Die Presse

Wien Modern: Grandiose Grunzlaute

Etwas Fluxus und Ironie sowie viel elektronis­che Sprengladu­ngen mit dem Ensemble Phace.

- VON WALTER WEIDRINGER

„Mit Ekstase! Mit Gefühl! Mit Ausdruck!“, raunt plötzlich der Schlagzeug­er. Später stimmt das ganze Ensemble in das Mantra ein – und am Schluss werfen sich noch alle mit ein paar Grunzlaute­n in Bodybuilde­rpose. Aber was soll einen überrasche­n bei einem Werk, das außer je drei Bläsern und Streichern nebst Percussion auch noch Schatullen, Schubladen, Kassettenr­ekorder sowie trockene Zweige verlangt? „Mit etwas Extremismu­s und einer Muskel-Coda“heißt diese ironische Hommage an John Cage von Nicolaus A. Huber – das Publikum von Wien Modern zeigte sich entspreche­nd vergnügt.

Es war ein großartige­r Abend mit dem Ensemble Phace unter Leitung des anfeuernd-präzisen Lars Mlekusch. Dieser nestelte im stummen Fluxus-Klassiker „Solo for Conductor“von George Maciunas hingebungs­voll an seinen Schuhen und Socken herum. Als mindestens so theatralis­ch hatte sich zuvor Francois¸ Sarhans „Potence a` paratonner­re (flipbook)“entpuppt: Lachen, Glissandi, tonale Fetzen, elektronis­che Versatzstü­cke drangen durch die Finsternis, in der Lichtblitz­e ausgerechn­et meist die gerade unbeteilig­ten Musiker beleuchtet­en. Dazu ein dunkler Text: „Here it begins“, sagte der markante Konrad Rennert – worauf dieses Mosaik zu Ende war.

Ekstase, Gefühl und Ausdruck im landläufig­en Sinn regierten hingegen nach der Pause. Sarah Nemtsovs „Journal“war explosiv und bündig zugleich. Besonders betörte eine expressive Passage mit Nachrichte­ngemurmel und Wah-WahTönen der Posaune, abgeleitet vom Erwachsene­n-Blabla bei den „Peanuts“. Kaum weniger stark Mirela Iviceviˇcs´ „Case Black“: ein brachiales, aber differenzi­ertes, wunderbar zupackende­s, aufrütteln­des Stück im Gedenken an einen Großangrif­f auf die jugoslawis­chen Partisanen 1943. Und zum Finale Wolfgang Mitterer. In seinem „Little Smile“verbinden sich teils notierte, teils in vorgegeben­em Rahmen improvisie­rte Abschnitte zu virtuosen Eruptionen, die Mlekusch und Phace voll auskostete­n, wobei der Komponist selbst das Ganze noch mit live-elektronis­chen Sprengmitt­eln würzte: Big smiles im Berio-Saal.

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