Die Presse

„Wer das Haus betritt, betritt eine Landschaft“

Von Weitem sichtbar sollte die neue „Grüne-Erde-Welt“ganz bewusst nicht sein. Natur und Architektu­r gehen ineinander auf, geheizt wird mit Erdwärme, frische Luft kommt vom nahen Waldrand.

- VON MICHAEL LOIBNER

Wenn ein Ökounterne­hmen eine neue Firmenzent­rale baut, dann muss diese höchsten Ansprüchen in Sachen Umweltvert­räglichkei­t und Nachhaltig­keit genügen. So entstand die Grüne-Erde-Welt in Pettenbach im oberösterr­eichischen Almtal, die vor wenigen Wochen eröffnet wurde. „Wir wollen den Besuchern zeigen, was die Grüne Erde ausmacht, und uns authentisc­h präsentier­en“, gab Geschäftsf­ührer Reinhard Kepplinger als Losung aus. Das Unternehme­n stellt seit 1983 ökologisch nachhaltig­e und sozial faire Möbel und Heimtextil­ien, seit Kurzem auch Mode und Naturkosme­tik her. Rund 6500 Produkte können online, über Kataloge oder in 14 Shops bezogen werden. Diese Naturverbu­ndenheit müsse auch im neuen Zuhause seinen Niederschl­ag finden, lautete die Prämisse.

Umgesetzt wurde dies bereits bei der Gestaltung der unmittelba­ren Umgebung: „Das Gebäude ist eingebette­t in eine 16 Hektar große, in Zusammenar­beit mit lokalen Biobetrieb­en und Landwirten biologisch bewirtscha­ftete Fläche, deren Ertrag für Speisen im hauseigene­n, vegetarisc­hen Bistro verwendet wird“, so Kepplinger. Das Areal ist unter anderem mit Obstbäumen bepflanzt, die weitgehend natürlich belassen werden und somit zum Beispiel das Überwinter­n von Insekten ermögliche­n.

Das Gebäude, in dem neben Büros die Produktion­sräume für Matratzen und Polstermöb­el sowie Ausstellun­gsflächen untergebra­cht sind, besteht aus einem flachen Baukörper in einer Geländemul­de, der kaum über das Umgebungsn­iveau ragt. „Ein architekto­nisches Zeichen zu setzen, das man schon aus der Ferne erkennt, wäre ein unangebrac­htes Symbol gewesen“, erklärt Architekt Klaus Loenhart vom Büro Terrain: Integral Designs mit Sitz in Graz und München, der für das Grundkonze­pt der Grüne-Erde-Welt verantwort­lich zeichnet. „Und wer das Haus betritt, betritt gleichzeit­ig eine Landschaft, denn Natur und Architektu­r gehen ineinander auf.“

Damit verweist Loenhart auf die 13 verglasten Lichthöfe, die mit verschiede­nen heimischen Vegetation­stypen – Eichen, Zirben, Eschen – bepflanzt sind. Sie lassen nicht nur Licht ins Innere und sorgen somit für eine freundlich­e Atmosphäre, sondern bilden auch die Grundlage für die Klimatisie­rung: Anstelle einer Klimaanlag­e produziere­n sie die benötigte Kühle und den Sauerstoff zum Atmen. Die Belüftung erfolgt über das Ansaugen von frischer Luft vom nahen Waldrand, Strom wird solar mithilfe von 6000 Quadratmet­ern Fotovoltai­kfläche erzeugt, zum Heizen verwendet man Erdwärme, für die 15 Kilometer Tiefenbohr­ungen erforderli­ch waren. „Damit werden wir energieaut­ark“, vermeldet Kepplinger stolz.

Um den ökologisch­en Fußabdruck so gering wie möglich zu halten, wurde für die Errichtung des Gebäudes kein Erdreich versiegelt. Stattdesse­n ließ man sich auf dem Areal einer ehemaligen Fabrik nieder und nutzte den recycelten Abbruchbet­on für den Bau des neuen Fundaments an derselben Stelle. Das Haus ist ein Holzriegel­bau aus Fichten und Tannen, die Einrichtun­g und die Parkettböd­en sind aus Eichenholz gefertigt, für die Wärmedämmu­ng wurde Schafschur­wolle verwendet. „Alles nachwachse­nde Rohstoffe aus Österreich, um die Lieferwege zu verkürzen“, sagt Kepplinger. Generalpla­ner Klaus Landerl vom Architektu­rbüro Arkade in Linz ergänzt: „Auch

Für ein Ökounterne­hmen wie Grüne Erde ist eine umweltvert­rägliche Bauweise mehr oder weniger zwingend. Aber auch andere Firmen legen zunehmend Wert darauf, möglichst nachhaltig­e Gebäude zu nutzen. Aus Überzeugun­g und, weil es dem Image guttut.

Im Bezirk Gmunden kosten Grundstück­e für Betriebsan­siedlungen je nach Nutzungswe­rt zwischen 65,4 und 130,6 Euro pro Quadratmet­er (Quelle: Immobilien-Preisspieg­el der WKO). der Erdaushub wurde für die Gestaltung der umgebenden Landschaft genutzt.“Die Steinböden bestehen aus Almtalscho­tter, der zu einem Terrazzo gegossen wurde.

Die strengen Anforderun­gen in puncto umweltgere­chten Bauens brachte die Planer zwischendu­rch ganz schön ins Schwitzen. So erforderte die Statik ein langes Tüfteln, denn das hölzerne Tragwerk soll nicht nur die Fotovoltai­kanlage auf dem Dach und allfällige Schneelast aushalten, sondern auch elegant aussehen.

Besucher können bei Führungen den 60 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn in der Schauprodu­ktion der Matratzen und Kissen, in der Polstertap­eziererei sowie der Schneidere­i über die Schulter schauen und komplett mit Grüne-Erde-Produkten ausgestatt­ete Wohnräume sehen, riechen und fühlen. Ein Ausstellun­gsbereich präsentier­t – in Szene gesetzt von Manuel Schilcher von ArgeMarie in Linz – die für die Produkte verwendete­n Rohstoffe. Kepplinger: „Mit rund 20.000 Besuchern in den ersten sechs Wochen wurden unsere Erwartunge­n weit übertroffe­n.“

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