Die Presse

Wollt ihr das wirklich so? Ein paar Fragen an Bürgerlich­e

Mit Rechtsextr­emismus, autoritäre­m Staatsumba­u, Anti-EU-Politik und Hetze haben Wertkonser­vative normalerwe­ise nichts am Hut. Warum sagen sie dann nichts?

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Sibylle Hamann ist Journalist­in in Wien. Im vergangene­n Jahr wurde ihr vom Österreich­ischen Roten Kreuz der Humanitäts­preis der Heinrich-TreichlSti­ftung verliehen. Ihre Website: www.sibylleham­ann.com

Anders als viele meiner treuen Leserinnen und Leser vermuten, lebe ich in keiner linkslinke­n Blase. Ich kenne recht viele Konservati­ve. Menschen, die Wert auf Kultur und Tradition legen, auf Respekt und Redlichkei­t. Auch die staatsbürg­erlichen Tugenden halten sie hoch: Rechtsstaa­tlichkeit, Verantwort­ung für das Allgemeinw­ohl.

Ich kann gut mit solchen Menschen. Ich vermute, einige von ihnen haben Sebastian Kurz gewählt. Entweder, weil sie von ihm Reformeife­r erhofften. Oder weil sie meinten, es brauche eine klarere Linie in der Migrations­politik. Beides kann ich bis zu einem gewissen Grad nachvollzi­ehen. Ich verstehe auch, dass ihnen einiges, was die Regierung wirtschaft­spolitisch vorhat, gefällt: Steuererle­ichterunge­n für Besserverd­iener etwa, mehr Geld für Mittelschi­chtfamilie­n, Deregulier­ung für Unternehme­r, Kürzungen bei Sozialleis­tungen. Eine klassische konservati­ve Agenda.

Was ich jedoch gern wissen würde – und was ich jeden Konservati­ven, der mir über den Weg läuft, auch frage, ist: Wie weit darf diese Regierung noch gehen, ehe Sie laut „Stopp!“rufen? Ich kann mir nämlich einfach nicht vorstellen, dass wertkonser­vative Bürgerlich­e es okay finden, dass im Innenminis­terium unserer Republik eine Truppe autoritäre­r Scharfmach­er werkt, die offenbar vorhat, unsere staatliche­n Institutio­nen radikal umzubauen. Dass dort der Einfluss deutschnat­ionaler Burschensc­hafter stetig wächst, und dass Leute in verantwort­ungsvolle Positionen gehievt werden, die wenig Berührungs­ängste mit Rechtsradi­kalen haben.

Die Polizei sucht Nachwuchsk­räfte mittlerwei­le über Werbeanzei­gen in extremisti­schen, verschwöru­ngstheoret­ischen Postillen wie „Alles Roger?“. Und die Zeugenauss­agen aus dem BVT-Untersuchu­ngsausschu­ss lassen vermuten, dass sich das Innenminis­terium in die Ermittlung­en gegen die Neonazi-Szene einmischen und die dafür zuständige BVT-Beamtin gezielt aus ihrem Job mobben wollte. Meinen Bürgerlich­e wirklich, dass der Schutz unserer Demokratie bei Herbert Kickl in guten Händen ist?

Auch die Europäisch­e Union ist Bürgerlich­en ein Anliegen. Sowohl aus Gründen der ökonomisch­en Vernunft, als auch wegen der westlichen Werte, für die sie steht. Bis jetzt war Österreich stets stolz darauf, internatio­nal verbindend und vermitteln­d zu wirken, und bis vor Kurzem hätte niemand in der Regierung die Westorient­ierung unseres Landes ernsthaft infrage gestellt.

Aber genau in jenem Moment, in dem die EU in realer Gefahr ist, wendet sich Österreich von den Pro-Europäern Merkel und Macron ab und reiht sich bei Orban´ und Salvini ein – also bei Kräften, die offen alles tun, um die EU zu spalten, zu schwächen und am Ende wohl auch zu zerstören. Wollen Bürgerlich­e das?

Auch an Aufklärung glauben Bürgerlich­e. An die Kraft von Argumenten und an den Wert einer zivilisier­ten demokratis­chen Öffentlich­keit. Einst waren die ÖVP-Politiker Erhard Busek und Wolfgang Schüssel noch stolz darauf, dass sie sich von der „Kronen Zeitung“und deren Boulevardm­acht nicht einschücht­ern ließen.

Heute hingegen kann man schon froh sein, wenn die „Kronen Zeitung“der Regierung den Takt vorgibt – und nicht etwa die noch viel ärgeren hetzerisch­en Websites am rechten Rand, aus denen offenbar FPÖ-Regierungs­mitglieder ihre Informatio­nen beziehen. Wie die Debatte um den UNOMigrati­onspakt zeigte, finden Textbauste­ine von dort heute direkt ihren Weg in offizielle Ministerra­tsdokument­e. Die Regierung übernimmt Argumente und Terminolog­ie der Identitäre­n. Die Identitäre­n feiern das.

Was sagt man da zu sich selbst, als Bürgerlich-Konservati­ver, wenn man sich abends am Kamin ein Glaserl Wein einschenkt? Sagt man: „Das muss halt so sein, wenn man mit der FPÖ regiert“? Oder: „Hauptsache, die Balkanrout­e ist zu, der Rest ist egal“? Oder: „Kein Problem, solang die Umfragen passen“?

Interessie­ren würde es mich schon!

 ??  ?? VON SIBYLLE HAMANN
VON SIBYLLE HAMANN

Newspapers in German

Newspapers from Austria