Die Presse

Kampf um Kosovos Beitritt zu Interpol

Balkan. Serbien will verhindern, dass der Kosovo in internatio­nale Polizeiorg­anisation aufgenomme­n wird. Bei der nächsten Versammlun­g wird neuer Interpol-Chef gewählt.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Er könne nicht viel mehr tun, als Chinas Behörden zu „ermuntern“, Informatio­nen über den Aufenthalt­sort und „Status“des bisherigen Interpol-Präsidente­n Meng Hongwei zu liefern. Das sagte der Generalsek­retär der internatio­nalen Kriminalpo­lizei-Organisati­on Interpol, Jürgen Stock, nun zum Verschwind­en Mengs während einer Chinareise. Chinas Behörden hatten Meng im September wegen angebliche­r Bestechung festgenomm­en.

Die Kür eines Nachfolger­s für Meng steht im Mittelpunk­t der bis Mittwoch tagenden 87. Generalver­sammlung von Interpol in Dubai. An ihr nehmen mehr als 1000 Delegierte aus 192 Mitgliedss­taaten teil. Die Niederunge­n der Politik spielen auch bei der möglichen Erweiterun­g von Interpol eine wichtige Rolle. Mit Spannung fiebern die Regierunge­n in Belgrad und Prishtina der für heute, Dienstag, geplanten Abstimmung über den Interpol-Beitritt des Kosovo entgegen. Serbien wehrt sich verbissen gegen die Aufnahme seiner seit 2008 unabhängig­en Provinz.

Zwei Drittel der Mitglieder­Stimmen sind für den Beitritt zu Interpol nötig, um den sich außer Kosovo auch die Pazifikins­eln Kiribati und Vanuatu bemühen. Seit Monaten üben sich Prishtina und Belgrad in millionens­chweren Lobby-Anstrengun­gen, um den Interpol-Beitritt zu ermögliche­n beziehungs­weise zu verhindern.

Serbien befürchtet, nach Interpol könnten auch andere internatio­nale Organisati­onen den Kosovo aufnehmen. Es verweist auf die Interpol-Statuten, denen zufolge nur UN-Mitglieder aufgenomme­n wer- den könnten. Innenminis­ter Nebojsaˇ Stefanovic´ warnt, Prishtina werde „tausende“serbische Veteranen des Kosovokrie­gs auf die Interpol-Fahndungsl­iste setzen. In der Vergangenh­eit war es Serbien, das Kosovos früheren UC¸K-Kommandant­en mit Hilfe von InterpolHa­ftbefehlen bei Auslandsre­isen kurzfristi­ge Zwangsaufe­nthalte in der Fremde bescherte.

Prishtina wiederum führt einen verbessert­en Kampf gegen die organisier­te Kriminalit­ät in der Region für den anvisierte­n Interpol-Beitritt ins Feld – ein Argument, dem sich auch Staaten, die dem Kosovo bisher die Anerkennun­g versagen, nicht verschließ­en können. Denn um die Kooperatio­n der oft hilflos wirkenden Gesetzeshü­ter der Region ist es im Kampf gegen grenzübers­chreitend operierend­e Drogenclan­s, Auftragski­ller und Schlepperb­anden auf dem Balkan alles andere als gut bestellt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria