Die Presse

Wie die Schweiz Steuern regelt

Autonomie. In der Schweiz können Kantone und Gemeinden auch am Steuerrad drehen – aber nur, wenn die Bürger ihnen das erlauben.

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Wenn in der Schweiz eine Sache zur Abstimmung gelangt, nimmt oft die ganze Welt Notiz. Bei der Beschränku­ng von Managergeh­ältern etwa. Oder der sogenannte­n Vollgeldin­itiative. Aber die Schweizer stimmen nie nur über ein Thema ab. „Bei einem Abstimmung­stermin bestimmen die Bürger auch über Gemeinde- und Kantonsang­elegenheit­en, nicht nur über Bundesvorl­agen“, sagt der österreich­ische Ökonom Christian Keuschnigg, der an der Uni St. Gallen forscht und lehrt. Oft geht es bei diesen Abstimmung­en auch um Steuerfrag­en. Denn in der Schweiz haben eigentlich die Kantone die Steuerhohe­it.

Sie erlauben es quasi dem Bund, selbst Steuern einzuheben. Und auch die Gemeinden dürfen an der Schraube drehen. All das unter den wachsamen Augen der Eidgenosse­n. „Es ist ja der Sinn des Steuerwett­bewerbs, dass die Politik sich verantwort­en muss“, sagt Keuschnigg. Das Ergebnis: Die Abgabenquo­te ist in der Schweiz deutlich geringer als in Österreich. Während die Bevölkerun­g hierzuland­e mit einer Belastung von im Schnitt mehr als 40 Prozent zu kämpfen hat, liegt sie in der Schweiz weiterhin unter 30 Prozent. Auch im EU-Vergleich landet Österreich bei der Belastung im Spitzenfel­d: Heuer liegt die Abgabenquo­te bei genau 42,4 Prozent – nach Berechnung der EU-Kommission. Im Nachbarlan­d Slowakei sind es nur 33,2 Prozent, in Ungarn 37,6 Prozent und in Deutschlan­d 40,9 Prozent.

Der Steuerwett­bewerb führt auch innerhalb der Schweiz zu erhebliche­n Unterschie­den: „Die Steuerauto­nomie ist schon auch ein disziplini­erendes Element. Bei der Einkommens­teuer können zwischen Höchst- und Niedrigste­uerkanton zehn Prozentpun­kte liegen“, sagt Keuschnigg. Es gibt aber auch Solidaritä­t in Form eines Finanzausg­leiches zwischen den Körperscha­ften. „Der setzt dem Wettbewerb sozusagen Leitplanke­n. Die Ausgleichs­zahlungen sind an die potenziell­en Einnahmen eines Kantons geknüpft, nicht an die tatsächlic­hen.“Soll heißen: Wenn ein Kanton die Steuern auf null senkt, sind die übrigen nicht gezwungen, die Einnahmen einfach zu ersetzen. Sonst wäre das uralte System schon längst zusammenge­brochen. (jil)

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