Die Presse

Zwei Jahre mehr Zeit für Übergang

Britischer Austritt. EU-Chefverhan­dler Barnier bietet London eine Verlängeru­ng der Übergangsp­hase bis Ende 2022 an. An den grundlegen­den Problemen ändert dies nichts.

- VON OLIVER GRIMM UND WOLFGANG BÖHM

EU-Chefverhan­dler Barnier bietet London eine Verlängeru­ng der Übergangsp­hase bis Ende 2022 an. An den grundlegen­den Problemen ändert dies nichts.

Theresa Mays beste politische Freunde sitzen in diesen schweren Tagen nicht in London, sondern in Brüssel. Michel Barnier, der Chefverhan­dler der Union in Sachen britischer EU-Austritt, warf der einem möglichen Misstrauen­svotum in Parlament in Westminste­r entgegenzi­tternden Premiermin­isterin am Montag einen weiteren Rettungsri­ng zu. Er schlug den 27 Europamini­stern der Mitgliedst­aaten vor, die Übergangsp­hase nach dem Stichtag 29. März 2019 um zwei Jahre von Ende 2020 auf Ende 2022 zu verlängern. Das würde es Unternehme­n und Behörden erleichter­n, die unzähligen rechtliche­n und administra­tiven Änderungen umzusetzen, welche das Ende der britischen Vollmitgli­edschaft in der Union mit sich brächte, erklärte Barnier.

Seitens der Europäer dürfte es keinen Widerstand gegen so eine Verlängeru­ng der Übergangsz­eit geben. Während dieser Phase soll das Vereinigte Königreich als Ganzes nur mehr Teil einer Zollunion mit der EU sein. Die Provinz Nordirland bliebe darüber hinaus so weit wie möglich in den Binnenmark­t eingebunde­n. Dies sollte das Entstehen neuer Grenzkontr­ollen auf der irischen Insel vorerst vermeiden, was fatale Folgen für die irische und die nordirisch­e Volkswirts­chaft sowie den politische­n Friedenspr­ozess zwischen Katholiken und Protestant­en hätte.

Doch an den fundamenta­len Problemen der Abwicklung des Brexit ändert diese Fristerstr­eckung nichts. Denn die Über- gangsfrist kann es nur geben, wenn es ein Austrittsa­bkommen zwischen London und Brüssel gibt. Dieses wiederum hängt mit der politische­n Einigung über das künftige Verhältnis zwischen EU und Großbritan­nien zusammen.

Da spießt es sich weiterhin. Denn in Mays konservati­ver Partei, aber auch bei den opposition­ellen Sozialiste­n, gibt es nur eine Minderheit, welche nach 2022 auf Basis der Zollunion ein neues Kapitel mit der EU aufschlage­n wollte. Die Zollunion hindert London nämlich daran, nach Gutdünken Freihandel­sabkommen mit dem Rest der Welt zu schließen: Weder könnten die Briten niedrige Zölle anbieten als die EU, noch laxere Regeln für deren Berechnung, und wenn die EU Sanktionen wegen Dumping über einen Drittstaat verhängt, muss London mitziehen.

Zudem widerstreb­t Spanien der Entwurf des Austrittsa­bkommens. Außenminis­ter Josep Borrell erklärte am Montag, ein Artikel über den Status von Gibraltar sei in der derzeitige­n Form inakzeptab­el. Jegliches Abkommen über das künftige Verhältnis müsse klarstelle­n, dass es nicht für Gibraltar gelte, weil dies nicht Teil des Vereinigte­n Königreich­s sei.

In Wien wiederum erhöht nach der Liste Pilz (die sich fortan „Jetzt“nennt) die SPÖ den Druck auf die Bundesregi­erung, ihre Vorbereitu­ngen für einen Hard Brexit (also einen ohne Abkommen) offen zu legen. SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner und ihr Stellvertr­eter Jörg Leichtfrie­d haben Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) aufgeforde­rt, dem Nationalra­t Rede und Antwort zu stehen. Sie drängten in einem Brief an Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka auf eine Erklärung des Kanzlers zum Brexit. Die Bundesregi­erung hat bisher im Gegensatz zur EU-Kommission ihre Vorbereitu­ngen zu einem chaotische­n Ausscheide­n Großbritan­niens aus der Union nicht öffentlich gemacht. Die Opposition­sparteien befürchten, dass es keine konkreten Vorbereitu­ngen gibt.

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[ Reuters ] Boris Johnson (hier in seinem Garten bei Oxford) hat sich den Rebellen gegen May (noch) nicht öffentlich angeschlos­sen.

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