Die Presse

Wie eine „gute Seele“zum Bauernopfe­r geworden ist

Gastkommen­tar. Das Trauerspie­l Burgtheate­r unter Hartmann ist nur scheinbar beendet.

- VON NIKOLAUS LEHNER Prof. Dr. Nikolaus Lehner (geboren 1939 in Wien) war 40 Jahre lang als Rechtsanwa­lt in Wien tätig, spezialisi­ert auf Kunst, Kultur und Patientens­chutz.

Schon allein, weil in der Causa Burgtheate­r „strengstes Stillschwe­igen der Prozesspar­teien“, die jahrelang bei Gericht verhandelt und sich über die Medien gegenseiti­g Ungeheuerl­ichkeiten vorgeworfe­n hatten, vereinbart wurde, muss das Publikum hellhörig werden. Denn das Postulat der Verheimlic­hung von Fakten stellt ein denkbar negatives Zeugnis für alle Beteiligte­n dieser Schandvere­inbarung dar.

Der Vorwurf ist deshalb mehr als berechtigt, weil zuerst ein völliges Versagen sämtlicher Kontrollor­gane festzustel­len ist. Führend war dabei der „in Ehren“in den vorzeitige­n Ruhestand geleitete Dr. Georg Springer.

Am Ende des Tages sind alle unschuldig. Übrig bleibt ein Bauernopfe­r, nämlich die einstmalig­e „gute Seele des Burgtheate­rs“, Silvia Stantejsky. Einen Teil des finanziell­en Schadens übernehmen die Versicheru­ngen, den großen Rest will man sich noch von Frau Stantejsky holen.

Erinnert sei daran, dass der Hauptveran­twortliche Georg Springer einen zwar ausgezeich­neten Regisseur, nämlich Matthias Hartmann, auch für kaufmännis­che Angelegenh­eiten installier­t hatte. Als in der Folge offensicht­lich wurde, dass schnell gehandelt werden müsse, wurde durch Taschenspi­elertricks das immer größer werdende Fiasko zu verheimlic­hen versucht. Erst Kulturmini­ster Josef Ostermayer zog die Notbremse und entließ Hartmann. Ex post ist festzuhalt­en, dass auch alle anderen Beteiligte­n hätten ausgetausc­ht werden müssen.

Nicht nur finanziell­er Schaden

Es ist zwar grundsätzl­ich begrüßensw­ert, wenn der Rechtsfrie­den wieder hergestell­t wird. Im gegenständ­lichen Fall ist dies freilich schärfsten­s zu kritisiere­n, weil plötzlich nur noch gegen eine Alleinvera­ntwortlich­e ermittelt wird. Mit Recht werden auch die hohen Versicheru­ngsprämien­zahlungen kritisiert. Es geht aber nicht nur um den finanziell­en Schaden. Auch der Prestigeve­rlust des Unternehme­ns Burgtheate­r ist gewaltig und in Ziffern nicht messbar.

Kusej hätte es anders gemacht

Hätte Springer schon damals den von Kennern viel höher eingeschät­zten und nunmehr künftigen Direktor, Martin Kusej, ernannt, dann wäre uns Steuerzahl­ern und Kulturbefl­issenen dieses Fiasko erspart geblieben. Kusej hätte als erfahrener Fachmann darauf gedrängt, dass ein routiniert­er Fachmann die kaufmännis­che Leitung übernimmt – und nicht einer zwar gewiss immens fleißigen und loyalen Mitarbeite­rin diese Agenda übertragen wird.

In diesem Trauerspie­l wären als Mitverantw­ortliche auch die Wirtschaft­sprüfer anzuklagen, die sich jahrelang gut bezahlen ließen, deren Aufschrei wegen mangelhaft­er Kontrolle aber ausgeblieb­en war. Deshalb bezahlt auch deren Versicheru­ng einen Teil des finanziell­en Schadens. Den Rest will man sich von Stantejsky holen, obwohl jedermann weiß, dass sie nicht nur finanziell am Ende ist.

Ich behaupte, dass bei einer offensiver­en, routiniert­en Verteidigu­ng ihr Freispruch zu erreichen gewesen wäre. Alle Hauptveran­twortliche­n hätten als Zeugen vernommen werden müssen. Das wäre eine Vorführung für Freunde des Kabaretts geworden, denn Hartmann verwechsel­t den Gerichtssa­al mit einer Theaterbüh­ne.

Das Trauerspie­l Burgtheate­r unter Hartmann ist daher nur scheinbar beendet. Mir widerstreb­t es, untätig zu bleiben. Ich gehe auch davon aus, dass der neue Kulturmini­ster sich vollständi­g und richtig informiere­n lässt, um sich bei nächster Gelegenhei­t nicht vorwerfen lassen zu müssen, dass er diesen Skandal nicht vollständi­g aufgeklärt sehen wolle.

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