Das Nationalteam der anderen Art
Fußball. Unter der Regie von Gilbert Prilasnig kämpft Österreichs Auswahl beim Homeless World Cup um Titel und den Weg zurück ins Leben.
Seit 15 Jahren ist Gilbert Prilasnig nun schon österreichischer Teamchef und als solcher nach wie vor völlig unumstritten. Auch heuer coacht der 45-jährige ehemalige Sturm-Graz-Profi die heimische Auswahl beim 16. Homeless World Cup, der Straßenfußball-WM für Menschen am Rand der Gesellschaft: Obdachlose, Flüchtlinge, Suchtkranke und Menschen mit psychischen Problemen. Gespielt wird am berühmten Zocalo,´ dem zentralen Platz der Millionenmetropole Mexiko-Stadt, Anpfiff ist heute, Dienstag. Am Sonntag steht der neue Weltmeister fest, mehr als 200.000 Zuschauer werden erwartet. „Es ist nicht das Ziel, dort Weltmeister zu werden“, sagt Prilasnig, studierter Linguist und im Hauptberuf sportlicher Leiter im Sturm-Graz-Nachwuchs.
In Sichtungstrainings, persönlichen Gesprächen, Vorbereitungsturnieren (Polen, Graz) und Trainingslagern (Südstadt) hat er seinen Acht-Mann-Kader für Mexiko zusammengestellt (gespielt wird im Street-Soccer-Format vier gegen vier). Zwei Spieler aus der Wiener Gruft, darunter Goalie Thomas Zwölfer, 31, ein iranischer Christ und fünf afghanische Asylwerber, darunter der technisch starke 17-jährige Niamat Mohammadi, haben den Teamchef überzeugt.
Jeder Spieler bekommt nur einmal die Chance, Österreich zu vertreten. „So ein Event kann ein Turnaround sein in einer Biografie“, sagt Prilasnig, ohne die Lebensläufe der Spieler im Detail zu kennen. Das sei auch nicht seine Aufgabe. Allerdings wurde seine Truppe auch mental intensiv auf Mexiko vorbereitet, die Euphorie, die Erfahrungen seien mitunter überwältigend, berichtet der Teamchef. Mit der Rolle als Nationalspieler geht außerdem eine Vorbildfunktion einher. „Das ist nicht nur lustig und schön, das bedeutet auch Stress. Die Zeit nach dem Homeless World Cup ist die entscheidende. Viele haben ihr Leben danach in ganz andere Bahnen gelenkt“, erzählt Prilasnig.
Zuerst aber muss gespielt werden. Österreichs Auswahl habe die Qualität, die Vorrunde zu überstehen, also unter die Top 24 der 40 Mixed Teams (16 weitere im Damenbewerb) zu kommen. Im Vorjahr landete Prilasnigs Mannschaft auf Platz neun, als 2012 schon einmal in Mexiko-Stadt gespielt wurde, auf Platz sieben.
In Gruppe A bekommt es Österreich nun unter anderem mit den Gastgebern zu tun. Die Mexikaner wollen sich vor Heimpublikum keine Blöße geben und zählen zu den Favoriten, ebenso wie das traditionell starke Portugal oder Titelverteidiger Brasilien. Al- les Mannschaften, die durchaus Landesliga-Niveau erreichen würden, schätzt Prilasnig. An Deutschland sollte Österreich jedenfalls nicht scheitern, der Erzrivale wurde schon im Sommer in Graz mit 6:1 in die Schranken gewiesen.
In der steirischen Hauptstadt wurde 2003 auch der erste Homeless World Cup ausgetragen. Österreich triumphierte, es blieb der bisher einzige Titel. Initiator war der kürzlich verstorbene CaritasMitarbeiter Harald Schmied. Ihm zu Ehren wird in Mexiko-Stadt auch die Harald-Schmied-Trophy ausgespielt, Teamchef Prilasnig und seine Mannen werden mit Trauerflor auflaufen.