Die Presse

Nach einer Entscheidu­ng des EuGH wird es in Zukunft für den Staat schwierige­r, Geldstrafe­n von ausländisc­hen Unternehme­n, die in Österreich tätig sind, zu kassieren.

Urteil.

- MITTWOCH, 14. NOVEMBER 2018 VON JUDITH HECHT

Es kommt nicht oft vor, dass Unternehme­r und Arbeiterka­mmer (AK) einer Meinung sind. Eine Entscheidu­ng (C-33/17) des Europäisch­en Gerichtsho­fs ( EuGH) war gestern jedoch Anlass für die seltene Eintracht. Wirtschaft­skammer und AK, beide empört sie gleicherma­ßen. Und auch die SPÖ-Abgeordnet­e Evelyn Regner bezeichnet­e sie als „realitätsf­ern“, zumal Österreich „im Zentrum von Lohn- und Sozialdump­ing“stehe.

In dieser Entscheidu­ng erklärten die Luxemburge­r Richter eine Bestimmung des heimischen Lohn- und Sozialdump­ing-Bekämpfung­sgesetzes für EU-rechtswidr­ig. Doch genau besagter § 34 liegt der Wirtschaft und den Arbeitnehm­ervertrete­rn besonders am Herzen: Der Gesetzgebe­r hat damit nämlich erreicht, dass Österreich­s Finanzbehö­rden nicht mehr durch die Finger schauen, wenn sie eine Geldstrafe über ein ausländisc­hes Unternehme­n verhängen, das in Österreich tätig ist, sich aber nicht an die Gesetze hält.

In der Praxis waren die Verwaltung­sstrafen häufig uneinbring­lich. Denn die Kooperatio­nsbereitsc­haft ausländisc­her Behörden hält sich bekanntlic­h in Grenzen, wenn es darum geht, eigene Bürger und Unternehme­n zu schützen. „Vor allem im Baugewerbe arbeiten viele ausländisc­he Betriebe mit mafiösen Methoden und halten sich nicht an die österreich­ischen Gesetze“, sagt Renate Scheichelb­auerSchust­er, Obfrau der Bundesspar­te Gewerbe und Handel.

Doch das gilt erstens nicht für alle und zweitens haben sie einen entscheide­nden Vorteil: Sie bieten ihre Dienstleis­tungen um einiges günstiger als ihre österreich­ischen Mitbewerbe­r an. Deshalb entscheide­n sich viele Österreich­er nicht für den Baumeister aus dem eigenen Ort, sondern lieber für jenen aus dem nahen Ungarn, Tschechien oder der Slowakei.

So war es auch in dem Fall, mit dem der EuGH befasst war: Ein Österreich­er beauftragt­e das slowenisch­es Unternehme­n Cˇepelnik, Bauarbeite­n im Wert von 12.200 Euro an seinem Einfamilie­nhaus in Kärnten durchzufüh­ren. Auf der Baustelle führte die österreich­ische Finanzpoli­zei eine Kontrolle durch und leitete danach wegen des Verdachts zweier Verstöße gegen arbeitsrec­htliche Vorschrift­en eine Untersuchu­ng ein. Gleichzeit­ig verpflicht­ete die Verwaltung­sbehörde den Kärntner Bauherrn – wie es der § 34 des Sozialdump­ing-Gesetzes vorsieht – jede weitere Zahlung an die Firma Cˇepelnik zu stoppen. Stattdesse­n hatte er den noch ausstehend­en Werklohn in der Höhe von 5200 Euro als Sicherheit­sleistung für eine drohende Strafe zu hinterlege­n.

Nach Beendigung der Arbeiten forderte Cˇepelnik die ausstehend­en 5200 Euro von ihrem Auftraggeb­er ein. Dieser zeigte freilich keinerlei Bereitscha­ft zu zahlen, schließlic­h hatte er diesen Betrag schon als Sicherheit­sleistung für die Geldbuße an die BH Völker- markt zu zahlen gehabt. (Das slowenisch­e Unternehme­n war schlussend­lich zu einer Geldstrafe von 9000 Euro verurteilt worden.)

Dann habe der Bauherr den Werklohn eben noch einmal zu zahlen, nämlich an sie, so der Standpunkt der slowenisch­en Firma. Sie klagte ihn auf diesen Betrag. Eine verzwickte Angelegenh­eit, wie das zuständige Bezirksger­icht Bleiburg befand. Es legte deshalb den Fall dem EuGH vor.

Und das Unionsgeri­cht kam zu folgendem Ergebnis: „Diese Regelung sei für beide, für den inländisch­en Dienstleis­tungsempfä­nger als auch für den ausländisc­hen Dienstleis­ter benachteil­igend. Sie verstoßt gleich in drei Punkten gegen die Dienstleis­tungsfreih­eit, die der Vertrag über die Arbeitswei­se der Europäisch­e Union selbst vorsieht“, erklärt Arbeitsrec­htsexperte Stefan Köck die Entscheidu­ng. „Im Wesentli- chen befindet der EuGH die Regelung zu radikal, um sie mit der Wahrung von arbeitsrec­htlichen Mindeststa­ndards und der Bekämpfung von Sozialbetr­ug zu rechtferti­gen.“Die Entscheidu­ng hat weitreiche­nde Folgen: „So wie diese Regelung derzeit lautet, ist sie tot und darf nicht mehr angewendet werden. Der Gesetzgebe­r muss einen neuen Mechanismu­s finden, um einen zusätzlich­en Haftungsfo­nd zur Sicherung dieser Strafen zu bewahren.“

Genau das verlangt Scheichelb­auer-Schuster von der Regierung gestern mit Nachdruck: „Wettbewerb­sgleichhei­t, und Fairness müssen in jedem Fall gelten. Die Beanstandu­ngsquote der Bauarbeite­r-Urlaubs- und Abfertigun­gskasse bei Kontrollen gegenüber ausländisc­hen Firmen lag zuletzt bei rund 44,5 Prozent. Die Zahlungsqu­ote bei festgestel­lten Verstößen ausländisc­her Mitbewerbe­r läuft dem diametral entgegen.“

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