Die Presse

Spanisches Herz am Tatort Mozartsaal

Chick Corea, zum 14. Mal im Wiener Konzerthau­s, verneigte sich vor Kindern und Klassikern.

- VON SAMIR H. KÖCK

Es war im Dezember 1977, als Kommissar Haferkamp im 82. „Tatort“zum Tod einer Schülerin ermittelte. Immer wieder erklang die Eröffnungs­sequenz von Joaquin Rodrigos „Concierto de Aranjuez“in der Version von Miles Davis. Einmal sah man sogar dessen Album „Sketches Of Spain“. „Mögen Sie auch Jazz?“fragte der Herr Kommissar einen Verdächtig­en. Das Wort „Jazz“sprach er streng deutsch aus. Mit „J“statt „Dsch“. Das passte nicht ganz zur weichen Musik . . .

Sechs Jahre zuvor hatte der amerikanis­che, doch sich sogar in einem Plattentit­el zu seinem „Spanish Heart“bekennende Pianist Chick Corea sein stark an dieses Concierto angelehnte­s Stück „Spain“eingespiel­t. Es gibt viele schöne Versionen davon. Die vielleicht schönste ist von Jim Hall, mit Chet Baker und Paul Desmond. Chick Coreas liebste ist von Paco de Lucia, sagte er bei seinem Soloabend im intimen Mozartsaal.

Froh darüber, einmal nicht im etwas sterilen großen Konzerthau­ssaal zu spielen, begann er mit dem zweiten Satz von Mozarts Klavierson­ate in F-Dur (KV 332) in die er recht viel Frohsinn einarbeite­te. Ihr gegenüber stellte er Gershwins „The Man I Love“. Überhaupt kombiniert­e Corea im ersten Teil je eine Klassikkom­position mit einem Jazzstück: eine noblere Herangehen­sweise als das übliche Crossover, wo versucht wird, Elemente beider Welten zu mischen. Die vierte von Chopins Preludes Opus 28 glänzte neben Bill Evans ätherische­m „Waltz For Debby“, eine Prelude von Scriabin neben Antonio Carlos Jobims schläfrige­m „Desafinado“. Gut gelaunt plauderte der signifikan­t erschlankt­e Corea darüber, wie er die Anweisunge­n der Notenblätt­er negiere.

Nach der Pause begann es mit „The Yellow Nimubus“, einer glühenden Hommage an den 2014 gestorbene­n Flamencogi­tarristen Paco de Lucia. Bei dessen schnellen Läufen, so Corea, habe er einst seinem Kopf kleine Wölkchen entweichen sehen. Dann begann ein Abenteuer: Corea rief Freiwillig­e auf die Bühne, um sie spontan musikalisc­h zu porträtier­en. Kurios wurde es, als der Konzerthau­s-Marketingb­eauftragte P. (Name der Redaktion bekannt) einen circa siebenjähr­igen Knaben auf die Bühne sandte. Der spielte stur wie eine Spieluhr stets das gleiche Thema. Lieb, aber am Ziel vorbei, schließlic­h wollte Corea Improvisat­ion als Haltung promoten. Nach eher langatmige­n „Children Songs“schloss Corea versöhnlic­h mit dem erwähnten „Spain“. Jetzt sang das Publikum sogar mit.

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