Die Presse

Die First Lady zeigt ihre Macht

USA. Donald Trump feuert eine hochrangig­e Mitarbeite­rin, weil sich seine Frau gegen sie gestellt hatte. Das hat weitreiche­nde Folgen für das Machtgefüg­e in Washington.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Es war eine außergewöh­nliche Aussendung. In einem E-Mail informiert­e Stephanie Grisham, die Sprecherin der First Lady, die Medien, dass die stellvertr­etende Nationale Sicherheit­sberaterin, Mira Ricardel, „nicht länger die Ehre verdiene, im Weißen Haus zu arbeiten“. Journalist­en im ganzen Land runzelten die Stirn. Melania Trump hat nicht die Befugnis, Regierungs­mitarbeite­r zu feuern. Also tat das der Präsident letztlich selbst: Ricardel ist ihren Job los.

Die Affäre um die Stellvertr­eterin des obersten Sicherheit­sberaters, John Bolton, ist aus mehreren Gründen bemerkensw­ert. Zunächst wirft sie ein Schlaglich­t auf die Ehe von Donald und Melania Trump. Warum entschied sich die First Lady, die Ablöse einer hochrangig­en Politikeri­n per Pressemitt­eilung zu fordern? Hat sie zuvor erfolglos versucht, ihren Gatten privat davon zu überzeugen? Jedenfalls soll der Präsident alles andere als erfreut über Melanias Initiative gewesen sein. Mit dem Gang an die Öffentlich­keit ließ sie ihm indes keine andere Wahl, als Ricardel zu feuern.

Auslöser für den Streit war eine Afrikareis­e Anfang Oktober. Ricardel soll sich zum Ärgernis der First Lady unter anderem über die Platzverte­ilung im Flugzeug beschwert haben. Außerdem sei Ricardel mit Details zum Trip zu früh an die Öffentlich­keit gegangen und habe bewusst Falschinfo­rmationen gestreut. Als dann auch noch die Nachrichte­nseite Quartz berichtete, dass Melania in einem Hotel in Kairo 95.000 Dollar ausgegeben habe, war für die Präsidente­ngattin klar: Dafür ist Ricardel verantwort­lich, die 58-Jährige muss gehen.

Zunächst soll Melania mit ihrem Ansinnen auf taube Ohren gestoßen sein. Sie besprach die Affäre mit John Kelly, dem Stabschef im Weißen Haus, der wiederum Bolton, den Vorgesetzt­en Ricardels, davon informiert­e. Dieser ignorierte die Sache. Erst im Zuge der Aussendung von Melanias Sprecherin wurde die Intrige nach außen getragen. Im Endeffekt saß die First Lady am längeren Ast.

Mit dem ungewöhnli­chen Schritt demonstrie­rte Melania ihre Macht. Sie vermittelt auch einmal mehr durch die Blume, dass sie nicht immer mit der Politik ihres Mannes einverstan­den ist. Die gebürtige Slowenin gilt als relativ moderate Stimme im Weißen Haus, die sich gern gegen die „Hardliner“um Bolton und Stephen Miller stellt. Der meist im Hintergrun­d agierende Miller (33) zählt zu Trumps wichtigste­n Einflüster­ern, speziell beim Immigratio­nsthema.

Auch die nun gefeuerte Ricardel zählte zum Lager der Hardliner. Nach der Wahl Trumps war sie für die Postenbese­tzung im Pentagon zuständig, dabei krachte sie immer wieder mit dem designiert­en Verteidigu­ngsministe­r James Mattis zusammen. Mattis, der einen guten Draht zu Melania Trump haben soll, ist in außenpolit­ischen Fragen eher moderat. Im Zuge des Streits mit Nordkorea und des US-Bombardeme­nts in Syrien hat er mehrfach auf potenziell­e Gefahren hingewiese­n und Zurückhalt­ung eingeforde­rt.

Die sich ständig ändernde Balance zwischen erzkonserv­ativen und moderaten Republikan­ern ist eine der interessan­testen Geschichte­n der Präsidents­chaft Trumps. Mit ihrem aggressive­n öffentlich­en Statement gegen Ricardel versetzte die First Lady der Fraktion um Bolton und Miller einen schweren Schlag. Freilich: Schon bald könnte sich das Blatt wieder wenden. Erst unlängst bezeichnet­e Trump Mattis als „Demokraten“. Die Tage des Verteidigu­ngsministe­rs scheinen gezählt.

Auch Kirstjen Nielsen, Ministerin für Heimatschu­tz, steht auf der Abschussli­ste. Muss sie gehen, wäre das ein Sieg für Miller, der die Immigratio­nspolitik Nielsens als zu harmlos kritisiert. Mit Nielsen könnte auch gleich Kelly seinen Schreibtis­ch räumen. Der Stabschef war stets einer ihrer lautesten Unterstütz­er.

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[ Reuters ]

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