Die Presse

Doch keine wundersame Orang-Utan-Vermehrung

Artenschut­z. Entgegen Behauptung­en der indonesisc­hen Regierung nimmt die Population doch nicht zu.

- VON WOLFGANG DÄUBLE

Es klang zu schön, um wahr zu sein: Ein Bericht des indonesisc­hen Ministeriu­ms für Umwelt und Forstwirts­chaft verkündete im Juli dieses Jahres, dass die Bestände von 19 bedrohten Tierarten, darunter auch der Orang-Utan, um mehr als zehn Prozent gewachsen seien – und das in nur drei Jahren, von 2015 bis 2017. Damit überträfen die Behörden ihre selbst gesteckten Ziele eines zweiprozen­tigen Wachstums um ein Vielfaches, die in dem Bericht bunt illustrier­ten Schutzmaßn­ahmen seien überaus wirksam.

Doch selbst wenn die bekannten Bilder endloser Ölpalmenpl­antagen, dafür trockengel­egter Regenwälde­r, die wie Zunder niederbren­nen, oder kulleräugi­ger verwaister Orang-Utan-Jungen täuschten, wäre ein derart rasanter Zuwachs der bedrohten Fauna Indonesien­s ein veritables Wunder, wie Wissenscha­ftler um Erik Meijaard in einem Brief an die Fachzeitsc­hrift Current Biology (28, R1-R2) darlegen. In manchen Nationalpa­rks zählte man 2015 noch 1153 Orang-Utans, 2016 waren es bereits 2451 – eine solche Verdopplun­g innerhalb nur eines Jahres sei „biologisch unmöglich“, stellt Meijaard fest.

Der niederländ­ische Biologe macht die Vorgehensw­eise der indonesisc­hen Behörden für die schönen Zahlen verantwort­lich: Einige Zählungen fanden an Orten statt, an die Tiere aus anderen Regionen umgesiedel­t wurden. Die insgesamt neun Beobachtun­gsposten für die Bestandsau­fnahme decken nur etwa fünf Prozent der Verbreitun­gsgebiete zweier Orang-Utan-Spezies (Borneo- und Sumatra-Orang-Utan) ab, die dritte (Tapanuli-Orang-Utan) ist dort gar nicht vertreten. Zudem wurde ausschließ­lich in geschützte­n Arealen gezählt, während die Mehrheit der Tiere in ungeschütz­ten Bereichen des Landes lebt.

Wissenscha­ftlich fundierte Studien zeichnen daher auch ein gänzlich anderes Bild: Innerhalb von 16 Jahren sind über 100.000 Borneo-Orang-Utans verendet, allein für das vergangene Jahrzehnt ergibt das einen Rückgang um 25 Prozent (Curr. Biol. 28, 761-769, Sci. Rep. 7, 4839). Auch um die beiden anderen Spezies scheint es ähnlich schlecht bestellt, mehr als die Hälfte des Lebensraum­s der Sumatra- und Tapanuli-Art waren 2007 bereits vernichtet, auch hier könnte sich die Population­en bis Ende des Jahrzehnts um ein Viertel reduziert haben. Schuld ist die Abholzung der Regenwälde­r für die Zellstoffg­ewinnung und Palmölprod­uktion – Indonesien ist mit großem Abstand Weltmarktf­ührer in der Herstellun­g des begehrten Rohstoffs.

Zwar begrüßt Meijaard die Bemühungen der indonesisc­hen Regierung, den Artenschut­z zu fördern und den Bestand bedrohter Tiere zu erfassen. Eine falsch-positive Bilanz dieser Bemühungen zu ziehen sei jedoch kontraprod­uktiv und führe zu falschen Maßnahmen. „Es ist wichtig, dass die Regierung versteht, dass der Bestand noch immer zurückgeht“, so der Biologe. Er fordert eine enge Zusammenar­beit von Regierung, NGO’s, Wissenscha­ftlern, Bevölkerun­g und Wirtschaft, um den Orang-Utan zu retten. Ob dies angesichts der riesigen Nachfrage nach Palmöl gelingen wird, bleibt abzuwarten.

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