Die Presse

Der Thronfolge­r wartet auf den Lendl-Effekt

Tennis. Alexander Zverev fordert Novak Djokovi´c. Der streitbare 21-Jährige hat sich heuer etabliert, der ganz große Coup aber blieb einmal mehr aus.

-

Laver Cup 2018, Alexander Zverev sitzt auf der Bank, hinter ihm lehnt Roger Federer und sagt: „Bleib positiv, lass dich nicht frustriere­n, gib den Leuten keinen Grund, dich nicht zu mögen.“Mit diesen Worten half der Altmeister dem Jungstar nicht nur, die Partie gegen Kevin Anderson noch zu drehen, er hat Zverev damit wohl auch das Rezept in die Hand gegeben, um die Nummer eins der Tenniswelt zu werden.

Die Schläge dafür hat der 21-jährige Deutsche, aktuell Weltrangli­stenfünfte­r, so gut wie beisammen. Mitunter ist er noch etwas abhängig von seinem starken Aufschlag, auch der Return ist in diesem Alter noch ausbaufähi­g. Aber die beidhändig­e Rückhand ist schon jetzt eine der besten der Welt. Doch Zverev gilt als arrogant, unnahbar und eigensinni­g. Sein Ex-Trainer Juan Carlos Ferrero verlangte mehr Respekt und Pünkt- lichkeit, Zverev lieferte sich daraufhin einen medialen Kleinkrieg mit der ehemaligen Nummer eins. Die Tenniswelt rätselt, wieso bei Zverev 2018 erneut der große Durchbruch auf Grand-Slam-Ebene ausblieb. An der Fitness kann es nicht mehr gelegen sein. Einzige Erklärung: Druck gepaart mit Ungeduld.

So erntet Zverev auch am Ende dieser Saison Kritik. Trotz drei Turniersie­gen und einer 55:18-Matchbilan­z – keiner hat 2018 mehr Partien gewonnen. In Deutschlan­d wird er an früheren Weltrangli­stenersten gemessen, an Steffi Graf, Angelique Kerber und vor allem an Boris Becker, der im Gegensatz zu Zverev auch sein Privatlebe­n mit der Öffentlich­keit teilte.

„Da vergisst man schnell, dass ich erst 21 Jahre alt bin und noch viel vor mir habe“, sagt Zverev. Tatsächlic­h ist er seiner Generation längst entwachsen, schon zum zweiten Mal in Folge tritt er heuer als der mit Abstand jüngste Profi bei den ATP Finals in London an. Seine Auftaktpar­tie gegen Marin Cˇilic´ hat er 7:6, 7:6 gewonnen, heute wartet mit Novak Djokovic´ der ultimative Härtetest (15 Uhr, Sky).

Mit dabei in London ist Coach Ivan Lendl. Die 58-jährige frühere Nummer eins hat schon aus Andy Murray einen Major-Sieger gemacht. Das erste gemeinsame Großevent von Zverev und Lendl war mit dem Drittrunde­n-Aus bei den US Open schiefgega­ngen. Nach knapp drei Monaten Zusammenar­beit greift das Duo nun in London nach dem ersten großen Titel. „Wir denken ähnlich“, sagt Zverev. „Wir wollen beide gewinnen, und alles andere interessie­rt uns nicht so sehr.“

Die Frage ist: Wann tritt der Lendl-Effekt ein? „Man hofft immer, dass es so schnell wie möglich geht, aber der wirklich große Effekt kommt wahrschein­lich erst im Sommer. Dann seht ihr Unterschie­de in meinem Spiel“, prophezeit­e der 1,98-Meter-Schlaks. Sein Aufschlag habe sich jedenfalls schon verbessert.

Gegen Djokovic´ wird Zverev mehr als nur krachende Aufschläge benötigen, der Weltrangli­stenerste hat beim 6:4, 6:3 über John Isner nur sechs Punkte bei eigenem Service abgegeben und sich insgesamt nur sechs unzerzwung­ene Fehler erlaubt. Schon im Vorjahr schlug Zverev zum Auftakt Cˇilic´, dann kassierte er zwei Niederlage­n und schied aus. (joe)

 ?? [ Reuters ] ??
[ Reuters ]

Newspapers in German

Newspapers from Austria