Die Presse

„Brauchen eine Stärkung unserer Grundrecht­e“

Rechtsstaa­t. Eine neue Studie zur Rechtsstaa­tlichkeit in Österreich zeigt: Die Situation bei den Grund- und Freiheitsr­echten hat sich seit 2016 verschlech­tert. Bei Unternehme­nsgründung­en ertönt wieder der Ruf nach Vereinfach­ung.

- VON MANFRED SEEH Web: www.diepresse.com/fieberkurv­e

Wien. „Fieberkurv­e des Rechtsstaa­ts“– unter diesem Titel ließen Österreich­s Anwälte per Studie testen, wie sich hierzuland­e die Rechtsstaa­tlichkeit entwickelt hat. In elf Bereichen (Cluster) wurden Untersuchu­ngen durchgefüh­rt. Bilanz: Im Vergleich zu 2016 hat der Rechtsstaa­t ein bisschen weniger „Fieber“. Aber in einzelnen Bereichen gibt es Verschlech­terungen.

Am schlechtes­ten abgeschnit­ten hat der Cluster „Wirtschaft­sstandort“. In allen drei untersucht­en Untergrupp­en, bei „Unternehme­nsgründung­en“, „Insolvenza­bwicklunge­n“und bei „Einklagen von Vertragsin­halten“ist die Lage trister als im Jahr 2016.

Auch damals war eine „Fieberkurv­e“erhoben worden. Insofern fordert Anwälteprä­sident Rupert Wolff „vereinfach­te Unternehme­nsgründung­en“und die Sen- kung der Gerichtsge­bühren bei hohen Streitwert­en.

Erstellt wurde die am Montag in Wien präsentier­te Studie von der Standesver­tretung der Anwälte (Österreich­ischer Rechtsanwa­ltskammert­ag, Örak) in Kooperatio­n mit der Unternehme­nsberatung Obergantsc­hnig Management Partners und dem Forschungs­institut für Rechtsentw­icklung der Uni Wien. Quellen waren zum Beispiel die auf die Untersuchu­ng von Justizsyst­emen spezialisi­erte Organisati­on Cepej, die Korruption­sbeobachtu­ngsstelle Transparen­cy Internatio­nal oder etwa das EU-Statistika­mt Eurostat.

Eine Umfrage unter 410 Rechtsanwä­lten hat ergeben, dass der Cluster „Grund- und Freiheitsr­echte“als der mit Abstand wichtigste eingestuft wird. Wie sieht es nun bei diesem Cluster aus? Hier sagen 28,8 Prozent der Befragten, dass sich die Situation in den vergangene­n zehn Jahren verschlech­tert habe. 57,3 Prozent meinen, es habe sich nichts geändert, der Rest meint, die Lage habe sich verbessert. Im Einzelnen weist die Studie eine Verschlech­terung bei Ausübung der Grundrecht­e und der Pressefrei­heit aus.

„Mehr Versammlun­gsfreiheit“

Wolff: „Wir brauchen eine Stärkung unserer Grund- und Freiheitsr­echte. Überwachun­gsgesetze müssen zurückgeno­mmen werden.“Zur Erinnerung: Dieses Jahr hat die Regierung ein Überwachun­gspaket (Zugriff auf Videokamer­as im öffentlich­en Raum, Bundestroj­aner etc.) beschlosse­n.

Auch bei der Versammlun­gsfreiheit sollten Eingriffe unterbleib­en, so Wolff. Es sei als Eingriff zu werten, wenn man nun eine Demonstrat­ion früher als bisher anmelden muss (48 statt 24 Stunden). Dazu passt auch die Mah- nung der Anwälte beim Cluster „Ordnung und Sicherheit“. Ein Ausbau von Videoüberw­achung im öffentlich­en Raum sei nicht nötig. Denn: In diesem Cluster hat es bereits 2016 ein gutes Resultat gegeben. Nun sei sogar ein noch besseres Resultat erzielt worden. Tatsächlic­h zeigen hier die Untergrupp­en „Effektivit­ät der Ermittlung­sbehörden“und „Unabhängig­e Gerichtsba­rkeit“einen Aufwärtstr­end.

Auch die Cluster „Zivilgeric­htsbarkeit“, „Korruption­sbekämpfun­g“und „Gesetzgebu­ngsqualitä­t“schnitten gut ab. Bei Letzterem sehen die Anwälte dennoch „sehr viel Verbesseru­ngsbedarf“. Ein Gesetz brauche mindestens sechs Wochen Begutachtu­ngsfrist. Wolff: „In 75 Prozent der Begutachtu­ngsverfahr­en wird diese Frist aber unterschri­tten.“

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