Kampf um den Neustart der IGGÖ
Analyse. Die Vertretung von Österreichs Muslimen muss eine neue Führung bestimmen – und die hat vor allem die Aufgabe, die in sich zerrüttete Organisation komplett neu aufzustellen.
Mit dem Neuwahlbeschluss steht die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) vor einem Neustart. Präsident Ibrahim Olgun, der intern unter Druck geraten ist, tritt nicht mehr an. Bei der Wahl am 8. Dezember wird die neue Führung bestimmt – und für die stehen einige schwierige Aufgaben an. Die wichtigsten Fragen zum Thema.
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Schon allein demografisch ist die türkeistämmige Community die stärkste muslimische Gruppe in Österreich. Auch in der IGGÖ dominieren diese Gruppen – an vorderster Front sind das die beiden großen Verbände Atib und die Islamische Föderation, die zur türkisch-nationalistischen Bewegung Millˆı Görüs¸ gehört. Mit Ibrahim Olgun wurde zuletzt ein Atib-Kandidat zum Präsidenten gewählt – wobei die Geschichte kursiert, dass der junge Olgun vom damaligen Vorsitzenden der türkischen Religionsbehörde Diyanet, Mehmet Görmez, ins Spiel gebracht wurde. Was von den Vertretern von Millˆı Görüs¸ nur zähneknirschend ak- zeptiert wurde. Die Atib ist derzeit geschwächt – unter anderem auch, weil das Islamgesetz von 2015 Auslandsfinanzierung verbietet. Von der Türkei bezahlte Imame dürfen nicht mehr beschäftigt werden.
Und das betrifft vor allem Atib, von der mehrere Moscheen derzeit nicht mit fixen Imamen besetzt werden können. Es gilt also als wahrscheinlich, dass diesmal wieder ein Kandidat zum Zug kommt, der der Islamischen Föderation nahesteht. Genannt wurde zuletzt vor allem der derzeitige Vorsitzende des Schurarats, Ümit Vural. Der Jurist gilt als Pragmatiker, der sich auch vom Einfluss der Verbände emanzipieren will. Aber gut möglich, dass sich bis zur Wahl auch noch weitere personelle Optionen auftun.
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Im Großen und Ganzen sind das zwei Bereiche – nämlich erstens Einigkeit und daraus folgend zweitens Organisation. Denn hinter der Fassade der IGGÖ hat sich ein recht wirres Geflecht gebildet, in dem die einzelnen Verbände vor allem ihre eigenen Interessen verfolgen. Das hängt auch mit der Konstruktion der sogenannten Kultusgemeinden zusammen, die im Islamgesetz von 2015 vorgeschrieben wurden. Sie sollten die bis dahin verwendete Strukturierung der Teilorganisationen nach Bundesländern ablösen – mit der Idee, dass jeder Verband eine eigene Kultusgemeinde formiert, also etwa eine für Atib, eine für die Islamische Föderation usw.
Allein, der Konstruktionsfehler bestand darin, dass es möglich war, die Verbände in mehrere Kultusgemeinden aufzuspalten, um dadurch mehr Stimmen im Schurarat zu haben. Also wurden etwa gleich sechs Atib-Kultusgemeinden gegründet, fünf der Föderation und vier der Bosniaken. Um diesen Wildwuchs einzudämmen, müsste die neue IGGÖ-Führung eine Reform ihrer Verfassung angehen. Sonst besteht die Gefahr, dass der Präsident zwar formal an der Spitze steht, im Hintergrund aber weiter jeder Verband seine eigenen Interessen verfolgt.
Schließlich muss die IGGÖ auch das Bild vermitteln, dass sie weiß, was in den Moscheen und Vereinen geschieht. Zwar hat man Ende 2017 einen Kriterienkatalog für Moscheen und Imame verfasst, doch bei der Überprüfung der Einrichtungen und dem Aufdecken von schwarzen Schafen hat man sich öffentlich seit damals eher zurückgehalten. Auch war es sicherlich kein Zeichen guter Organisation, wenn die IGGÖ auf Anfrage nicht einmal die genaue Zahl der bei ihr registrierten Moscheen nennen konnte.
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Ibrahim Olgun hatte unter anderem das Pech, dass in seiner Zeit mehrere Themen aufs politische Tapet gebracht wurden, die Muslime betreffen. Die Lage in islamischen Kindergärten, die Debatte um das Schächten, der Vorfall um Kriegsspiele mit Kindern in einem Atib-Gebetsraum – und vor allem die von der Regierung im Juni verkündete Schließung von sieben Moscheen. Der letzte Punkt war es auch, der ihm wohl intern auf den Kopf fiel – weil seine Kritiker ihm vorwarfen, dass Olgun selbst die betreffenden Einrichtungen beim Kultusamt meldete. Der Präsident selbst argumentierte, dass das seine Pflicht gewesen sei – das entsprechende Dokument mit dem Wortlaut, wie die Meldung erfolgte, legte er aber intern bis zuletzt nicht vor. Auch das hat zu seiner vorzeitigen Ablöse beigetragen.