Die Presse

Kampf um den Neustart der IGGÖ

Analyse. Die Vertretung von Österreich­s Muslimen muss eine neue Führung bestimmen – und die hat vor allem die Aufgabe, die in sich zerrüttete Organisati­on komplett neu aufzustell­en.

- VON ERICH KOCINA

Mit dem Neuwahlbes­chluss steht die Islamische Glaubensge­meinschaft in Österreich (IGGÖ) vor einem Neustart. Präsident Ibrahim Olgun, der intern unter Druck geraten ist, tritt nicht mehr an. Bei der Wahl am 8. Dezember wird die neue Führung bestimmt – und für die stehen einige schwierige Aufgaben an. Die wichtigste­n Fragen zum Thema.

1

Schon allein demografis­ch ist die türkeistäm­mige Community die stärkste muslimisch­e Gruppe in Österreich. Auch in der IGGÖ dominieren diese Gruppen – an vorderster Front sind das die beiden großen Verbände Atib und die Islamische Föderation, die zur türkisch-nationalis­tischen Bewegung Millˆı Görüs¸ gehört. Mit Ibrahim Olgun wurde zuletzt ein Atib-Kandidat zum Präsidente­n gewählt – wobei die Geschichte kursiert, dass der junge Olgun vom damaligen Vorsitzend­en der türkischen Religionsb­ehörde Diyanet, Mehmet Görmez, ins Spiel gebracht wurde. Was von den Vertretern von Millˆı Görüs¸ nur zähneknirs­chend ak- zeptiert wurde. Die Atib ist derzeit geschwächt – unter anderem auch, weil das Islamgeset­z von 2015 Auslandsfi­nanzierung verbietet. Von der Türkei bezahlte Imame dürfen nicht mehr beschäftig­t werden.

Und das betrifft vor allem Atib, von der mehrere Moscheen derzeit nicht mit fixen Imamen besetzt werden können. Es gilt also als wahrschein­lich, dass diesmal wieder ein Kandidat zum Zug kommt, der der Islamische­n Föderation nahesteht. Genannt wurde zuletzt vor allem der derzeitige Vorsitzend­e des Schurarats, Ümit Vural. Der Jurist gilt als Pragmatike­r, der sich auch vom Einfluss der Verbände emanzipier­en will. Aber gut möglich, dass sich bis zur Wahl auch noch weitere personelle Optionen auftun.

2

Im Großen und Ganzen sind das zwei Bereiche – nämlich erstens Einigkeit und daraus folgend zweitens Organisati­on. Denn hinter der Fassade der IGGÖ hat sich ein recht wirres Geflecht gebildet, in dem die einzelnen Verbände vor allem ihre eigenen Interessen verfolgen. Das hängt auch mit der Konstrukti­on der sogenannte­n Kultusgeme­inden zusammen, die im Islamgeset­z von 2015 vorgeschri­eben wurden. Sie sollten die bis dahin verwendete Strukturie­rung der Teilorgani­sationen nach Bundesländ­ern ablösen – mit der Idee, dass jeder Verband eine eigene Kultusgeme­inde formiert, also etwa eine für Atib, eine für die Islamische Föderation usw.

Allein, der Konstrukti­onsfehler bestand darin, dass es möglich war, die Verbände in mehrere Kultusgeme­inden aufzuspalt­en, um dadurch mehr Stimmen im Schurarat zu haben. Also wurden etwa gleich sechs Atib-Kultusgeme­inden gegründet, fünf der Föderation und vier der Bosniaken. Um diesen Wildwuchs einzudämme­n, müsste die neue IGGÖ-Führung eine Reform ihrer Verfassung angehen. Sonst besteht die Gefahr, dass der Präsident zwar formal an der Spitze steht, im Hintergrun­d aber weiter jeder Verband seine eigenen Interessen verfolgt.

Schließlic­h muss die IGGÖ auch das Bild vermitteln, dass sie weiß, was in den Moscheen und Vereinen geschieht. Zwar hat man Ende 2017 einen Kriterienk­atalog für Moscheen und Imame verfasst, doch bei der Überprüfun­g der Einrichtun­gen und dem Aufdecken von schwarzen Schafen hat man sich öffentlich seit damals eher zurückgeha­lten. Auch war es sicherlich kein Zeichen guter Organisati­on, wenn die IGGÖ auf Anfrage nicht einmal die genaue Zahl der bei ihr registrier­ten Moscheen nennen konnte.

3

Ibrahim Olgun hatte unter anderem das Pech, dass in seiner Zeit mehrere Themen aufs politische Tapet gebracht wurden, die Muslime betreffen. Die Lage in islamische­n Kindergärt­en, die Debatte um das Schächten, der Vorfall um Kriegsspie­le mit Kindern in einem Atib-Gebetsraum – und vor allem die von der Regierung im Juni verkündete Schließung von sieben Moscheen. Der letzte Punkt war es auch, der ihm wohl intern auf den Kopf fiel – weil seine Kritiker ihm vorwarfen, dass Olgun selbst die betreffend­en Einrichtun­gen beim Kultusamt meldete. Der Präsident selbst argumentie­rte, dass das seine Pflicht gewesen sei – das entspreche­nde Dokument mit dem Wortlaut, wie die Meldung erfolgte, legte er aber intern bis zuletzt nicht vor. Auch das hat zu seiner vorzeitige­n Ablöse beigetrage­n.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria