New York Times“gewährten der Filmemacherin Liz Garbus Einblick in das erste aufreibende Jahr mi
Es beginnt mit Bildern von der Angelobung Donald Trumps zum 45. Präsidenten der USA am 20. Jänner 2017. Im Newsroom der „New York Times“haben sich Chefredakteur Dean Baquet und einige Reporter um einen Computer versammelt und folgen dem Schauspiel. Als Trump in seiner Antrittsrede sagt: „Dieses amerikanische Gemetzel endet genau hier und genau jetzt“, bleibt es still, die Blicke im Newsroom frieren ein. Baquet wählt die Nummer von Elisabeth Bumiller, der Leiterin des Washington-Büros. Er will wissen, ob sie Trumps Rede auch so düster gefunden hat, und über die Titelschlagzeile für den nächsten Tag reden.
Später nimmt Baquet die nahe Zukunft seines Blattes vorweg, wenn er sagt, die Trump-Administration werde „in vielerlei Hinsicht ein Härtetest für uns. Er (Trump, Anm.) und die Leute in seinem Umfeld sind so anders, dass es schwierig sein wird, ihn zu verstehen. Aber ich muss gestehen, es wird auch spannend. Tolle Geschichten übertrumpfen einfach alles.“
Trump hat sich nicht nur, aber vor allem auf die „failing“„New York Times“eingeschossen, wie er sie gern nennt, und auch immer wieder Korrespondentin Maggie Haberman persönlich attackiert. In der Doku „The Fourth Estate“(Showtime), die in den USA schon im Mai zu sehen war, sehen wir sie bei der Arbeit, die ihr in diesem Jahr einen Pulitzerpreis eingebracht hat. Aber sie spricht auch von den Entbehrungen, die ihr Job mit sich bringt: „Meine Kinder dachten, dass sie ihre Mutter nach dem Wahlkampf wiederbekommen würden. Aber das ist nicht eingetreten.“Im Gegenteil, die dreifache Mutter muss nun erst recht rund um die Uhr arbeiten, nachdem FBI-Direktor James Comey eine Untersuchung angeordnet hat, um eventuelle Manipulationen des US-Präsidentschaftswahlkampfs durch Russland zu überprüfen. Die Kinder hält sie zwischendurch per Videoanruf bei Laune.
Spannend wie ein Thriller
Es ist spannend wie ein Hollywood-Thriller, inhaltlich komplex wie ein Politikproseminar, was Filmemacherin Liz Garbus mit ihrer Doku liefert. Dass die „New York Times“dank Trump eine der aufreibendsten und erfolgreichsten Phasen ihrer Geschichte erleben würde, war am Tag seiner Angelobung bestenfalls zu erahnen. Die Recherchen der Zeitung haben ihr den höchsten Zuwachs an Abonnenten seit vielen Jahren eingebracht.
Die Filmemacherin bekam Zugang zur Redaktion und durfte Reporter wie Haberman und Chefredakteur Baquet begleiten, bei Themenkonferenzen und Titelseitendebatten mitfilmen. Ein Jahr lang hat sie die Redaktion beobachtet, deren harten Konkurrenzkampf mit der „Washington Post“um Exklusivgeschichten und Trumps Attacken gegen das Medienhaus protokolliert – und war sogar dabei, als Maggie Haberman mit Trump persönlich telefoniert (in Folge eins). Die Off-the-records-Stellen wurden unhörbar gemacht.
Liz Garbus hat natürlich auch Glück mit der aktuellen „New York Times“-Belegschaft. Sie ist es gewohnt, sich bei der Arbeit filmen zu lassen, der Film „Page One“zeigte 2011 eine wirtschaftlich strauchelnde Redaktion, die Mitarbeiter entlassen musste. Für die Zeitung ist so eine Dokumentation auch wertvolle PR – so wie die unflätigsten Verbalattacken des US-Präsidenten.