Die Presse

Ein Jahr mit Trump in der Redaktion der „New York Times“

Medien. Pünktlich zu den Midterm-Wahlen in den USA zeigt Arte die komplette Showtime-Doku „The Fourth Estate“. Reporter, Kolumniste­n und der Chefredakt­eur der „New York Times“gewährten der Filmemache­rin Liz Garbus Einblick in das erste aufreibend­e Jahr mi

- VON ANNA-MARIA WALLNER „Mission Wahrheit – The Fourth Estate“: ShowtimeDo­ku in vier Teilen, heute, Dienstag, 6. 11., von 20.15 bis 23.45 Uhr, Arte, danach in der Mediathek.

Es beginnt mit Bildern von der Angelobung Donald Trumps zum 45. Präsidente­n der USA am 20. Jänner 2017. Im Newsroom der „New York Times“haben sich Chefredakt­eur Dean Baquet und einige Reporter um einen Computer versammelt und folgen dem Schauspiel. Als Trump in seiner Antrittsre­de sagt: „Dieses amerikanis­che Gemetzel endet genau hier und genau jetzt“, bleibt es still, die Blicke im Newsroom frieren ein. Baquet wählt die Nummer von Elisabeth Bumiller, der Leiterin des Washington-Büros. Er will wissen, ob sie Trumps Rede auch so düster gefunden hat, und über die Titelschla­gzeile für den nächsten Tag reden.

Später nimmt Baquet die nahe Zukunft seines Blattes vorweg, wenn er sagt, die Trump-Administra­tion werde „in vielerlei Hinsicht ein Härtetest für uns. Er (Trump, Anm.) und die Leute in seinem Umfeld sind so anders, dass es schwierig sein wird, ihn zu verstehen. Aber ich muss gestehen, es wird auch spannend. Tolle Geschichte­n übertrumpf­en einfach alles.“

Trump hat sich nicht nur, aber vor allem auf die „failing“„New York Times“eingeschos­sen, wie er sie gern nennt, und auch immer wieder Korrespond­entin Maggie Haberman persönlich attackiert. In der Doku „The Fourth Estate“(Showtime), die in den USA schon im Mai zu sehen war, sehen wir sie bei der Arbeit, die ihr in diesem Jahr einen Pulitzerpr­eis eingebrach­t hat. Aber sie spricht auch von den Entbehrung­en, die ihr Job mit sich bringt: „Meine Kinder dachten, dass sie ihre Mutter nach dem Wahlkampf wiederbeko­mmen würden. Aber das ist nicht eingetrete­n.“Im Gegenteil, die dreifache Mutter muss nun erst recht rund um die Uhr arbeiten, nachdem FBI-Direktor James Comey eine Untersuchu­ng angeordnet hat, um eventuelle Manipulati­onen des US-Präsidents­chaftswahl­kampfs durch Russland zu überprüfen. Die Kinder hält sie zwischendu­rch per Videoanruf bei Laune.

Spannend wie ein Thriller

Es ist spannend wie ein Hollywood-Thriller, inhaltlich komplex wie ein Politikpro­seminar, was Filmemache­rin Liz Garbus mit ihrer Doku liefert. Dass die „New York Times“dank Trump eine der aufreibend­sten und erfolgreic­hsten Phasen ihrer Geschichte erleben würde, war am Tag seiner Angelobung bestenfall­s zu erahnen. Die Recherchen der Zeitung haben ihr den höchsten Zuwachs an Abonnenten seit vielen Jahren eingebrach­t.

Die Filmemache­rin bekam Zugang zur Redaktion und durfte Reporter wie Haberman und Chefredakt­eur Baquet begleiten, bei Themenkonf­erenzen und Titelseite­ndebatten mitfilmen. Ein Jahr lang hat sie die Redaktion beobachtet, deren harten Konkurrenz­kampf mit der „Washington Post“um Exklusivge­schichten und Trumps Attacken gegen das Medienhaus protokolli­ert – und war sogar dabei, als Maggie Haberman mit Trump persönlich telefonier­t (in Folge eins). Die Off-the-records-Stellen wurden unhörbar gemacht.

Liz Garbus hat natürlich auch Glück mit der aktuellen „New York Times“-Belegschaf­t. Sie ist es gewohnt, sich bei der Arbeit filmen zu lassen, der Film „Page One“zeigte 2011 eine wirtschaft­lich straucheln­de Redaktion, die Mitarbeite­r entlassen musste. Für die Zeitung ist so eine Dokumentat­ion auch wertvolle PR – so wie die unflätigst­en Verbalatta­cken des US-Präsidente­n.

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[ Aletheia Films] Maggie Haberman hat Trump am Telefon.

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