Beethoven-Wagnis im Stadttheater
Bühne Baden. Intendant Michael Lakner beweist mit seiner „Fidelio“-Inszenierung, dass ein Ensemble, das an Operette geschult ist, an der großen Aufgabe nur wachsen kann.
Natürlich, Baden ist eine Kaiserstadt; und es ist eine Beethovenstadt. Der Hochmut der Kulturschickeria betrachtet es dennoch als Anmaßung, wenn das Stadttheater im Süden der Musikmetropole Wien einen „Fidelio“ins Programm nimmt. Kann man denn nahe dem Kurpark nicht mit Lehar´ und Kalm´an´ das Auslangen finden? Muss man sich dort Oper großen Stils zutrauen?
Der eben erfolgte Versuch mit dem einzigen großen Musiktheaterwerk Beethovens beweist freilich, dass die Medaille zwei Seiten hat. Niemand wird erwarten, dass hier Florestan und Leonore singen als wären wir bei den Festspielen in Baden Baden. Einmal Baden tut’s aber auch, wie sich zeigt und hören lässt. Man geht, um den Kalauer auch zu Ende zu bringen und ganz ernsthaft zu werden, mit dem „Fidelio“hier nicht baden. Ganz im Gegenteil.
Die Idee, Opern in den StadttheaterSpielplan einzubinden, ist nicht neu. Früher einmal war der Mehrspartenbetrieb eine Selbstverständlichkeit; und der unvergessene Robert Herzl wagte sich mit Gounods „Faust“wieder ans ernste Fach. Er bot eine frühe Fassung des bekannten Werks, was Neugierde auch bei Wiener Musikfreunden weckte. Neo-Intendant Michael Lakner setzt auf den „Fidelio“in der altvertrauten Letztfassung, wie er erstmals 1814 im Kärntnertor- Theater erklungen ist. Das ist freilich ein Wagnis, darf aber nicht nur wegen der dankenswert unaufdringlichen szenischen Realisierung Aufmerksamkeit beanspruchen.
Lakner hat für seine Inszenierung nämlich auch die Dialoge neu gestaltet, basierend auf dem Original, aber, dem zeitlosen Sujet gegenüber angemessen, sprachlich frischer, heutiger.
Die Aufführung wirkt spontan, in der Bewegungsführung logisch und ganz aus der Entwicklung der Handlung und der Figuren gestaltet. Dass sich während des finsteren Dialogs zwischen Pizarro und Rocco ein Gewitter zusammenbraut, das dann in jenem Moment der Leonorenarie, in dem vom „Farbenbogen“die Rede ist, einem Regenbogen weicht, ist eine feine Pointe.
Das Stück, das bekanntlich ewig aktuell ist, wird von heutigen Menschen gespielt – und die Charakterzeichnung verrät nicht nur, dass im Gefängnisdirektor Rocco (Erik Rousi) zwei Seelen wohnen. Auch der Jaquino (Ricardo Frenzel Baudisch) ist ein Mitläufer, der sein Fähnchen nach dem Wind hängt – und seiner Marzelline (der patenten Claudia Goebl) nur ganz kurz böse ist, dass sie ihm Fidelio alias Leonore (Magdalena Renwart) vorgezogen hat.
Die Singspiel-Nummern des Werks werden in Baden bestens bedient, sobald der finstere Pizarro von Sebastien´ Soul`es ins Spiel kommt, mischen sich die nötigen dramatischen Töne ein – und sowohl die Leonore als auch ihr Florestan (am von uns besuchten Abend war das Einspringer Matjazˇ Stopinsek) verfügen über das entsprechend heldische Potenzial.
Ein ganzer „Fidelio“also, auch dank Franz Josef Brezniks beherzter musikalischer Leitung, die auf Tempo setzt und Chor wie Orchester kräftig fordert. Eben das gehört zu den wichtigsten Facetten eines solchen Unternehmens: Man hört, mit welchem Engagement die gesamte Truppe der ungewohnten Aufgabe nachgeht. Das bereichert nicht nur die Badener Abonnementserien um ein attraktives Stück, sondern motiviert das Ensemble auch für den zukünftigen „Zigeunerbaron“(Premiere am 15. Dezember). Das sogenannte „leichte Genre“hat ja technisch und künstlerisch stets von Ausflügen ins Opernhafte profitiert.
Das Stadttheater spielt „Fidelio“noch am 22. und 23. November, ehe am 25. eine kindergerechte Fassung zu erleben ist. Auf Beethoven und Strauß folgen dann Leo Falls „Geschiedene Frau“(19. Jänner), Jerome Kerns „Show Boat“(23. Februar) und Offenbachs „Salon Pitzelberger“(12. April), ehe die Saison in der Sommerarena mit Zellers „Vogelhändler“anhebt – alles heikle Aufgaben unterschiedlichster stilistischer Provenienz. Aber man ist ja jetzt operngestählt!