Warum die Suche nach Frieden in Libyen so schwierig ist
Analyse. Mit einer Versöhnungskonferenz in Palermo wollte Italiens Regierung die Lage in Libyen entspannen. Doch zahlreiche Player verfolgen ganz eigene Interessen.
Wien/Palermo. Es war ein ehrgeiziges Unterfangen der italienischen Regierung: Alle wichtigen Player sollten an einen Tisch gebracht werden, um die Weichen für eine Normalisierung im Bürgerkriegsland Libyen zu stellen. Bei der Konferenz in Palermo kam es zu Entspannungssignalen: Erstmals seit Monaten trafen am Dienstag die libyschen Rivalen Premier Fayez al-Sarraj und General Khalifa Haftar zusammen. Einen diplomatischen Durchbruch gab es aber nicht. Das ist auch nicht einfach. Grundsätzlich ist man sich zwar in Europa einig, dass Libyen stabilisiert werden sollte: wegen der ökonomischen Interessen in dem rohstoffreichen Land, und weil über Libyen wichtige Flüchtlingsrouten führen. Darüber, wie das erreicht werden soll, sind sich aber Italien und Frankreich nicht immer einig. Und in Libyen selbst sind zahlreiche Kräfte am Werk.
Die anerkannte Regierung
Premier Sarraj hat eine schwierige Aufgabe inne. Seine Einheitsregierung wurde Ende 2015 auf Vermittlung der UNO gebildet. Damals kämpften zwei konkurrierende Regierungen um die Macht. Die eine residierte in der Hauptstadt Tripolis, die andere in Tobruk im äußersten Osten Libyens. Der internationale Plan war: Man schafft eine neue Regierung, die statt den beiden anderen die Geschäfte übernimmt, und eint damit das Land. Doch diese Hoffnungen haben sich nicht wirklich erfüllt. Das international anerkannte Kabinett von Premier Sarraj verfügt nur über wenig Macht.
Mächtige Milizen im Westen
Die eigentlichen Herren im Westen des Landes sind die zahlreichen Milizen. Der Aufstand gegen Diktator Muammar alGaddafi 2011 war von einer Fülle von Rebelleneinheiten getragen worden. Sie alle hatten dasselbe Ziel: den Sturz des Machthabers. Doch sie agierten weitgehend eigenständig. Nach dem Ende des GaddafiRegimes gelang es den neuen Regierungen nicht, diese Einheiten unter Kontrolle zu bringen. Die Zahl der Kämpfer in den verschiedenen Milizen wuchs sogar weiter an.
Heute teilen sich mehrere Einheiten die Kontrolle über die Hauptstadt und das Umland. Erst im September lieferten sich mehrere Milizen in Tripolis heftige Revierkämpfe. Die Regierung Sarraj versucht, sich auf einige der Milizen zu stützen. So waren etwa Einheiten der einflussreichen Hafenstadt Misrata eine mächtige Waffe bei der Vertreibung der Jihadisten des sogenannten Islamischen Staats (IS) aus der Stadt Sirte Ende 2016.
Der General im Osten
Der starke Mann im Osten Libyens ist General Haftar. Der Offizier war einst ein Gefolgsmann des Machthabers Gaddafi. Er kommandierte die libyschen Truppen, die Gaddafi in den 1980er-Jahren in den Tschad entsandt hatte. Die libysche Intervention im Nachbarland schlug fehl, Haftar und seine Männer gerieten in Gefangenschaft. Schließlich wurde Haftar von den USA aufgenommen – mit dem Ziel, der General solle einen Umsturz gegen Gaddafi organisieren. In Libyen wurde Haftar dafür in Abwesenheit zum Tod verurteilt. Nach Beginn des Aufstands gegen Gaddafi 2011 kehrte Haftar als einer der Rebellenkommandanten in sein Heimatland zurück. In den Wirren nach dem Sturz des Regimes baute der General im Osten des Landes sukzessive seine Macht aus. Seine Soldaten bekämpften Extremistengruppen in der Stadt Bengasi.
Die Abgeordneten des Gegenparlaments im Osten Libyens erklärten Haftar 2015 zum Oberkommandierenden der libyschen Streitkräfte. Doch als solcher wird er nicht von allen anerkannt – vor allem nicht im Westen des Landes. Haftar möchte aber auch in der Hauptstadt Tripolis eine wichtige Rolle spielen. In diesem Machtkampf kam es immer wieder zu Gefechten zwischen Haftars Männern und Milizen, die für Einheitsregierung von Premier Sarraj kämpfen. Eine Einigung zwischen Sarraj und Haftar wäre ein Schritt in Richtung Beruhigung der Lage. Doch damit wäre es noch lang nicht getan. Denn viele der mächtigen Milizen in Westlibyen stehen in Feindschaft zu Haftar. Und sie lassen sich von der Einheitsregierung in wichtigen Fragen nur wenig dreinreden.
Die Kräfte in der Region
Die Führung Ägyptens unterstützt Haftar. Ägyptens Präsident und ehemaliger Militärchef, Abdel Fatah al-Sisi, setzte sich für die Teilnahme des libyschen Generals bei den Gesprächen in Palermo ein. In Kairo scheint man für Libyen eine ägyptische Lösung zu präferieren: also einen starken Mann aus dem Militär, der die Fäden zieht. Zuletzt versuchte man aber gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten Haftar zu Kompromissen mit der Einheitsregierung in Tripolis zu bewegen.
Auch die türkische Regierung beteiligt sich am Spiel in Libyen. Gemeinsam mit dem Golfstaat Katar steht die Türkei auf der Seite der Kräfte, die gegen General Haftar auftreten. Am Dienstag verließ die türkische Delegation wütend die Konferenz in Palermo: Angeblich habe man ihr die Teilnahme an einigen der Beratungen verwehrt.