Töten für das perfekte Parfum
Serie. Eine Jugendclique sucht nach dem vollkommenen Duft, mit grausigen Folgen: Warum die ZDF-Serie „Parfum“viel brutaler ist als Süskinds Roman – und viel weniger unheimlich.
Rote Haare hat das Mädchen, mit dem für den Pariser Parfümeur Grenouille im Roman „Das Parfum“das Morden beginnt. Ihr Duft erscheint ihm als „der Schlüssel zur Ordnung aller anderen Düfte“. Nichts natürlicher, als sie zu erwürgen. Süskinds Außenseiter, dieses Monster mit Menschengesicht, mordet so selbstverständlich wie er atmet, er bleibt uns ewig fremd. Und das Mädchen? Ebenfalls. Es hat keinen Namen, es geht uns nichts an.
Die von Süskind-Motiven inspirierte ZDF-Serie „Parfum“spielt in einem morastreichen niederrheinischen Dorf der Gegenwart, aber auch sie beginnt mit einem Mord an einer Rothaarigen. Sängerin K liegt tot in ihrem Schwimmbecken, glatt wie eine Schaufensterpuppe. Ihr Schädel ist rasiert, ihr Körper hat tiefe Schnitte in Scham und Achseln. Dieser Mord an der, wie man sich erzählt, nymphomanen Alleinerzieherin bringt sechs Menschen wieder zusammen: Einst haben sie als Schülerclique, angespornt von Süskinds Grenouille, ihren Geruchssinn zu perfektionieren versucht.
Duftmord, Lustmord – in diesem ambitionierten, düsteren Sechsteiler ist das ziemlich dasselbe: An allen Ecken und Enden geht es hier, garniert mit vielen nackten und halbnackten Frauenkörpern, um zerstörerische Lust: viel männliche, ein wenig weibliche.
Grünbraungelber Morast ersetzt atmosphärisch gelungen Süskinds stinkendes Paris. Frauen werden in der Serie vergewaltigt, wie der letzte Dreck behandelt, vernachlässigen ihre Kinder (die frustrierte Erwachsene werden). Das vernachlässigte Kind Grenouille winkt in der Gestalt von Ks unheimlichem, geistig zurückgebliebenem Sohn herüber. Bestens gelaunt läuft er mit einem blutigen Haarbüschel seiner toten Mutter herum wie mit einer Trophäe. (Die schrullige Ursel erzählt später in ihrer mit Hunden gefüllten Baracke, sie habe dem Buben immer gesundes Hundefutter zum Essen gegeben – man wünschte sich, es gäbe in der Serie mehr bizarre Szenen wie diese.)
Dafür wirken die philosophischen Duftschwaden, die rund um den zum Duftmagier und Frauenversteher gewordenen Moritz de Vries ausgebreitet werden, manchmal zu schwül („Es ist nicht das Fremde, was uns anzieht, es ist das Vertraute, das uns fesselt. In kleinen Mengen dem Parfum zugesetzt, wirkt Skatol wie das Winken einer vertrauten Person . . .“). Nur dieser Mann, bestens besetzt mit August Diehl, wirkt souverän; die übrigen Personen treibt der Frust um. Dass sie wirken wie Mosaiksteine einer Problemmann-Diagnose, macht sie wenig interessant. Nur die Ermittlerin (Friederike Becht), die sich in einer Affäre mit dem verheirateten Staatsanwalt aufreibt, fesselt.
„Voller Gewalt ohne Gewalt“, beschreibt ZDF die Serie. Das stimmt nur scheinbar. Während Süskinds Roman nicht zuletzt von unheimlichen Leerstellen lebt, strotzt „Parfum“von Sex und Brutalität, in durchaus eindeutigen Bildern – die zwar nicht ins Detail gehen, aber nur, um die Fantasie noch wirkungsvoller dorthin zu zwingen.
Auch deswegen erreicht der Film trotz hervorragender Schauspieler und vieler interessanter Ansätze oft den Punkt, an dem man – wie die Amme über Grenouille – sagen muss: „Er riecht überhaupt nicht.“