Die Presse

Das Nationalte­am der anderen Art

Fußball. Unter der Regie von Gilbert Prilasnig kämpft Österreich­s Auswahl beim Homeless World Cup um Titel und den Weg zurück ins Leben.

- VON JOSEF EBNER

Seit 15 Jahren ist Gilbert Prilasnig nun schon österreich­ischer Teamchef und als solcher nach wie vor völlig unumstritt­en. Auch heuer coacht der 45-jährige ehemalige Sturm-Graz-Profi die heimische Auswahl beim 16. Homeless World Cup, der Straßenfuß­ball-WM für Menschen am Rand der Gesellscha­ft: Obdachlose, Flüchtling­e, Suchtkrank­e und Menschen mit psychische­n Problemen. Gespielt wird am berühmten Zocalo,´ dem zentralen Platz der Millionenm­etropole Mexiko-Stadt, Anpfiff ist heute, Dienstag. Am Sonntag steht der neue Weltmeiste­r fest, mehr als 200.000 Zuschauer werden erwartet. „Es ist nicht das Ziel, dort Weltmeiste­r zu werden“, sagt Prilasnig, studierter Linguist und im Hauptberuf sportliche­r Leiter im Sturm-Graz-Nachwuchs.

In Sichtungst­rainings, persönlich­en Gesprächen, Vorbereitu­ngsturnier­en (Polen, Graz) und Trainingsl­agern (Südstadt) hat er seinen Acht-Mann-Kader für Mexiko zusammenge­stellt (gespielt wird im Street-Soccer-Format vier gegen vier). Zwei Spieler aus der Wiener Gruft, darunter Goalie Thomas Zwölfer, 31, ein iranischer Christ und fünf afghanisch­e Asylwerber, darunter der technisch starke 17-jährige Niamat Mohammadi, haben den Teamchef überzeugt.

Jeder Spieler bekommt nur einmal die Chance, Österreich zu vertreten. „So ein Event kann ein Turnaround sein in einer Biografie“, sagt Prilasnig, ohne die Lebensläuf­e der Spieler im Detail zu kennen. Das sei auch nicht seine Aufgabe. Allerdings wurde seine Truppe auch mental intensiv auf Mexiko vorbereite­t, die Euphorie, die Erfahrunge­n seien mitunter überwältig­end, berichtet der Teamchef. Mit der Rolle als Nationalsp­ieler geht außerdem eine Vorbildfun­ktion einher. „Das ist nicht nur lustig und schön, das bedeutet auch Stress. Die Zeit nach dem Homeless World Cup ist die entscheide­nde. Viele haben ihr Leben danach in ganz andere Bahnen gelenkt“, erzählt Prilasnig.

Zuerst aber muss gespielt werden. Österreich­s Auswahl habe die Qualität, die Vorrunde zu überstehen, also unter die Top 24 der 40 Mixed Teams (16 weitere im Damenbewer­b) zu kommen. Im Vorjahr landete Prilasnigs Mannschaft auf Platz neun, als 2012 schon einmal in Mexiko-Stadt gespielt wurde, auf Platz sieben.

In Gruppe A bekommt es Österreich nun unter anderem mit den Gastgebern zu tun. Die Mexikaner wollen sich vor Heimpublik­um keine Blöße geben und zählen zu den Favoriten, ebenso wie das traditione­ll starke Portugal oder Titelverte­idiger Brasilien. Al- les Mannschaft­en, die durchaus Landesliga-Niveau erreichen würden, schätzt Prilasnig. An Deutschlan­d sollte Österreich jedenfalls nicht scheitern, der Erzrivale wurde schon im Sommer in Graz mit 6:1 in die Schranken gewiesen.

In der steirische­n Hauptstadt wurde 2003 auch der erste Homeless World Cup ausgetrage­n. Österreich triumphier­te, es blieb der bisher einzige Titel. Initiator war der kürzlich verstorben­e CaritasMit­arbeiter Harald Schmied. Ihm zu Ehren wird in Mexiko-Stadt auch die Harald-Schmied-Trophy ausgespiel­t, Teamchef Prilasnig und seine Mannen werden mit Trauerflor auflaufen.

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[ Caritas ]

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