Die Presse

Über eine platonisch­e Amour fou

Lesung. Sona MacDonalds Werkstoff sind Emotionen. Ein Gespräch über Tschaikows­kis intimen Briefwechs­el und das Verletzung­srisiko im Probenraum.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Sona MacDonalds Werkstoff sind Emotionen. Ein Gespräch über Tschaikows­kis intimen Briefwechs­el und Verletzung­en im Probenraum.

Es war wohl einer der ungewöhnli­cheren Briefwechs­el der Geschichte: Mehr als 1200 Briefe über 14 Jahre hinweg haben Peter Tschaikows­ki und seine Mäzenin Nadeshda von Meck einander geschriebe­n – ohne je miteinande­r gesprochen zu haben. Selbst wenn sich die beiden am selben Ort befanden, sahen sie sich bewusst nur aus der Ferne.

Eine „platonisch­e Amour fou“, die Sona MacDonald diese Woche gemeinsam mit ihrem Kollegen Joseph Lorenz („Paradies–Hoffnung“) und dem russischen Pianisten Boris Bloch im Theater Akzent als Lesung auf die Bühne bringt. Es sei etwas „wahnsinnig Intimes, Briefe zu lesen“, sagt sie, „und ich bin beflügelt davon, wie die Musik einen trägt.“

Von Musik untermalte Briefwechs­el zu lesen ist ein Genre, das ihr von Kindheit an vertraut ist. Schon ihre Eltern, der Vater ein amerikanis­cher Pianist, die Mutter Schauspiel­erin aus Wien, hatten gemeinsam „music and the spoken word“kombiniert. Nur Tschaikows­kis Briefe haben die beiden nicht mehr geschafft auf die Bühne zu bringen. Ihr verstorben­er Vater „würde sich jetzt freuen“, ihre in Florida lebende Mutter tut es mit Sicherheit.

Zur Zeit arbeitet die Kammerscha­upielerin überhaupt am liebsten mit Musik. Eine Nische, die eh immer schon die ihre war, die sie gerade aber so richtig für sich entdeckt hat. „Dass ich gerade zu diesem Zeitpunkt im Leben so große Frauen verkörpern kann – ich staune die ganze Zeit.“Mit ihrem Vorjahres-Triumph, der „Lenya-Story“über die Partnerin Kurt Weills, war sie gerade in Berlin eingeladen. „Ein bombastisc­hes Gefühl“, sagt MacDonald, „es dort zu erleben, wo Lotte Lenya ihren Durchbruch hatte.“

„Mein Spektrum erweitert sich“

Stolz ist sie auch auf ihr Gastspiel in München, wo sie im Gärtnerpla­tztheater in Gottfried von Einems Opernfassu­ng von „Dantons Tod“als Schauspiel­erin unter Opernsänge­rn Büchner-Monologe sprach – und das Gefühl hatte, durch die Arbeit habe sich auch ihre eigene Lunge erweitert. „Mein Spektrum“, freut sie sich, „erweiter sich gerade sehr, und eines befruchtet das andere.“Im Frühjahr spielt sie in der David Schalko-Uraufführu­ng „Toulouse“. Auch das: „äußerst emotional“.

Tschaikows­kis und Nadeshda von Mecks Briefwechs­el nun sei ein „superungew­öhnliches“Angebot, allein schon deshalb, weil eine solche Briefwelt etwas sei, „das wir alle gar nicht mehr haben.“Darin hätten sich „zwei verwandte Seelen, die das auch beide so wollten, auf sehr hohem Niveau ausgetausc­ht“. Auf musikalisc­her Ebene, aber auch in wahren „Gefühlsexp­losionen“.

Wie heikel es sein kann, sich zu öffnen, lotet MacDonald als Schauspiel­erin täglich neu aus. „Man muss sich preis geben, im Sinne von Verausgabu­ng“– sie unterbrich­t sich, lacht über ihre Wortkreati­on. Tatsache sei, dass Schauspiel­er sich in einem verletzlic­hen Bereich bewegen, ein Thema, das sie beschäftig­t. Wenn Schauspiel­er das Instrument sind, „wo fangen im Probenraum dann die Machtspiel­e an?“Als Betroffene­r spüre man es jedenfalls, wenn mit Emotionen Missbrauch geschieht. Sie habe das selbst „mehrfach erfahren“. Und sie sei froh, „dass die Diskussion darüber eröffnet worden ist. Aber ich merke auch, wie viel Angst wir noch immer haben.“

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 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Sona MacDonald liest aus den Briefen einer Mäzenin, die Peter Tschaikows­ki verehrte und unterstütz­te, aber nie traf.
[ Clemens Fabry ] Sona MacDonald liest aus den Briefen einer Mäzenin, die Peter Tschaikows­ki verehrte und unterstütz­te, aber nie traf.

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