Sozialversicherung: Droht neue Ungleichbehandlung?
Arbeitslosenversicherung: Eine Neuregelung soll freiwillig versicherte Selbstständige entlasten. Gewinner wären aber nicht nur Geringverdiener, kritisieren die Neos und orten eine neue Ungerechtigkeit.
Arbeitnehmer müssen arbeitslosenversichert sein, Selbstständige können auf freiwilliger Basis in die Arbeitsversicherung hineinoptieren. Wer aber als Selbstständiger ein niedriges Einkommen hat, ist von der Beitragshöhe her im Vergleich zu Dienstnehmern im Nachteil. Eine Neuregelung soll das nun ändern – könnte aber, wie die Neos monieren, zu einer neuen Ungleichbehandlung mit umgekehrten Vorzeichen führen.
Selbstständige können bei der Beitragsgrundlage zwischen drei Stufen wählen: ein Viertel, die Hälfte oder drei Viertel der GSVG-Höchstbeitragsgrundlage. Der zu leistende Beitrag beträgt für sie jedoch immer – unabhängig vom tatsächlichen Einkommen – sechs Prozent der gewählten Grundlage. Bei unselbstständiger Erwerbstätigkeit macht der Beitrag grundsätzlich ebenfalls sechs Prozent aus: jeweils drei Prozent für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. In voller Höhe fällt er aber – laut einer seit Juli geltenden Neuregelung – erst ab einem Monatsverdienst von 1948 Euro an. Bis 1648 Euro ist überhaupt nur der Arbeitgeberanteil zu zahlen, bis 1798 Euro müssen Arbeitnehmer zusätzlich ein Prozent und bis zur 1948-EuroSchwelle zwei Prozent berappen.
Die von den Koalitionsparteien vorgeschlagene Neuregelung, die in der Vorwoche den Sozialausschuss passierte und am kommenden Donnerstag im Nationalrat behandelt werden soll, sieht nun auch für freiwillig arbeitslosenversicherte Selbstständige eine Beitragsreduktion von sechs auf drei Prozent vor, und zwar dann, wenn sie in die niedrigste Stufe von einem Viertel der Höchstbemessungsgrundlage hineinoptiert haben.
In dieser Stufe müssten sie demnach nicht mehr, wie derzeit, 89,78 Euro monatlich zahlen, sondern nur noch 44,89 Euro. Gelten soll das rückwirkend ab Juli. Den Anpassungsbedarf auf- gezeigt hatte eine parlamentarische Anfrage der Neos, bei deren Beantwortung Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) die bestehende Ungleichbehandlung zwischen Selbstständigen und Unselbstständigen bestätigte und eine Neuregelung in Aussicht stellte. Über den nunmehrigen Vorschlag zeigt sich Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker denn auch „grundsätzlich erfreut“, kritisiert jedoch die konkrete Ausgestaltung: Sie führe dazu, dass nicht nur geringverdienende Selbstständige entlastet werden, sondern dass auch solche mit Spitzenverdienst von der Beitragssenkung profitieren könnten. Nämlich dann, wenn sie in die niedrigste Stufe hineinoptiert haben. Besserverdienende Arbeitnehmer können das nicht.
Die Neos brachten einen eigenen Entschließungsantrag ein, der eine Beitragsreduktion für Selbstständige nur dann vorsieht, wenn ihre tatsächliche Beitragsgrundlage entsprechend niedrig ist – wenn sie also wirklich Geringverdiener sind. Im Sozialausschuss fand dieser Vorschlag jedoch keine Mehrheit.
Kritik an der geplanten Gesetzesänderung kam indes auch von der SPÖ: Sie kritisierte, dass Selbstständigen eine freiwillige Versicherung „de facto kostenfrei“angeboten werden solle, während Arbeitnehmer die vollen Beiträge zahlen müssen. Sozialministerin Hartinger-Klein verteidigt die geplante Regelung: Selbstständige würden „nie null zahlen“, sondern auch in der niedrigsten Grundlagenstufe drei Prozent. Und wer in diese Stufe hineinoptiere, erhalte bei Arbeitslosigkeit auch nur eine geringe Leistung.
Faktisch ist die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige (noch) ein Minderheitenprogramm. Laut der Anfragebeantwortung haben seit ihrer Einführung 2009 bis zum 30. April 2018 nur 2342 SVA-Versicherte entsprechende Anträge gestellt, 1246 haben die niedrigste Grundlagenstufe gewählt.