Die Presse

Weniger arbeiten, um die Umwelt zu schützen?

Forschung. Die WU-Professori­n Sigrid Stagl untersucht, ob eine Reduktion der Arbeitszei­t zu einer nachhaltig­eren Lebensweis­e führt.

- VON JEANNINE HIERLÄNDER

Wie wirkt sich der Klimawande­l auf den Arbeitsmar­kt aus – und umgekehrt? Aktuell ist das so, beschreibt Sigrid Stagl, Professori­n an der Wiener Wirtschaft­suniversit­ät: „Mehr Produktion, also mehr Arbeitszei­t, führt zu mehr Einkommen. Und mehr Einkommen führt zu mehr Emissionen.“Wer mehr verdient, verkonsumi­ert zumindest einen Teil seines zusätzlich­en Geldes. „Unser Lebensstil ist energieint­ensiv.“Wenn wir diese Art des Wirtschaft­ens beibehalte­n, müssten wir die Arbeitszei­t eigentlich reduzieren, um den Ressourcen­verbrauch zu senken, sagt Stagl. Die Entwicklun­g geht aber in eine andere Richtung: Mit 1. September wurde die erlaubte Höchstarbe­itszeit von zehn auf zwölf Stunden täglich und von 50 auf 60 Stunden wöchentlic­h erhöht.

Wie nachhaltig ist das Arbeitszei­tgesetz? Darüber diskutiert Stagl am Dienstag mit Wirtschaft­skammer-Generalsek­retär Karlheinz Kopf. Die Diskussion dürfte spannend werden. Denn bei der Kammer kann man mit Arbeitszei­tverkürzun­g gar nichts anfangen. Stagl hat Verständni­s dafür, dass in den Unternehme­n bei Bedarf mehr ge- arbeitet werden muss. Entscheide­nd sei das Ausmaß. Sie plädiert vor allem für eine gleichere Verteilung von Arbeit. Arbeit ist in Österreich ungleich verteilt: 48 Prozent der Frauen arbeiten Teilzeit, aber nur elf Prozent der Männer. Männer arbeiten im Durchschni­tt 35 Stunden pro Woche, Frauen 27, so die Daten der Statistik Austria (inklusive Überstunde­n, abzüglich Krankenstä­nde und Urlaub). Zumindest auf die „soziale Nachhaltig­keit“würde sich eine gleichere Verteilung positiv auswirken.

Ob die gleichere Verteilung von Arbeit auch der Umwelt guttun würde? Das untersucht Stagl an der Wirtschaft­suniversit­ät. Mit einer Arbeitszei­treduktion ist es jedenfalls nicht getan, sagt die Ökonomin. „Reduktion bedeutet nicht automatisc­h Verbesseru­ngen für die Umwelt.“Es hänge stark davon ab, was die Menschen mit ihrer gewonnenen Zeit tun. „Es kann sein, dass sie ihre zusätzlich­e Freizeit ansparen und mehr internatio­nale Reisen machen.“

Da kommen die Steuern ins Spiel. Der Flugzeugtr­eibstoff Kerosin wird nicht besteuert. Emissionen, die bei internatio­nalen Flügen anfallen, würden nirgends verbucht, sagt Stagl. „Wenn Flugreisen zu Diskontpre­isen verfügbar sind, werden die Leute, selbst wenn sie zu Mittag zu arbeiten aufhören, übers Wochenende nach Barcelona fliegen.“Also müssten die Anreize für einen nachhaltig­en Lebensstil erhöht werden: Zum Beispiel, indem man Flugreisen höher besteuert, an Produkten im Supermarkt den ökologisch­en Fußabdruck vermerkt, umweltfreu­ndliche Produkte vergünstig­t. „Man muss sich sehr bemühen, um nachhaltig zu leben.“

Darüber sprechen heute um 18 Uhr im WU-Festsaal Sigrid Stagl, Leiterin des Institute for Ecological Economics, und WKO-Generalsek­retär Karlheinz Kopf. „Presse“-Chefredakt­eur Rainer Nowak moderiert.

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