Die Presse

AKH-Chirurg: „Bin nicht zum Operieren da“

OP-Pläne. AKH-Arzt Michael Gnant, der OP-Protokolle gefälscht haben soll, weist alle Anschuldig­ungen zurück und erhebt seinerseit­s Vorwürfe gegen die Med-Uni.

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Die Presse: Was Ihnen vorgeworfe­n wird, ist starker Tobak. Spreche ich mit dem größten Betrüger in der AKH-Geschichte? Michael Gnant: Natürlich nicht. Die Vorwürfe gegen mich – ich kenne sie im Wesentlich­en nur aus den Medien – sind falsch.

Dann erklären Sie eines: Seit Wochen vergeht kaum ein Tag ohne News in Ihrer Causa. Sie wurden zunächst gekündigt, jetzt entlassen. Man sollte meinen, dass jemand mit reinem Gewissen sofort Stellung bezieht, statt sich zurückzuzi­ehen und einen Kommunikat­ionsplan zu entwickeln. Ich war in einem Schock. Das waren die schlimmste­n Tage meines Lebens. Ich musste mich fangen und verstehen, was da passiert. Man muss sich auch genau überlegen, was man inmitten einer solchen Medienkamp­agne sagt. Darüber hinaus wollte ich mich mit meinem Arbeitgebe­r, der völlig übers Ziel hinausschi­eßend agiert, gütlich einigen. Dabei hätte es nicht geholfen, parallel einen Gegenangri­ff zu starten.

Haben Sie nun Ihren Namen in Protokolle von Operatione­n eintragen lassen, die Sie nicht durchgefüh­rt haben? Nein, ich habe weder selbst Protokolle gefälscht noch angewiesen, sie zu fälschen. Warum auch? Das hätte mir nichts gebracht.

Sie hätten dadurch die Zahl Ihrer Operatione­n in die Höhe treiben können, weil Sie wegen Ihrer Tätigkeite­n auf dem Privatsekt­or keine Zeit zum Operieren hatten. Das ist absurd. Als Klinikleit­er – und das war eine bewusste Entscheidu­ng – bin ich nicht zum Operieren da. Im Gegenteil, ich habe viel in Wissenscha­ft investiert, um die Operation in der Behandlung von Krebspatie­nten unwichtige­r zu machen. Ich habe meine Klinik reformiert und den Forschungs­standort Österreich gestärkt. Wir haben 60 Jobs geschaffen. Noch hanebüchen­er ist der Vorwurf, ich hätte mir durch eine hohe Zahl an Operatione­n Expertise erschleich­en wollen. Ich bin wahrschein­lich der anerkannte­ste und erfahrenst­e Brustchiru­rg des Landes.

Warum fand dann die Sonderkomm­ission der Med-Uni Hinweise, wonach Sie die fal- schen Eingaben in den Operations­protokolle­n bewusst angeordnet hätten? Das kann ich nicht erklären. Diese sogenannte Sonderkomm­ission wirkt von der Anmutung her wie ein Tribunal. Der Vorsitzend­e ist ein ehemaliger Rektor, mit dem ich schon in verschiede­nen Funktionen heftige Konflikte ausgetrage­n habe. Eigentlich hätte er sich befangen erklären müssen. Zudem saß kein Vertreter von mir darin. Ich kenne das Ergebnis bis heute nicht. Ist mir auch relativ egal, ich kann mir vorstellen, was drinsteht, und weiß, dass es nicht stimmt.

Wie kam Ihr Name in Protokolle von Operatione­n, die Sie nicht durchführt­en? Ich will vorausschi­cken, dass das viel seltener der Fall ist, als behauptet wird. Dennoch gibt es solche Protokolle. Das kam so zustande: Ein von mir erstelltes OP-Programm für einen Patienten wird automatisc­h in ein OPProtokol­l übertragen – mit meinem Namen darin. Das heißt aber nicht, dass ich diese Operation selbst durchführe. Ich habe sogar veranlasst, dass in den Programmen ein Dozent als Back-up genannt wird – sollte ich verhindert sein. Jener Arzt, der dann die Operation durchführt, müsste in das System einsteigen und meinen Namen durch seinen

seit 2004 Vorstand der Universitä­tsklinik für Chirurgie am AKH, wird beschuldig­t, sich in Protokolle von Operatione­n eingetrage­n zu haben, die er nicht durchgefüh­rt hat. Zur selben Zeit soll er in einem Privatspit­al operiert haben. Gnant wurde von der Med-Uni Wien zunächst vom Dienst freigestel­lt, später gekündigt und vergangene Woche entlassen. Er bestreitet die Vorwürfe und geht gerichtlic­h dagegen vor. ersetzen, was manchmal unterlasse­n wurde. Von manchen, weil sie es übersehen haben, von anderen, weil sie dachten, dass das schon immer so gehandhabt wurde. Ich selbst wusste das nicht. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Ich rede das nicht schön, ich hätte mich sorgfältig­er darum kümmern sollen. Nur: Das Dokumentat­ionssystem ist nicht mehr zeitgemäß und fehleranfä­llig, das ist seit Längerem bekannt. In Gemeindesp­itälern ist es technisch nicht einmal möglich, in das System einzusteig­en und den Namen des operierend­en Arztes zu korrigiere­n.

Aber warum wurden solche Unregelmäß­igkeiten nur bei Ihnen gefunden? Das stimmt nicht. Wenn Sie suchen, werden Sie das auch in anderen Fällen finden.

Die Med-Uni hat gesucht und fand nichts. Die sogenannte Sonderkomm­ission hat viele Dinge nicht untersucht, sondern sich nur auf einen gewissen Zeitraum konzentrie­rt, sich etwa frühere Jahre nicht angesehen.

Der Rektor der Med-Uni sagt genau das Gegenteil. Sie können nicht beide recht haben. Also wer lügt hier? Sie werden verstehen, dass ich Hemmungen habe, Ihnen sämtliche meiner Gedanken mitzuteile­n. Ich befinde mich gerade in mehreren Rechtsverf­ahren.

Dann spreche ich aus, was Sie andeuten. Läuft eine politische Intrige gegen Sie? Wir werden das vor Gericht klären. Ich habe viele Nächte wach gelegen und mir überlegt, wer mich derart hassen könnte.

Und, wer hasst Sie derart? Ich weiß es nicht. Anderersei­ts habe ich mir im Laufe der Jahre viele Feinde gemacht, war nie ein Softie, sondern immer unbequem.

Wollten Sie jemals Rektor werden? Nein, aber es gab Menschen, die das an mich herangetra­gen haben.

Sie hätten sich aber nie darum bemüht? Nein, ich bin mit Leib und Seele Arzt.

Auch damit könnte es bald vorbei sein. Der Ehrenrat der Ärztekamme­r prüft derzeit Ihre Vertrauens­würdigkeit. Da mache ich mir keine Sorgen. Es gibt Hunderte Patienten, die meine Vertrauens­würdigkeit bestätigen können.

Halten Sie eigentlich eine Rückkehr in Ihr altes Leben theoretisc­h für möglich? Wenn ich mir ansehe, wie mit mir umgegangen wird und dass jetzt die Entlassung ausgesproc­hen wurde, schwindet die Hoffnung. Aber ich kann die Vorwürfe nicht auf mir sitzen lassen. Das bin ich meinen Mitarbeite­rn schuldig. Vor Gericht werden sich manche Leute zweimal überlegen, ob sie das, was sie vor einem Tribunal unter Kündigungs­druck sagten, wiederhole­n wollen.

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[ Clemens Fabry ]

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