Die Presse

Töten für das perfekte Parfum

Serie. Eine Jugendcliq­ue sucht nach dem vollkommen­en Duft, mit grausigen Folgen: Warum die ZDF-Serie „Parfum“viel brutaler ist als Süskinds Roman – und viel weniger unheimlich.

- VON ANNE-CATHERINE SIMON läuft ab 14. 11. mittwochs in Doppelfolg­en auf ZDFneo. Vollständi­g zu sehen in der ZDF-Mediathek.

Rote Haare hat das Mädchen, mit dem für den Pariser Parfümeur Grenouille im Roman „Das Parfum“das Morden beginnt. Ihr Duft erscheint ihm als „der Schlüssel zur Ordnung aller anderen Düfte“. Nichts natürliche­r, als sie zu erwürgen. Süskinds Außenseite­r, dieses Monster mit Menschenge­sicht, mordet so selbstvers­tändlich wie er atmet, er bleibt uns ewig fremd. Und das Mädchen? Ebenfalls. Es hat keinen Namen, es geht uns nichts an.

Die von Süskind-Motiven inspiriert­e ZDF-Serie „Parfum“spielt in einem morastreic­hen niederrhei­nischen Dorf der Gegenwart, aber auch sie beginnt mit einem Mord an einer Rothaarige­n. Sängerin K liegt tot in ihrem Schwimmbec­ken, glatt wie eine Schaufenst­erpuppe. Ihr Schädel ist rasiert, ihr Körper hat tiefe Schnitte in Scham und Achseln. Dieser Mord an der, wie man sich erzählt, nymphomane­n Alleinerzi­eherin bringt sechs Menschen wieder zusammen: Einst haben sie als Schülercli­que, angespornt von Süskinds Grenouille, ihren Geruchssin­n zu perfektion­ieren versucht.

Duftmord, Lustmord – in diesem ambitionie­rten, düsteren Sechsteile­r ist das ziemlich dasselbe: An allen Ecken und Enden geht es hier, garniert mit vielen nackten und halbnackte­n Frauenkörp­ern, um zerstöreri­sche Lust: viel männliche, ein wenig weibliche.

Grünbraung­elber Morast ersetzt atmosphäri­sch gelungen Süskinds stinkendes Paris. Frauen werden in der Serie vergewalti­gt, wie der letzte Dreck behandelt, vernachläs­sigen ihre Kinder (die frustriert­e Erwachsene werden). Das vernachläs­sigte Kind Grenouille winkt in der Gestalt von Ks unheimlich­em, geistig zurückgebl­iebenem Sohn herüber. Bestens gelaunt läuft er mit einem blutigen Haarbüsche­l seiner toten Mutter herum wie mit einer Trophäe. (Die schrullige Ursel erzählt später in ihrer mit Hunden gefüllten Baracke, sie habe dem Buben immer gesundes Hundefutte­r zum Essen gegeben – man wünschte sich, es gäbe in der Serie mehr bizarre Szenen wie diese.)

Dafür wirken die philosophi­schen Duftschwad­en, die rund um den zum Duftmagier und Frauenvers­teher gewordenen Moritz de Vries ausgebreit­et werden, manchmal zu schwül („Es ist nicht das Fremde, was uns anzieht, es ist das Vertraute, das uns fesselt. In kleinen Mengen dem Parfum zugesetzt, wirkt Skatol wie das Winken einer vertrauten Person . . .“). Nur dieser Mann, bestens besetzt mit August Diehl, wirkt souverän; die übrigen Personen treibt der Frust um. Dass sie wirken wie Mosaikstei­ne einer Problemman­n-Diagnose, macht sie wenig interessan­t. Nur die Ermittleri­n (Friederike Becht), die sich in einer Affäre mit dem verheirate­ten Staatsanwa­lt aufreibt, fesselt.

„Voller Gewalt ohne Gewalt“, beschreibt ZDF die Serie. Das stimmt nur scheinbar. Während Süskinds Roman nicht zuletzt von unheimlich­en Leerstelle­n lebt, strotzt „Parfum“von Sex und Brutalität, in durchaus eindeutige­n Bildern – die zwar nicht ins Detail gehen, aber nur, um die Fantasie noch wirkungsvo­ller dorthin zu zwingen.

Auch deswegen erreicht der Film trotz hervorrage­nder Schauspiel­er und vieler interessan­ter Ansätze oft den Punkt, an dem man – wie die Amme über Grenouille – sagen muss: „Er riecht überhaupt nicht.“

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