U-Haft für Ex-Oberst
Heer. Der Geheimnisverrat an Russland kostet die Beamtenpension. Das Ministerium durchleuchtet nun alle Mitarbeiter.
Der Geheimnisverrat an Russland kostet die Beamtenpension. Das Ministerium durchleuchtet nun alle Mitarbeiter. Die Staatsanwaltschaft hat Untersuchungshaft beantragt.
Wien. Das Bundesheer hat die Schockstarre überwunden. Immerhin kommt es nicht alle 50 Jahre vor, dass ein hoher Offizier, ein Oberst mit Schreibtisch direkt im Landesverteidigungsministerium, als Spion für Russland enttarnt wird. Der Tipp kam, wie die „Kleine Zeitung“als erstes Medium berichtete, tatsächlich von den Briten.
1 Wie geht es für den 70-jährigen pensionierten Offizier nun weiter?
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Oberst i. R. Der Strafrahmen für die Zusammenarbeit mit einem ausländischen Dienst macht bis zu zehn Jahre Haft aus. Dazu kommt: Nach einem rechtskräftigen Urteil wird die Disziplinarkommission des Verteidigungsministeriums aktiv. „Presse“-Recherchen ergeben: Es kann davon ausgegangen werden, dass der Offizier bei rechtskräftigem Schuldspruch degradiert wird – dass er sich auf der untersten möglichen Ebene wiederfindet, als Rekrut. Diese Sanktion ist verlangt, wenn es die Pflichtverletzung nicht zulässt, dass der Beamte im seinem Dienstgrad bleiben kann. Darüber hinaus gilt ein Amtsverlust als sehr wahrscheinlich. Das heißt: Der Verurteilte verliert alle Ansprüche, die sich aus dem Dienstverhältnis ergeben haben. Noch konkreter: Er wird seine Beamtenpension verlieren und auf das deutlich niedrigere ASVG-Niveau, also auf monatlich brutto 3402 Euro, fallen.
2 Warum hat die Justiz den mutmaßlichen Spion erst so spät inhaftiert?
Genau um 8.35 Uhr sind am vergangenen Freitag Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) vor Medienvertreter getreten, um den Spionagefall offiziell zu machen. Mehr als zwölf Stunden später hat die Justiz den Mann in Gewahrsam genommen. Am Montagnachmittag hat die Staatsanwaltschaft Salzburg die Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr beantragt. Praktisch zeitgleich zur Pressekonferenz ist am Freitag ungefähr 300 Kilometer westlich von Wien ein Mann bei der Staatsanwaltschaft Salzburg vorstellig geworden. Der Mitarbeiter des Abwehramts hat eine Sachverhaltsdarstellung übergeben. Sie umfasst zwölf Seiten und ist gespickt mit Bei- lagen. Selten, dass die Justiz ihre Ermittlungen auf Unterlagen aufbauen kann, die derart detailliert sind. Darin befindet sich alles, was die Experten des Bundesheeres aus der Überwachung und den mehreren Befragungen des pensionierten Offiziers herausgebracht haben. Der Hinweis auf die Tätigkeiten des Offiziers ist nach dem Sommer bekannt geworden. Grundsätzlich sei er kooperativ gewesen, ist zu erfahren. Die Daten der Geräte, mit denen der Verdächtige von der russischen Seite ausgestattet worden war, wurden von den heeresinternen Antispionagekämpfern ausgewertet. Die Hardware befindet sich noch im Gewahrsam des Abwehramts. Sie wird auf Antrag der Justiz dieser (natürlich) übergeben.
3 Welche Geheimnisse des österreichischen Bundesheeres kann man verraten?
„Man sollte das nicht unterschätzen“, sagt ein Geheimdienstexperte. Das Bundesheer beteiligt sich an Auslandseinsätzen, ist Teil der EU (derzeit als Ratsvorsitzender) und hat zu vielen Informationen Zugang. Auch wenn der Mann schon in Pension ist, trifft er Leute, die ihm wieder Insiderinfos erzählen, beziehungsweise kennt er handelnde Personen, deren Stärken und vor allem Schwächen.
4 Und wie reagiert das Bundesheer auf die Enttarnung des Spions?
Z3N5 – das ist der heeresintern mit diesem Kürzel versehene größtmögliche E-Mail-Verteilerkreis, an den ein Erlass des Generalsekretärs im Verteidigungsministerium, Wolfgang Baumann, noch am Freitag versendet wurde. Adressaten waren alle 23.000 Mitarbeiter, vom Verwaltungsbeamten in einer Garnison Westösterreichs bis zum Wiener Generalstäbler. Unverfänglicher Titel: „Maßnahmen der militärischen Sicherheit“.
Inhalt: Die Wiederverlautbarung eines Erlasses, was zu beachten ist, um nicht Opfer ausländischer Nachrichtendienste zu werden. Dazu gehören Selbstverständlichkeiten wie das Versperren von Dokumenten oder das sichere Aufbewahren des Chips, der mit Passwort die Intranetwelt des Verteidigungsministeriums zugänglich macht. Details sind streng vertraulich, genauso wie Maßnahmen zum Schutz vor Spionage, die das Abwehramt aktuell eingeleitet hat. Dass dabei die Durchleuchtung von Mitarbeitern Thema ist, darf vorausgesetzt werden.