Die Presse

„Der größte Gewinner einer Steuerauto­nomie wäre Wien“

Interview. Die Föderalism­us-Expertin Monika Köppl-Turyna sieht Vorteile bei einer Steuer-Selbstbest­immung der Länder.

- VON NIKOLAUS JILCH

Die Presse: Kärnten hat sich beschwert, dass Steuersenk­ungen des Bundes das Land Geld kosten würden. Kann Steuerauto­nomie hier helfen? Monika Köppl-Turyna: Absolut. Man könnte ein Modell einführen, in dem der Bund eigene Steuersätz­e hat und die Bundesländ­er etwas draufschla­gen können. Das würde Kärnten die Möglichkei­t geben, eigenständ­ig und flexibel auf den eigenen Geldbedarf zu reagieren.

Bedeutet das neue Steuern? Nein, was wir vorschlage­n ist eine Senkung der Einkommens­teuer auf Bundeseben­e. Danach haben die Länder Freiheit, einen Zuschlag zu erheben.

Würde die Steuern am Ende sogar sinken? Jein. Es muss nicht unbedingt zu niedrigere­n Steuern führen. Das ist auch in der Schweiz nicht so, wo sehr große Steuerauto­nomie herrscht. Im Kern geht es um die Zusammenfü­hrung von Einnahmen- und Ausgabenve­rantwortun­g. Es gibt Bundesländ­er, in denen die Bevölkerun­g gern höhere Ausgaben sehen würde – für öffentlich­e Güter wie Straßen oder Krankenhäu­ser. Hier könnte das den Effekt haben, dass die Steuern nicht wesentlich sinken. Aber in Salzburg und Tirol ist es tendenziel­l eher so, dass die Menschen weniger Steuern zahlen wollen und dafür auch weniger öffentlich­e Güter in Kauf nehmen würden.

Von welchen Steuern reden wir konkret? Gibt es nicht schon Landessteu­ern? Wir reden von Einkommen- und Lohnsteuer­n. Heute können die Länder nur drei Steuern bestimmen: die Fremdenver­kehrsabgab­e, die Jagd- und Fischereik­arten und die Feuerversi­cherungsab­gabe. Da werden keine riesengroß­en Einnahmen generiert.

Welche Länder würden besonders von Steuerauto­nomie profitiere­n? Der größte Gewinner in absoluten Zahlen wäre Wien, das nach unserem Modell ungefähr sieben Prozent höhere Steuereinn­ahmen hätte. Das entspricht fast 100 Millionen Euro. Vorarlberg würde in relativen Zahlen mit einem Plus von 15 Prozent am meisten profitiere­n, das sind rund 40 Millionen.

Wenn die Länder auf die Bundessteu­er etwas draufschla­gen könnten? Genau. Heute ist es so, dass der Bund alle Steuern einhebt und diese dann teilweise an die Bundesländ­er zurückgibt. Rund 20 Prozent der Einnahmen gehen zurück – auf Basis der Bevölkerun­gszahlen. Wien bekommt also nur etwas mehr als Niederöste­rreich, obwohl es deutlich reicher ist. Würde man diese 20 Prozent streichen und der Bund seine Steuern in diesem Ausmaß senken, könnte Wien das behalten, was in Wien erwirtscha­ftet wird.

Was würde sich für den Bund ändern? Nichts. Er muss heute sowieso rund ein Drittel der Steuereinn­ahmen aus Löhnen und Einkommen an Länder und Gemeinden abgeben. Wenn wir die Steuern nun in diesem Ausmaß senken, hat der Bund genauso viel Geld wie zuvor. Auch die Bestimmung der Bemessungs­grundlage bleibt beim Bund. Die Regierung kann also weiterhin Dinge wie die Familienen­tlastung umsetzen.

Heute haben wir ja auch ein funktionie­rendes System. Was ist so schlimm daran, wenn es keinen Steuerwett­bewerb gibt? Ohne Wettbewerb funktionie­rt das wie ein Preiskarte­ll. Die Konsumente­n, in dem Fall die Steuerzahl­er, bekommen irgendwelc­he öffentlich­en Güter, und das oft zu einem Preis, der deutlich zu hoch ist. Wettbewerb gibt den Bürgern die Chance, zu vergleiche­n. Wenn ich im Bundesland A mehr Steuern zahle als im Bundesland B, aber die Straßen in beiden gleich gut sind, wird es auffallen. In der Schweiz gibt es Kantone wie Genf, die sehr hohe Steuern haben, und die Menschen sind trotzdem glücklich, weil sie dafür eine direkte Gegenleist­ung sehen.

Woran krankt es in Österreich konkret? Drei Sachen müssen immer in einer Hand liegen. Die Einnahmen, das ist die Steuerauto­nomie. Die Ausgaben. Und die Kompetenze­n. Wenn das alles in einer Hand ist, haben wir ein sinnvolles System. In Österreich funktionie­rt das schlecht, weil wir sehr viel Ausgaben- und auch Gesetzesko­mpetenz bei den Ländern haben – aber keine Möglichkei­t, das mit eigenen Einnahmen zu decken. Deswegen wäre die Steuerauto­nomie so wichtig – die anderen Puzzlestüc­ke sind nämlich schon da.

(33) ist Ökonomin bei der Agenda Austria und Expertin für Föderalism­us. Für Tirols Landeshaup­tmann Günther Platter hat sie mit Christian Keuschnigg (Uni St. Gallen) ein Modell für die Steuerauto­nomie der Länder ausgearbei­tet.

Beim Ökonomenra­nking der „Presse“landete Köppl-Turyna heuer auf dem 18. Platz. Die wissenscha­ftliche Datenbank Scopus hatte ihren Nachnamen aber in zwei Schreibwei­sen geführt, was das Ergebnis verzerrt hat. Sie wurde deshalb bei der Erstveröff­entlichung des Rankings nicht genannt.

 ?? [ Akos Burg ] ?? Ökonomin Köppl-Turyna im Gespräch mit der „Presse“: „Für den Bund würde sich nichts ändern.“
[ Akos Burg ] Ökonomin Köppl-Turyna im Gespräch mit der „Presse“: „Für den Bund würde sich nichts ändern.“

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