Firmensteuer: „20 Prozent reichen“
Interview. Niederösterreichs Landeshauptfrau, Johanna Mikl-Leitner, will Steuern auf kleine Einkommen senken und Betriebe entlasten. Asylberechtigte sollen den Facharbeitermangel lösen.
Die Presse: Nach der Wahlniederlage der CSU sprechen manche von einem Niedergang der christlichsozialen Parteien in Europa. Was ist Ihre Analyse? Johanna Mikl-Leitner: Der Vergleich mit Niederösterreich macht sicher – wir setzen auf ein Miteinander und holten so die Absolute. In der CSU gab es viel Streit, und sie haben viel verloren. Aber auch die Themensetzung ist wichtig. Wenn man die Zeitungen liest, hat man das Gefühl, es gibt nur ein Thema: Migration. Wenn man mit Menschen redet, weiß man aber, dass andere Themen noch wichtiger sind. Arbeit, Gesundheit, Familie, Mobilität etwa. Also Themen, die Menschen unmittelbar betreffen.
Sicherheit und Migration sind auch die Kernthemen von Türkis-Blau. Macht die Regierung also etwas falsch? Es gibt schon eine Themenvielfalt. Und dass das Schützen der EU-Außengrenzen im Rahmen der EURatspräsidentschaft angegangen wird, finde ich wichtig. Was mir noch ein Anliegen wäre: Ich will eine Steuerreform – da hat Finanzminister Hartwig Löger meine volle Unterstützung.
Was würden Sie reformieren? Die Wirtschaft brummt, dem Land geht es gut, das sollen auch die Menschen spüren. Es braucht eine ordentliche Entlastung – der Familienbonus war ein erster, wichtiger Schritt. In einem weiteren sollten die kleinen und mittleren Einkommen entlastet werden. Wir liegen bei einer Abgabenquote von 50 Prozent, das sollte deutlich Richtung 40 Prozent gedrückt werden. Auch an der Körperschaftsteuer kann man schrauben. Die liegt derzeit bei 25 Prozent und ist damit im EU-Vergleich sehr hoch. 20 Prozent reichen völlig. Insgesamt denke ich an eine Entlastung von etwa fünf Milliarden Euro. Das ist realistisch. Woher soll man die nehmen? In erster Linie aus der Struktur – aber es braucht auch eine Vereinfachung des Steuersystems. Länder und Bund müssen an einem Strang ziehen.
Gibt es eigentlich Steuerhoheiten, die Sie lieber bei den Ländern sehen würden? Mit der Körperschaftsteuer könnte ich mir das gut vorstellen. Damit erzeugt man Wettbewerb, und das ist in Summe auch für den Bund gut. Wenn die Länder die Hoheit über die Körperschaftsteuer hätten, würde das den Wirtschaftsstandort attraktivieren.
Justizminister Josef Moser hat eine Kompetenzbereinigung zwischen Ländern und Bund präsentiert. Zufrieden? Die Landeshauptleutekonferenz hat dem schon im Sommer in groben Zügen zugestimmt. Was klar ist: Aufgrund der verschiedenen Gegebenheiten brauchen die Bundesländer Flexibilität. Darum ist es wichtig, viel in die Hände der Länder zu geben. Das Vertrauen der Menschen in die Landespolitik ist auch deutlich höher als ihr Vertrauen in den Bund. Das sollte man nützen.
Mosers Intention war wohl eher eine gegenteilige. Das Entscheidende sollte aber sein: Was bringt dem Bürger mehr?
Gibt es Kompetenzen, die Sie an den Bund abgeben wollen? Ich finde es klug, dass der Datenschutz nun auf Bundesebene gehoben wird. Ich fände es aber auch gut, wenn Denkmalschutz und Kulturbereich in die Verantwortung der Länder kämen.
Was heißt das? Dass die Bundesinstitutionen beim Bund bleiben und alle anderen Kunst- und Kulturagenden zu den Ländern übertragen werden.
Wie geht es eigentlich mit der Mindestsicherung weiter? Klar ist, dass es dringend eine Lösung baucht. Und wenn in den nächsten Wochen nichts kommt, werden die Länder selbst Initiativen setzen.
(ÖVP) ist seit April 2017 Landeshauptfrau von Niederösterreich. Zuvor war die Mutter von zwei Töchtern Finanzlandesrätin Niederösterreichs und von 2011 bis 2016 österreichische Innenministerin. MiklLeitner wurde 1964 geboren und wuchs in Großharras in Niederösterreich auf. Sie studierte Wirtschaftspädagogik. Oberösterreichs ÖVP-Landeshauptmann, Thomas Stelzer, will dem Fachkräftemangel entgegenwirken, indem Arbeitskräfte im EU-Ausland angeworben werden. Wie will Niederösterreich seine Probleme lösen? Wir haben in allen Bundesländern Fachkräftemangel. In Niederösterreich werden wir ab Jänner eine Lehrlingsoffensive starten – mit 48 Millionen Euro so viel wie nie zuvor. Zudem muss Geld in die Qualifizierung von Asylberechtigten fließen. Sie leben hier, und es ist unsere Verantwortung, sie fit für den Arbeitsmarkt zu machen, damit sie bald ein selbstbestimmtes Leben führen können.
Brauchen wir Zuwanderung? Wenn qualifizierte, dann ja.
Vielleicht wird man Sie als ehemalige Innenministerin bald im BVT-U-Ausschuss sehen. Die Opposition will ein schwarzes Netzwerk aufdecken. Gibt es das? Das kenne ich wirklich nur aus den Zeitungen. Ich habe dort in meiner Zeit Mitarbeiter erlebt, die sich in schwierigen Zeiten der Flüchtlingskrise oder bei Terrorlagen nationales und internationales Renommee erarbeitet haben. Daher hoffe ich, dass das von der Justiz ohne Druck von außen aufgeklärt wird.