Wie die Welterbe-Inspektoren in Wien prüfen
Unesco. Heiße Phase im Ringen um den Erhalt des Weltkulturerbes. Ein Lokalaugenschein internationaler Experten zwischen MinisterEmpfängen und Heurigenbesuch.
Internationale Delegationen zu Gast zu haben ist immer eine stressige Angelegenheit. In diesem Fall gilt dies wohl in besonderem Maße, denn jene Experten der Unesco und des Denkmalrats Icomos, die derzeit in Wien weilen, sind auf einer für die Stadt durchaus heiklen Mission hier: Die Delegation, der Ernesto Ottone, der stellvertretende Generaldirektor für Kultur der Unesco, und Icomos-Präsident Toshiyuki Kono, vorstehen, bildet sich in dieser Woche ein Urteil, ob die Wiener Innenstadt den Unesco-Titel „Weltkulturerbe“behalten darf oder nicht.
Auf der Roten Liste steht die Bundeshauptstadt aufgrund der geplanten Neugestaltung des Heumarktareals (insbesondere des 66 Meter hohen Wohnturms) bekanntlich seit einiger Zeit. Ob es tatsächlich zur Aberkennung des Titels kommt, wird auch maßgeblich davon abhängen, wie die Vertreter von Unesco und Icomos – der Denkmalrat berät die Unesco in derartigen Fragen – die Situation in Wien beurteilen.
Eingeladen zu dieser sogenannten Monitoring Mission hat das Bundeskanzleramt, organisiert und begleitet wird die Delegation vor allem von Vertretern der Stadt: Am Montag wurden die Gäste von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) begrüßt.
Begleitet werden sie auf ihren Touren durch die Stadt von niemand Geringerem als dem Wiener Landtagspräsidenten Ernst Woller (SPÖ), der die Bundeshauptstadt schon im heurigen Juni bei der Unesco-Tagung in Bahrain vertreten hat. Ebendort wurde die Entscheidung, ob die Wiener Innenstadt den Titel „Weltkulturerbe“behalten darf oder nicht, vertagt.
Die ausführliche Monitoring-Mission soll nun Klarheit bringen. Bundeskanzleramt, Außenministerium und Stadt bemühen sich dabei offenbar, die bisherigen Versäumnisse wieder wettzumachen. Nachdem man sich nach den ersten kritischen Stimmen von Denkmalschützern bezüglich des Heumarktprojekts jahrelang um keinerlei Kontakt mit der Unesco bemüht hatte – Woller am Dienstag zur „Presse“: „Die Stadt hat da sicher nicht grandios reagiert“– fährt man nun das volle Programm auf. Am Dienstag war die Delegation bei Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) zum Empfang geladen, später traf man auch noch den ressortmäßig zuständigen Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP).
Neben diesen offiziellen Empfängen geht es aber vor allem darum, Ottone, Kono und ihren Mitarbeitern zu zeigen, wieso die Innenstadt des Weltkulturerbe-Titels würdig ist – geplantes Hochhaus am Rand der Zone hin oder her. Daher wurde den Gästen auch in einer dreistündigen Tour durch die Innenstadt gezeigt, was diese so weltkulturerbewürdig macht. Danach rückten die städtischen Planungsexperten an, um über das heikle Thema Dachausbauten in der Innenstadt (ebenfalls ein Kritikpunkt der Denkmalpfleger) zu referieren.
Später traf die Unesco-Delegation auch noch mit Vertretern von gleich zwölf Bürgerinitiativen zusammen, die ihre Sorgen bezüglich des Heumarktprojekts, aber auch des geplanten Lokals im Belvederegarten (dem „Belvederestöckl“) sowie des Winterthurgebäudes, das neben der Karlskirche geplant ist, zu übermitteln. Nach einem Heurigenbesuch Montagabend ging es gestern, Dienstag, schließlich auf den Heumarkt selbst, wo Projektwerber Wertinvest die Neugestaltung des Areals ausführlich präsentierte.
Ob das alles reicht, wird sich weisen. Ein abschließender Bericht wird im Jänner 2019 erwartet. Die Haltung der Icomos ist jeden- falls grundsätzlich äußerst kritisch. Der Ehrenpräsident von Icomos Austria, Wilfried Lipp, hat der internationalen Delegation seine Kritikpunkte noch einmal zusammengefasst: Der Heumarkt sei nicht der Anfang einer Diskussion um die Gefährdung des Welterbes, sondern vielmehr „die vorläufige (?) Spitze“. Immerhin habe es in der Vergangenheit immer wieder Bauprojekte geben, die das historische Erbe der Stadt gefährden: vom Bahnhof Wien-Mitte über das geplante Hochhaus bei den Kometgründen, der Heumarkt sei nur „die Spitze des Eisbergs“. Die Glaubwürdigkeit von Unesco und Icomos stünde auf dem Spiel, schreibt Lipp, wenn man die „nicht signifikante Höhenreduktion“– der Turm war ursprünglich mit 73 Metern Höhe geplant und wurde auf 66 Meter reduziert – als Kompromiss akzeptiere.
Landtagspräsident Woller bleibt optimistisch, dass sich die Experten überzeugen lassen: Die Stimmung sei „sehr, sehr positiv“, die Kritikpunkte an Dachausbauten, dem Winterthurgebäude neben der Karlskirche und dem geplanten Lokal im Belvedere habe man ausräumen können, so Woller. Ob dies beim Heumarktprojekt – und darauf wird es ankommen – der Fall sein wird, wird sich weisen. Fest steht für Woller jedenfalls: „Wir müssen uns schon fragen, wieso wir eine ähnlich hochrangige Delegation nicht schon früher eingeladen haben.“
Internationale Experten haben am Dienstag das Heumarktareal inspiziert. Und sich das für dort geplante Projekt präsentieren lassen. Wird wegen der Höhe des neuen Wohnturms der Status Wiens als Weltkulturerbe aberkannt?