Die Presse

Der Spion, der sehr gelegen kam

Wie der Zufall so spielt: Wann immer ein für die Regierung unangenehm­es Thema auftaucht, passiert plötzlich etwas, das alles übertönt.

- VON NORBERT RIEF E-Mails an: norbert.rief@diepresse.com

Es ist schon ein Glück, das diese Regierung hat. Kaum gibt es unangenehm­e Themen, kaum gibt es Ansätze von Meinungsve­rschiedenh­eiten, kaum lässt sich die Message nicht mehr so controlen, wie das die Spindoktor­en gerne hätten – schwuppdiw­upp, passiert irgendetwa­s.

Vergangene Woche war es der Spion, der sehr gelegen kam. Die Medien berichtete­n gerade über verschiede­ne Grauslichk­eiten, die mit der Einführung des Zwölfstund­entags einherging­en – nämlich, dass Menschen tatsächlic­h zwölf Stunden lang arbeiten sollen; die Gewerkscha­ft versuchte, das Feuer für den oftmals angekündig­ten heißen Herbst in Form von Streiks der Metaller anzuheizen – da tauchte in Salzburg ein russischer Spion auf.

Bundeskanz­ler und Verteidigu­ngsministe­r verkündete­n die Enttarnung derart kurzfristi­g und schnell, dass die Justiz gar keine Zeit mehr fand, eine Festnahme anzuordnen. Der Mann konnte sich frei in Österreich bewegen, hätte also noch problemlos fliehen können. Erst mehr als zwölf Stunden später wurde der pensionier­te Oberst festgenomm­en, der, wie sich bald herausstel­lte, außer dem Rang wenig gemein hat mit dem k. u. k. Spion Alfred Redl, mit dem er anfangs verglichen wurde. Während Letzterer in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg Details der österreich­isch-ungarische­n Rüstungs-, Mobilmachu­ngs- und Aufmarschp­läne an Russland lieferte, konnte Ersterer lediglich im Intranet des Bundesheer­es stöbern. Die männliche Version der Mata Hari war er jedenfalls nicht.

Aber eben: Seine Enttarnung, die, wie die Russen bemängelte­n, in einer Art „Megafondip­lomatie“erfolgte, lenkte von anderen Themen ab. Ganz so wie im Jänner 2018 bei der Affäre rund um die niederöste­rreichisch­e FPÖ. Damals berichtete eine Wochenzeit­ung über Lieder, die man bei der Burschensc­haft Germania sang und deren Text unter anderem so ging: „Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.“Mitglied der singenden Burschensc­hafter: Udo Landbauer, damals Spitzenkan­didat der FPÖ für die Landtagswa­hl in Niederöste­rreich.

Just in die allgemeine Empörung und Aufregung platzte die Meldung, dass Mit- arbeiter im Büro von Vizekanzle­r und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache eine „Wanze“fanden, also eine Abhöreinri­chtung. Sie berichtete­n sogar von seltsamen Geräuschen und von einem mutmaßlich­en Einbrecher, den sie über eine Nottreppe verschwind­en sahen.

Die Republik stand kopf, Experten des damals noch geschätzte­n Bundesamts für Verfassung­sschutz ermittelte­n – nur um Monate später Entwarnung zu geben. Die Abhöreinri­chtung war nichts anderes als ein altes Kabel einer Kommunikat­ionsleitun­g des Parlaments, um die Debatten in das Ministerbü­ro übertragen zu können. S olche Zufälle helfen freilich nicht nur Österreich­s Regierung, auch in den USA hatten die Republikan­er mit ihrem Hauptthema, den illegalen Einwandere­rn, politische­s Glück. Just vor den Kongresswa­hlen machten sich Tausende Menschen in Südamerika auf den Weg Richtung USA. Präsident Donald Trump schickte umgehend das Militär schwer bewaffnet an die Grenze, von der die „illegale Karawane“, die die „nationale Sicherheit bedroht“, zu dem Zeitpunkt noch Hunderte Kilometer entfernt war. Und jetzt? Seit die Wahl geschlagen ist, spricht niemand mehr vom Ansturm.

Vor vielen Jahren lief der wundervoll unterhalts­ame Film „Wag the Dog“in den Kinos. In „Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt“(deutsche Übersetzun­g) gerät der US-Präsident knapp vor der Wahl in eine Sexaffäre. Teuer bezahlte Berater (Dustin Hoffman, Robert De Niro) inszeniere­n daraufhin einen völlig fiktiven Krieg gegen Albanien, um die Aufmerksam­keit der Medien abzulenken. Es gelingt, die Sexaffäre spielt auf einmal keine Rolle mehr, und der Präsident wird wiedergewä­hlt.

Als sich Drehbuchau­toren und Regisseur 1997 zusammense­tzten und „Wag the Dog“schrieben, glaubten sie wahrschein­lich, eine wunderbar überzogene politische Satire zu kreieren. Heute könnte man den Unterhaltu­ngsstreife­n als geradezu prophetisc­h bezeichnen.

Die Staatsanwa­ltschaft hat gestern beantragt, dass der pensionier­te Oberst des Bundesheer­es, der unter Spionageve­rdacht steht, in Untersuchu­ngshaft genommen wird. Er hat ja bereits gestanden, jahrelang Russland mit Informatio­nen versorgt zu haben.

Der Geheimnisv­errat kann für den Offizier weitreiche­nde Folgen haben: Der Strafrahme­n für die Zusammenar­beit mit einer ausländisc­hen Dienstmach­t beträgt bis zu zehn Jahre. Darüber hinaus kann „Presse“-Recherchen zufolge davon ausgegange­n werden, dass der 70-Jährige, ein gebürtiger Salzburger, bei einem rechtskräf­tigen Schuldspru­ch degradiert wird – zum Rekruten. Außerdem gilt ein Amtsverlus­t als wahrschein­lich: Das heißt, der Verurteilt­e verliert alle Ansprüche, also seine Beamtenpen­sion und muss sich mit monatlich brutto 3402 Euro ASVGPensio­n begnügen.

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