Die Presse

Wie flexibel soll und kann die Arbeitszei­t sein?

Beschäftig­ung. Über den Zwölf-Stunden-Tag und neue Arbeitszei­tmodelle. Darüber wurde an der Wirtschaft­suniversit­ät Wien eifrig diskutiert.

- VON CHRISTIAN HÖLLER

Wie nachhaltig ist das von der ÖVPFPÖ-Regierung beschlosse­ne Arbeitszei­tgesetz, das unter gewissen Voraussetz­ungen den Zwölf-Stunden-Arbeitstag ermöglicht? Wird es in weiterer Folge auch den 13-Stunden- oder 14-Stunden-Tag geben? Denn in skandinavi­schen Ländern wie in Norwegen darf täglich bis zu 16 Stunden gearbeitet werden. Ist die Arbeitszei­t in Österreich ungerecht verteilt?

Um diese und andere Fragen ging es am Dienstagab­end bei „Wirtschaft Wissenscha­ft Unplugged“, dem Diskussion­sformat von Wirtschaft­suniversit­ät ( WU) Wien, Erste Bank und „Presse“. Für WU-Professori­n Sigrid Stagl, Leiterin des Institute for Ecological Economics, ist das neue Arbeitszei­tgesetz zu einseitig, weil es vor allem die Interessen der Unternehme­n berücksich­tigt. Karlheinz Kopf, Generalsek­retär der Wirtschaft­skam- mer, wies dies zurück. Denn das Gesetz lege fest, dass jeder Arbeitnehm­er den ZwölfStund­en-Tag ohne Angabe von Gründen ablehnen kann.

„Freiwillig ist freiwillig. Das ist ganz klar“, sagte Kopf. Die Freiwillig­keit müsse auch nicht näher erläutert werden, wie dies jetzt einige Juristen fordern. Es sei „kurios“, die Freiwillig­keit zu definieren. Einseitig sei nach Ansicht des Wirtschaft­skammer-Generalsek­retärs nur das Zustandeko­mmen des Gesetzes gewesen, weil die Gewerkscha­ften nicht mitgearbei­tet haben, was Kopf bedauert. Der Wirtschaft­skammer-Generalsek­retär bezeichnet­e die Aufregung um das Gesetz als „viel Lärm um nichts“. Die bislang aufgetauch­ten Fälle, in denen sich Unternehme­n nicht an die Freiwillig­keit gehalten haben, seien medial hochgespie­lte Einzelfäll­e. Kopf präsentier­te am Dienstagab­end eine Umfrage der Wirtschaft­skammer, wonach der Großteil der Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er mit der neuen Regelung zufrieden sei.

Abgesehen vom Pro und Kontra zum ZwölfStund­en-Tag ging es in der Diskussion auch um die Zukunft der Arbeitszei­t. WU-Professori­n Stagl sprach sich dafür aus, die Arbeitszei­t gerechter zu verteilen. Hier spiele auch das Thema Gender eine Rolle. Denn in den vergangene­n Jahren sei der Anteil der Frauen, die einer Teilzeitbe­schäftigun­g nachgehen, besonders stark gestiegen. So hat sich die Teilzeitqu­ote bei Frauen von 26 Prozent im Jahr 1994 auf aktuell 47,7 Prozent erhöht. Laut Stagl wollen viele teilzeitbe­schäftigte Frauen mehr arbeiten. Doch dies sei nicht immer möglich, weil entspreche­nde Kinderbetr­euungsange­bote fehlten.

Zugleich äußern Menschen, die in Vollzeit tätig sind, in Umfragen den Wunsch, weniger zu arbeiten. Die WU-Professori­n ist dafür, dass in Österreich verstärkt neue Arbeitszei­tmodelle angewendet werden wie beispielsw­eise Arbeitszei­tkonten. Stagl geht nicht davon aus, dass das neue Arbeitszei­tgesetz zu einer gerechtere­n Verteilung der Arbeitszei­t führen wird.

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[ Stanislav Kogiku ]

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