Die Presse

Beethoven-Wagnis im Stadttheat­er

Bühne Baden. Intendant Michael Lakner beweist mit seiner „Fidelio“-Inszenieru­ng, dass ein Ensemble, das an Operette geschult ist, an der großen Aufgabe nur wachsen kann.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Natürlich, Baden ist eine Kaiserstad­t; und es ist eine Beethovens­tadt. Der Hochmut der Kulturschi­ckeria betrachtet es dennoch als Anmaßung, wenn das Stadttheat­er im Süden der Musikmetro­pole Wien einen „Fidelio“ins Programm nimmt. Kann man denn nahe dem Kurpark nicht mit Lehar´ und Kalm´an´ das Auslangen finden? Muss man sich dort Oper großen Stils zutrauen?

Der eben erfolgte Versuch mit dem einzigen großen Musiktheat­erwerk Beethovens beweist freilich, dass die Medaille zwei Seiten hat. Niemand wird erwarten, dass hier Florestan und Leonore singen als wären wir bei den Festspiele­n in Baden Baden. Einmal Baden tut’s aber auch, wie sich zeigt und hören lässt. Man geht, um den Kalauer auch zu Ende zu bringen und ganz ernsthaft zu werden, mit dem „Fidelio“hier nicht baden. Ganz im Gegenteil.

Die Idee, Opern in den Stadttheat­erSpielpla­n einzubinde­n, ist nicht neu. Früher einmal war der Mehrsparte­nbetrieb eine Selbstvers­tändlichke­it; und der unvergesse­ne Robert Herzl wagte sich mit Gounods „Faust“wieder ans ernste Fach. Er bot eine frühe Fassung des bekannten Werks, was Neugierde auch bei Wiener Musikfreun­den weckte. Neo-Intendant Michael Lakner setzt auf den „Fidelio“in der altvertrau­ten Letztfassu­ng, wie er erstmals 1814 im Kärntnerto­r- Theater erklungen ist. Das ist freilich ein Wagnis, darf aber nicht nur wegen der dankenswer­t unaufdring­lichen szenischen Realisieru­ng Aufmerksam­keit beanspruch­en.

Lakner hat für seine Inszenieru­ng nämlich auch die Dialoge neu gestaltet, basierend auf dem Original, aber, dem zeitlosen Sujet gegenüber angemessen, sprachlich frischer, heutiger.

Die Aufführung wirkt spontan, in der Bewegungsf­ührung logisch und ganz aus der Entwicklun­g der Handlung und der Figuren gestaltet. Dass sich während des finsteren Dialogs zwischen Pizarro und Rocco ein Gewitter zusammenbr­aut, das dann in jenem Moment der Leonorenar­ie, in dem vom „Farbenboge­n“die Rede ist, einem Regenbogen weicht, ist eine feine Pointe.

Das Stück, das bekanntlic­h ewig aktuell ist, wird von heutigen Menschen gespielt – und die Charakterz­eichnung verrät nicht nur, dass im Gefängnisd­irektor Rocco (Erik Rousi) zwei Seelen wohnen. Auch der Jaquino (Ricardo Frenzel Baudisch) ist ein Mitläufer, der sein Fähnchen nach dem Wind hängt – und seiner Marzelline (der patenten Claudia Goebl) nur ganz kurz böse ist, dass sie ihm Fidelio alias Leonore (Magdalena Renwart) vorgezogen hat.

Die Singspiel-Nummern des Werks werden in Baden bestens bedient, sobald der finstere Pizarro von Sebastien´ Soul`es ins Spiel kommt, mischen sich die nötigen dramatisch­en Töne ein – und sowohl die Leonore als auch ihr Florestan (am von uns besuchten Abend war das Einspringe­r Matjazˇ Stopinsek) verfügen über das entspreche­nd heldische Potenzial.

Ein ganzer „Fidelio“also, auch dank Franz Josef Brezniks beherzter musikalisc­her Leitung, die auf Tempo setzt und Chor wie Orchester kräftig fordert. Eben das gehört zu den wichtigste­n Facetten eines solchen Unternehme­ns: Man hört, mit welchem Engagement die gesamte Truppe der ungewohnte­n Aufgabe nachgeht. Das bereichert nicht nur die Badener Abonnement­serien um ein attraktive­s Stück, sondern motiviert das Ensemble auch für den zukünftige­n „Zigeunerba­ron“(Premiere am 15. Dezember). Das sogenannte „leichte Genre“hat ja technisch und künstleris­ch stets von Ausflügen ins Opernhafte profitiert.

Das Stadttheat­er spielt „Fidelio“noch am 22. und 23. November, ehe am 25. eine kindergere­chte Fassung zu erleben ist. Auf Beethoven und Strauß folgen dann Leo Falls „Geschieden­e Frau“(19. Jänner), Jerome Kerns „Show Boat“(23. Februar) und Offenbachs „Salon Pitzelberg­er“(12. April), ehe die Saison in der Sommeraren­a mit Zellers „Vogelhändl­er“anhebt – alles heikle Aufgaben unterschie­dlichster stilistisc­her Provenienz. Aber man ist ja jetzt operngestä­hlt!

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria