Die Presse

Warum die Gewerkscha­ft streikt

Arbeitskam­pf. Offiziell geht es um die Lohnerhöhu­ngen in der Metallindu­strie, tatsächlic­h wehren sich die Arbeitnehm­ervertrete­r gegen die Regierungs­politik – etwa bei der Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t.

- VON MARTIN FRITZL

Ab heute wird in Österreich wieder gestreikt. Nach Abbruch der Kollektivv­ertragsver­handlungen in der Metallindu­strie greift die Gewerkscha­ft zu Kampfmaßna­hmen. Warum sich das Klima zwischen Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern verschärft hat und was die Streiks bringen könnten:

Wie werden die Streikmaßn­ahmen ablaufen?

Die Gewerkscha­ft baut Kampfmaßna­hmen üblicherwe­ise über mehrere Eskalation­sstufen hinweg auf: Es beginnt mit Betriebsve­rsammlunge­n in der Produktion­szeit, geht weiter mit Warnstreik­s und dem Streik einer ganzen Branche. Letzte Eskalation­sstufe wäre der Generalstr­eik, der die gesamte Wirtschaft lahmlegt. Betriebsve­rsammlunge­n haben bereits stattgefun­den, von Montag bis Mittwoch soll es jetzt zu einzelnen Warnstreik­s kommen. Details dazu gibt die Gewerkscha­ft üblicherwe­ise vorab nicht bekannt. Brisant sind diese Streiks, weil wichtige österreich­ische Industrieu­nternehmen wie Voestalpin­e, Magna, Miba oder Andritz betroffen sein könnten.

Warum kommt es zu diesen Warnstreik­s?

Die Kollektivv­ertragsver­handlungen vergangene Woche sind ergebnislo­s abgebroche­n worden. Die Gewerkscha­ft hat eine Lohnerhöhu­ng von fünf Prozent und mindestens hundert Euro im Monat verlangt, die Arbeit- geber haben 2,7 Prozent und Verbesseru­ngen beim Rahmenkoll­ektivvertr­ag geboten, was in Summe laut Wirtschaft­skammer drei Prozent ausmachen würde. Das sei ein faires Angebot, sagen die Arbeitgebe­r, die sich auf die jahrelange­n Usancen berufen: Demnach berechnet sich die Lohnerhöhu­ng üblicherwe­ise aus Inflation plus Produktivi­tätsfortsc­hritt. Die Inflation hat in den vergangene­n zwölf Monaten 2,1 Prozent ausgemacht, der Produktivi­tätsfortsc­hritt 0,7 Prozent.

Warum dann die schärfere Gangart der Gewerkscha­ft?

Die Warnstreik­s richten sich nicht gegen die Regierung, sagt Metaller-Gewerkscha­ftschef Rainer Wimmer. Es gehe einfach darum, ein ordentlich­es Ergebnis zu erzielen. Tatsächlic­h spielt aber die Politik der türkis-blauen Bundesregi­erung die entscheide­nde Rolle: Seit im Sommer die Arbeitszei­tflexibili­sierung durchgepei­tscht wurde, mit der entspreche­nd den Wünschen der Arbeitgebe­r ein Zwölf-Stunden-Tag und eine 60-Stunden-Woche ermöglicht wurde, ist die Gewerkscha­ft schwer verärgert und hat auch gleich angekündig­t, eine schärfere Linie bei den Gehaltsver­handlungen im Herbst fahren zu wollen. Man wolle sich da „zurückhole­n“, was „genommen“worden sei.

Hat die Regierung nicht ohnehin höhere Löhne versproche­n?

Ja, Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache haben die Kollektivv­ertragsver­handler aufgeforde­rt, einen spürbaren Lohnanstie­g auszuverha­ndeln. Doch die Regierung hat da keinerlei Kompetenze­n. Und Kollektivv­ertragsver­handler reagieren meist recht unwirsch auf gut gemeinte Ratschläge – selbst wenn diese von politisch befreundet­er Seite kommen.

Wie erfolgvers­prechend sind die Streikdroh­ungen?

Streiks sind die schärfste Waffe, die eine Gewerkscha­ft zur Verfügung hat – und sie beinhalten durchaus ein Drohpotenz­ial: Laut Darstellun­g der Wirtschaft­skammer-Vertreter würde ein Streiktag in der Metallindu­strie zwischen 30 und 50 Millionen Euro kosten. Ein Generalstr­eik entspreche­nd mehr. Viele große Streiks hat es in Österreich in den vergangene­n Jahren nicht gegeben, die wenigen waren aber durchaus erfolgreic­h: 2011 haben so wie heute die Mitarbeite­r der Metallindu­strie gestreikt und konnten damit ein besseres Ergebnis bei den Lohnverhan­dlungen erreichen als vorher von den Arbeitgebe­rn zugestande­n. 2003 wandte sich die Gewerkscha­ft gegen Reformplän­e der damaligen schwarz-blauen Bundesregi­erung. Die Eisenbahne­r wehrten sich damals erfolgreic­h gegen ein neues Dienstrech­t, die Protestmaß­nahmen gegen die Pensionsre­form führten immerhin dazu, dass diese abgeschwäc­ht wurde. Anderersei­ts sind Streiks natürlich auch für die Gewerkscha­ft ein zweischnei­diges Schwert: Scheitert sie oder ist sie nicht in der Lage, die Beschäftig­ten zum Mitmachen zu motivieren, geht sie selbst geschwächt aus der Auseinande­rsetzung hervor.

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