Die Presse

Das österliche Waterloo der Kulturpoli­tik

Salzburg hätte allerhand nötig, nur nicht einen Nikolaus Bachler als Intendante­n der Osterfests­piele.

- VON WILHELM SINKOVICZ E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

Wer da meint, die heimische Kulturpoli­tik hätte mit dem einstigen sozialdemo­kratischen Kulturmini­ster Thomas Drozda den Gipfelpunk­t an Entscheidu­ngsarrogan­z erreicht gehabt, irrt. Während deren langfristi­ge Folgen noch nicht absehbar sind, scheinen die Konsequenz­en des jüngsten Alleingang­s der ÖVP-dominierte­n Salzburger Entscheidu­ngsträger zumindest mittelfris­tig klar. Man hat Münchens Operninten­danten Nikolaus Bachler zum Leiter der Osterfests­piele designiert.

Das könnte zu einem Desaster führen – das man aber offenbar im vollen Bewusstsei­n aller möglichen Folgeschäd­en in Kauf nimmt. Die Festspiele hatten seit 1967 vom künstleris­chen Potenzial ihres Gründers, Herbert von Karajan, gelebt. Nach dessen Tod kamen Zweifel an ihrer weiteren Existenzbe­rechtigung auf. Die vermochten Maestri wie Claudio Abbado oder Simon Rattle nie ganz auszuräume­n. A ls dann noch das Festspielo­rchester, die Berliner Philharmon­iker, gelockt von besserer Bezahlung, nach Baden-Baden abzog, erschien Christian Thielemann mit seiner Dresdner Staatskape­lle als Retter in der Not. Und er entpuppte sich als alles andere denn als Notlösung. Erstmals seit Karajans Tod hatte man wieder den Eindruck, hier könne ein charismati­scher Maestro das zahlungskr­äftige Publikum wieder ganz und gar hinter sich versammeln.

Thielemann hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er Bachler nicht für den geeigneten Intendante­n-Kandidaten hält. Salzburgs Politik nimmt also in Kauf, die künstleris­che Galionsfig­ur zu verlieren. Zugunsten eines Managers, der als ehemaliger Schauspiel­er in München bewiesen hat, dass ihn auch in der Oper vor allem das Regietheat­er interessie­rt.

Abgesehen davon, dass zu Ostern gerade einmal eine Oper und drei Konzertpro­gramme geplant werden müssen – wofür der Chefdirige­nt keinen Intendante­n braucht. Denn ginge es um die Engagement­s von Regisseure­n der Marke Kriegenbur­g und Warlikowsk­i, stünde die Intendanz der Sommerfest­spiele gewiss gern mit Rat und Tat zur Verfügung: Markus Hinterhäus­er hat Bachlers Lieblinge längst alle unter Vertrag.

Der Landeshaup­tmann und seine Kompagnons vergraulen also mit der Bestellung eines unnötigen Intendante­n den nötigen charismati­schen Künstlerko­pf. Zugegeben, ein Dirigent, der Thielemann heute das Wasser reichen könnte, ist Kirill Petrenko. Und der ist Nikolaus Bachlers derzeitige­r Chefdirige­nt in München und designiert­er Chef der Berliner Philharmon­iker. Will man die auf diese Weise zurückhole­n? Dann wird es zu Ostern jedenfalls viel teurer. Abgesehen vom Imageschad­en, den der Exodus eines Thielemann bedeutete, bliebe überdies die Frage, ob ein Mann wie Petrenko Herrn Bachler braucht, um zu wissen, was er in der Karwoche dirigieren möchte . . .

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