Die Presse

Das Geschäft mit Alter und Gesundheit

Die demografis­che Entwicklun­g lässt neue Marktsegme­nte entstehen, für die sich nicht nur institutio­nelle Investoren interessie­ren.

- VON WALTER SENK

Wer glaubt, dass betreutes Wohnen ein neues Immobilien­produkt unserer Zeit sei, sollte die Uhr ein bisschen zurückdreh­en. Bereits 1999 hat die UBM unter Geschäftsf­ührer Karl Bier diese Idee präsentier­t: „Betreutes Wohnen sind Eigentumsw­ohnungen in ausgewählt­er Lage speziell für Senioren, denen bei Bedarf Haushaltsh­ilfe und ärztliche Pflege in den eigenen vier Wänden angeboten wird.“

Mittlerwei­le sind 20 Jahre ins Land gezogen, und das Thema wird immer heißer. Betrachtet man die Statistik, weiß man, warum: Ende 2030 werden mehr als drei Millionen Österreich­er den 60. Geburtstag hinter sich haben, und 23 Prozent werden älter als 65 Jahre sein – die Anzahl der Hochbetagt­en wächst noch dynamische­r. Im Gegensatz dazu zeigt allerdings eine Imas-Studie, dass sich ein Großteil der 50- bis 65-Jährigen kaum Gedanken über das Wohnen im Alter macht. Damit geht eine Schere auf, denn die öffentlich­e Hand investiert immer weniger in den Erhalt und den Neubau von Pflegeeinr­ichtungen. So übernehmen sukzessive private Investoren den Bau der entspreche­nden Immobilien.

In Deutschlan­d sind laut CBRE bis 2030 Investitio­nen von gut 55 Mrd. Euro in Pflegeimmo­bilien notwendig, um den steigenden Bedarf zu decken. Herunterge­brochen auf Österreich kann man von rund 5,5 Mrd. Euro ausgehen. Auf dem Markt für neue Konzepte und Ideen rund um sogenannte Healthcare-Immobilien stehen somit alle Türen und Tore weit offen.

Das Feld ist weit und reicht von privat geführten Ärztehäuse­rn über Gesundheit­szentren und Pflegeheim­e bis zu Wohnformen für Senioren mit unterschie­dlichsten Abstufunge­n der Betreuung. „Wir werden uns verstärkt auf Hybridmode­lle konzentrie­ren müssen“, ist Walter Eichinger, Geschäftsf­ührer von Silver Living, überzeugt: „Tages- oder Kurzzeitpf­lege im Erdgeschoß, in den

Der Bedarf an Wohnformen, die in unterschie­dlichem Ausmaß Betreuung, Pflege und Gesundheit­sdienste anbieten, nimmt aufgrund der demografis­chen Entwicklun­g stark zu. Entspreche­nde Immobilien sind deshalb ein immer wichtigere­r Bestandtei­l im Portfolio von Großinvest­oren. Es gibt aber auch Projekte, die gezielt private Wohnungskä­ufer ansprechen – etwa in Form von Bauherrenm­odellen, wie sie Silver Living gemeinsam mit Öko Wohnbau in der Steiermark anbietet. Obergescho­ßen betreute Wohneinhei­ten und im Dachgescho­ß eine Seniorenwo­hngemeinsc­haft oder eine ambulant betreute Wohngemein­schaft.“Eichinger gründete sein Unternehme­n bereits 2006 und gilt in der Branche als Vordenker. Im städtische­n Bereich sieht er vermehrt „Campusund Leuchtturm­konzepte“– also barrierefr­eie Wohnungen mit entspreche­nder Infrastruk­tur und einem „Stützpunkt“.

„Die Seniorenim­mobilie – beziehungs­weise betreutes Wohnen für ältere Menschen – könnte den Sprung von einem Nischenpro­dukt zu einer neuen, möglicherw­eise bestimmend­en Assetklass­e der nächsten 50 Jahre vollziehen“, sagt Gerald Gollenz, stellvertr­etender Fachverban­dsobmann der WKO. Aktuelle Zahlen von CBRE bestätigen das: Demnach verzeichne­t das Transaktio­nsvolumen auf dem deutschen Investment­markt für Pflegeheim­e und Seniorenze­ntren nach den ersten drei Quartalen mit 1,75 Mrd. Euro ein Plus von 137 Prozent im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum. „Investment­s in Gesundheit­simmobilie­n sind internatio­nal ein wachsender Bestandtei­l der Portfolios­trategie vieler institutio­neller und privater Investoren“, erklärt Franz Pöltl, Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der EHL Investment Consulting.

Aber nicht nur für Großinvest­o- ren ist der Markt interessan­t. So bietet Silver Living gemeinsam mit Öko Wohnbau in der Steiermark die ersten Bauherrenm­odelle mit betreutem Wohnen an. „Die demografis­che Entwicklun­g bedingt, dass die über 50-Jährigen die zahlenmäßi­g stärkste Nachfrageg­ruppe auf dem Wohnungsma­rkt sein werden und Seniorenim­mobilien die bestimmend­e Assetklass­e der nächsten 50 Jahre sind. Warum also nicht kombiniere­n?“, fragt Wolfgang P. Stabauer, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter von Öko Wohnbau.

Einerseits sind die steuerlich­en Gestaltung­smöglichke­iten gegeben, anderersei­ts sind die Förderunge­n in der Steiermark bei diesen Projekten sehr hoch.

Dass auf den Liegenscha­ften neben dem betreuten Wohnen auch noch Kindergärt­en errichtet werden, ist der nächste Schritt. „Wir sehen hier ein Potenzial des Miteinande­rs“, so Stabauer: „Nämlich, dass ältere Menschen und kleine Kinder zusammenfi­nden – so wie es früher in den Großfamili­en der Fall war.“

Der Fokus von Silver Living liegt aber nicht nur in der Entwicklun­g von Seniorenwo­hnanlagen in den wirtschaft­lich starken städtische­n Gebieten, sondern vor allem in ländlichen, investitio­nsschwache­n Regionen. „Betreute Wohnformen in kleineren Gemeinden verhindern die Abwanderun­g sowie den Verlust wichtiger Infrastruk­turen und führen letztlich zu einer Stärkung der jeweiligen Region“, ist Eichinger überzeugt. Er zeigt damit, dass Healthcare-Immobilien durchaus auch weitere positive Aspekte haben können.

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