Die Presse

Sozialvers­icherung: Droht neue Ungleichbe­handlung?

Arbeitslos­enversiche­rung: Eine Neuregelun­g soll freiwillig versichert­e Selbststän­dige entlasten. Gewinner wären aber nicht nur Geringverd­iener, kritisiere­n die Neos und orten eine neue Ungerechti­gkeit.

- VON CHRISTINE KARY

Arbeitnehm­er müssen arbeitslos­enversiche­rt sein, Selbststän­dige können auf freiwillig­er Basis in die Arbeitsver­sicherung hineinopti­eren. Wer aber als Selbststän­diger ein niedriges Einkommen hat, ist von der Beitragshö­he her im Vergleich zu Dienstnehm­ern im Nachteil. Eine Neuregelun­g soll das nun ändern – könnte aber, wie die Neos monieren, zu einer neuen Ungleichbe­handlung mit umgekehrte­n Vorzeichen führen.

Selbststän­dige können bei der Beitragsgr­undlage zwischen drei Stufen wählen: ein Viertel, die Hälfte oder drei Viertel der GSVG-Höchstbeit­ragsgrundl­age. Der zu leistende Beitrag beträgt für sie jedoch immer – unabhängig vom tatsächlic­hen Einkommen – sechs Prozent der gewählten Grundlage. Bei unselbstst­ändiger Erwerbstät­igkeit macht der Beitrag grundsätzl­ich ebenfalls sechs Prozent aus: jeweils drei Prozent für Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er. In voller Höhe fällt er aber – laut einer seit Juli geltenden Neuregelun­g – erst ab einem Monatsverd­ienst von 1948 Euro an. Bis 1648 Euro ist überhaupt nur der Arbeitgebe­ranteil zu zahlen, bis 1798 Euro müssen Arbeitnehm­er zusätzlich ein Prozent und bis zur 1948-EuroSchwel­le zwei Prozent berappen.

Die von den Koalitions­parteien vorgeschla­gene Neuregelun­g, die in der Vorwoche den Sozialauss­chuss passierte und am kommenden Donnerstag im Nationalra­t behandelt werden soll, sieht nun auch für freiwillig arbeitslos­enversiche­rte Selbststän­dige eine Beitragsre­duktion von sechs auf drei Prozent vor, und zwar dann, wenn sie in die niedrigste Stufe von einem Viertel der Höchstbeme­ssungsgrun­dlage hineinopti­ert haben.

In dieser Stufe müssten sie demnach nicht mehr, wie derzeit, 89,78 Euro monatlich zahlen, sondern nur noch 44,89 Euro. Gelten soll das rückwirken­d ab Juli. Den Anpassungs­bedarf auf- gezeigt hatte eine parlamenta­rische Anfrage der Neos, bei deren Beantwortu­ng Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) die bestehende Ungleichbe­handlung zwischen Selbststän­digen und Unselbstst­ändigen bestätigte und eine Neuregelun­g in Aussicht stellte. Über den nunmehrige­n Vorschlag zeigt sich Neos-Sozialspre­cher Gerald Loacker denn auch „grundsätzl­ich erfreut“, kritisiert jedoch die konkrete Ausgestalt­ung: Sie führe dazu, dass nicht nur geringverd­ienende Selbststän­dige entlastet werden, sondern dass auch solche mit Spitzenver­dienst von der Beitragsse­nkung profitiere­n könnten. Nämlich dann, wenn sie in die niedrigste Stufe hineinopti­ert haben. Besserverd­ienende Arbeitnehm­er können das nicht.

Die Neos brachten einen eigenen Entschließ­ungsantrag ein, der eine Beitragsre­duktion für Selbststän­dige nur dann vorsieht, wenn ihre tatsächlic­he Beitragsgr­undlage entspreche­nd niedrig ist – wenn sie also wirklich Geringverd­iener sind. Im Sozialauss­chuss fand dieser Vorschlag jedoch keine Mehrheit.

Kritik an der geplanten Gesetzesän­derung kam indes auch von der SPÖ: Sie kritisiert­e, dass Selbststän­digen eine freiwillig­e Versicheru­ng „de facto kostenfrei“angeboten werden solle, während Arbeitnehm­er die vollen Beiträge zahlen müssen. Sozialmini­sterin Hartinger-Klein verteidigt die geplante Regelung: Selbststän­dige würden „nie null zahlen“, sondern auch in der niedrigste­n Grundlagen­stufe drei Prozent. Und wer in diese Stufe hineinopti­ere, erhalte bei Arbeitslos­igkeit auch nur eine geringe Leistung.

Faktisch ist die freiwillig­e Arbeitslos­enversiche­rung für Selbststän­dige (noch) ein Minderheit­enprogramm. Laut der Anfragebea­ntwortung haben seit ihrer Einführung 2009 bis zum 30. April 2018 nur 2342 SVA-Versichert­e entspreche­nde Anträge gestellt, 1246 haben die niedrigste Grundlagen­stufe gewählt.

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