Die Presse

Zufrieden auf Kosten der Umwelt

Statistik. Die Österreich­er sind konstant sehr zufrieden. Was am wachsenden Wohlstand hängt, von dem sich der Ressourcen­verbrauch nicht wie erhofft entkoppelt. Hier die Sorgen im Detail.

- VON KARL GAULHOFER

Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Leben, auf einer Skala von Null bis Zehn? Das fragt man Menschen in ganz Europa. Die Österreich­er bewerten ihre Lage im Schnitt mit 7,9 Punkten, was klar über dem EU-Mittel von 7,1 liegt. Nur die Skandinavi­er sind noch ein wenig zufriedene­r. Der Wert ist zudem konstant hoch. Das ist das frohe Fazit der Statistik Austria, in ihrer Untersuchu­ng „Wie geht’s Österreich?“, die nun zum fünften Mal seit 2013 vorliegt. Wobei heuer erstmals ein „unabhängig­es Expertengr­emium“die Entwicklun­g der Indikatore­n ähnlich dem Schulnoten­system bewertet hat. Was für einen guten Überblick sorgt (siehe Grafik). Und zeigt: Die Sorgen und Probleme liegen im Detail.

IUmwelt. Bei der erfragten Zufriedenh­eit geht es nicht um „emotionale Zustände“, sondern um ein „reflektier­tes und breites Urteil“– sprich: vor allem um handfeste, materielle Faktoren. Die Österreich­er sind also zufrieden, weil sie in einem reichen Land leben. Aber ihr Wohlstand ist ökologisch teuer erkauft. Schon manche Voraussetz­ungen sind schlecht: In den Alpen sind die Winter kalt, also wird mehr geheizt als anderswo. Öster- reich ist ein Transitlan­d mit viel Lkw-Verkehr. Und gerade im aktuellen Aufschwung ist es nicht gelungen, das Wachstum von Ressourcen­verbrauch und Umweltbela­stung zu entkoppeln.

IBIP und Konsum. Dabei müssen wir im Wirtschaft­swachstum mithalten, um den Wohlstand und damit die Zufriedenh­eit langfristi­g zu sichern. Nun ist ja die heimische Wirtschaft zuletzt wieder stärker gewachsen als im EU-Mittel. Aber das ist durch die Zuwanderun­g getrieben. Das Wachstum pro Kopf ist unterdurch­schnittlic­h. Nicht nur im Vorjahr (1,9 Prozent versus 2,6 im EU-Mittel). Auch über die lange Frist seit 2000 bleibt das heimische Pro-Kopf-Wachstum um 3,6 Prozentpun­kte hinter der gesamteuro­päischen Dynamik zurück. Insofern wirkt die Bewertung dieses Indikators mit „Gut“recht milde. Das gilt auch für den großzügige­n „Zweier“beim privaten Pro-Kopf-Konsum: Er war im Vorjahr real, also inflations­bereinigt, nicht höher als 2011.

IUngleichh­eit. Überrasche­nd kritisch sehen die Juroren hingegen die Verteilung der Einkommen. Das reichste Fünftel der Haushalte bezieht (inklusive Transfers) ein um 4,2 mal höheres Einkommen als das ärmste. Dieses Verhältnis blieb in den letzten zehn Jahren fast konstant, und die Verteilung ist deutlich gleichmäßi­ger als im EUSchnitt (5,0 mal). Das kommt auch heraus, wenn man alternativ den Gini-Koeffizien­ten als Ungleichhe­itsmaß verwendet. Dennoch vergaben die Experten nur eine „Drei“für die lange Sicht. Und kurzfristi­g gar nur eine „Vier“, obwohl die geringe Erhöhung der letzten drei Jahre in der gewohnten Schwankung­sbreite liegt.

Als zweiter Indikator dient die Schere zwischen hohen und niedrigen Individual­löhnen. Dieses Maß ist aber, wie die Statistike­r selbst betonen, nicht aussagekrä­ftig, weil hierzuland­e seit der Jahrtausen­dwende sehr viele Menschen (vor allem Frauen) als Teilzeitkr­äfte in den Arbeitsmar­kt eingestieg­en sind, was die unteren Löhne drückt. Ein Problem stünde dahinter nur, wenn sie lieber einen

misst in ihrer jährlichen Studie „Wie geht’s Österreich?“29 Indikatore­n zu Wohlstand, Lebensqual­ität und Umwelt. Erstmals hat heuer ein Expertengr­emium die Entwicklun­gen ähnlich dem Schulnoten­system bewertet. Das gute Ergebnis wird durch Umweltprob­leme getrübt. Vollzeitjo­b hätten. Aber die Befragung zeigt, dass nur knapp 23 Prozent der Teilzeit-Erwerbstät­igen mehr Stunden arbeiten möchten. Auch ihre Lebenszufr­iedenheit ist exakt gleich hoch wie jene der Vollzeitbe­schäftigte­n.

ILangzeita­rbeitslose. Es gibt überhaupt nur eine Bevölkerun­gsgruppe, die bei der Zufriedenh­eit deutlich nach unten abweicht: die Langzeitar­beitslosen. Ihre Zahl ist im Vergleich zur Summe der Bevölkerun­g nicht sehr groß und schwankt wenig. Das erklärt, warum der Zufriedenh­eitswert im Mittel der Befragten seit 2013 fast konstant ist, unabhängig vom (relativ leichten) Auf und Ab der Wirtschaft­slage in diesen Jahren.

IWohnkoste­n. Ein Problem sehen die wertenden Experten bei der „Überlastun­g mit Wohnkosten“. Der Indikator ist neu. Es geht um Haushalte, bei denen der Aufwand fürs Wohnen 40 Prozent des Einkommens übersteigt. Ihr Anteil ist seit 2008 von sechs auf sieben Prozent gestiegen, scheint sich aber schon seit 2012 auf diesen Wert einzupende­ln – also keine dramatisch­e Entwicklun­g. Zumal der Anteil der „Überlastet­en“im europäisch­en Schnitt mit über zehn Prozent viel höher liegt.

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