UN-Migrationspakt: Stammtisch schlägt die rationale Politik
Das Ausscheren aus dem UN-Pakt demonstriert schmerzlich, wie geistig verzwergt die Bundesregierung heute agiert.
Menschen
migrieren, seit es sie gibt. Wie David Reich in seinem neuen Buch zeigt, sind auch die Mitteleuropäer das Ergebnis ständiger Migrationen und Vermischungen der vergangenen 20.000 Jahre. Heute beobachten wir diesen Prozess aus der ersten Reihe fußfrei. Ein Blick in die Grundschulen von Wien, Wels oder Innsbruck zeigt, wie massiv sich das Antlitz Österreichs durch die Immigration der vergangenen 20 Jahre bereits verändert hat. Na und? De facto war unsere Heimat ja immer schon Einwanderungsland.
Es beunruhigen allerdings Geschwindigkeit und Ausmaß. Klar, heute leben viel mehr Menschen auf der Welt als noch vor 50 Jahren. Dies führt zur ökologischen Überforderung der Biosphäre, Migrationsgründe nehmen zu, die Anzahl der Leute auf der Suche nach einem erträglichen Leben steigt. Dies sind aber bloß erste Zeichen an der Wand; wenn nichts geschieht, wird die Migration stetig zunehmen. Verständlich, dass sich die „klassischen Österreicher“samt der bereits etablierten Zuzügler Sorgen um ihre Lebensqualität machen. Integration, Erderwärmung, Artensterben, Landverbrauch und Energiewende zählen daher zu den drängendsten Zukunftsthemen, die man weltweit rasch und kreativ angehen muss.
Angehen müsste, denn unsere Regierung beackert lieber Symbolthemen und fördert Angst und Kleingeistigkeit. Es scheint europäischer Grundkonsens über alle politischen Lager hinweg zu sein, dass man nicht alle hereinlassen kann, die hereinwollen. Zum eigenen Wohl und im Interesse dieser Menschen braucht es Strategien und Migrationsgesetze. Diese aber fehlen heute weitgehend. Vielmehr erleben wir Panikreaktionen in Form von Mauern, Zäunen, Grenzkontrollen und dem dummen Gerede von der „Festung Europa“. Stetig steigende Migrationsströme verlangen Konzepte, Vorbereitung und internationale Abstimmung. Genau das ist Inhalt des UN-Migrationspaktes. Völkerrechtlich nicht bindend, enthält er minimale, aber höchst wichtige Richtlinien. Seine 23 Ziele sollen die Kooperation zwischen den Unterzeichnern stärken und die Kräfte bündeln, etwa in der Bekämpfung der Armut in den Herkunftsländern oder des Menschenschmuggels. U nverantwortlich irrational daher, dass die Regierung diesen auch im zentralen Interesse unseres Landes liegenden und von ihr mit ausgehandelten Pakt verweigert. Alle ihre Argumente, wie die Gefährdung der österreichischen Souveränität, eine Förderung der illegalen Migration oder eines Rechts auf Migration, sind falsch und manipulativ. Das Ausscheren der blassblauen Regierung schwächt die Vereinten Nationen, die EU, zuallererst aber sie selbst und die Reputation Österreichs. Wir outen uns erneut als unsicherer Kantonist. Es schmerzt, wie geistig verzwergt wir heute (nicht nur) außenpolitisch agieren.
Hoffnung durchzog das Land, die blassblaue Regierung würde vernünftig längst fällige Reformen angehen – Pensionen, Gesundheit, Föderalismus, Bildung etc. Was wir aber erleben müssen, ist Symbolpolitik für die Stammtische. Typisch der UN-Migrationspakt: HC Strache bedient seine Klientel, und Sebastian Kurz sekundiert artig. So schnell wird aus einer Regierung der Hoffnung eine der nationalen Schande. Unzuverlässigkeit verunsichert. Was kommt als Nächstes? Vielleicht eine Kampagne gegen die internationalisierte Wissenschaft, gegen die vielen „Ausländer“an unseren Unis und in unserer Forschung? Alles scheint nun möglich.