Das große Aussterben, aber Naturund Artenschutz sind kein Thema
Unsere Regierung befindet sich mit ihrem Ausblenden wichtiger Überlebensthemen in schlechter Gesellschaft.
Ü ber eine „Regierung der Schande“schrieb ich zuletzt im Zusammenhang mit dem verweigerten UN-Migrationspakt. Zugegeben etwas übertrieben, viele Protestmails waren die Folge. Man sollte Kommentare eben nicht mit heißer Feder schreiben. Und man sollte anerkennen, dass es unsere Regierung mit Schwung und Kante versucht. Freilich stolpert sie dabei allzu oft über ihre meist blauen Füße. Wie die meisten anderen Regierungen dieser Welt schafft sie es aber nicht, die ständig zunehmenden, sich beschleunigenden Herausforderungen wirksam anzugehen.
Wie andere Regierungen auch ist sie zu langsam mit Fokusthemen wie in den 1960er-Jahren. Das spült weltweit Rechtspopulisten an die Macht. Diese wissen bekanntlich, wie es geht, und bedienen damit vor allem jene Leute, die meinen, dass früher alles besser war. Nostalgie statt Zukunftsbewältigung, Nationalismus statt Vereinigte Staaten von Europa.
So finden Themen des langfristigen Überlebens nur ungenügend Beachtung. Wir sind gerade dabei, jene Reste der Natur- und Lebensräume zu verbrauchen, die wir eigentlich für unsere Kinder und Enkel bewahren müssten. Die Flächenversiegelung schreitet hurtig voran, Flüsse werden nicht renaturiert, sie bekommen kaum jene Flächen zurück, die wir als Überschwemmungsgebiete dringend brauchten. Stattdessen wird symbolisch das Staatsziel Wirtschaft dem Umweltschutz gleichgesetzt. Als könne man immer noch aus dem Vollen schöpfen. Aber unsere Naturräume sind bereits weitgehend in Kulturland umgewandelt. Und das wird immer intensiver bewirtschaftet, die teils noch vor Jahrzehnten existierende Artenvielfalt verschwindet. Es ist fünf nach zwölf. Dennoch geht das Bauen, Versiegeln und Bewirtschaften ungebremst weiter.
So sank in den letzten 30 Jahren die Häufigkeit von Fluginsekten auf etwa ein Drittel, und viele dieser Arten starben aus. Das wird in den kommenden Jahrzehnten ein Verschwinden jener Tier- und Pflanzenarten nach sich ziehen, die auf diese Insekten angewiesen sind. In kürzester Zeit vernichten wir damit jene unglaubliche Explosion der Artenvielfalt, die Ende des Erdmittelalters mit der Koevolution von Insekten und Blütenpflanzen begann; sie brachte letztlich auch uns Menschen hervor. W ir sägen heute massiver denn je am eigenen Ast, vernichten jene Ökologie, die zumindest den Funken einer Chance bedeuten könnte, die bald zehn Milliarden Menschen nachhaltig zu ernähren. Im verzweifelten Alarmruf ihrer „Stuttgarter Resolution“verlangte eben eine hochkarätige Expertenrunde unter anderem eine rasche Einschränkung des Pestizideinsatzes, eine Extensivierung der Landwirtschaft, mehr Artenvielfalt im Grünland, die Pflege von Schutzgebieten, die Eindämmung der Lichtverschmutzung, eine Förderung von Wildbestäubern sowie mehr Forschung, Bildung und Öffentlichkeitsarbeit.
Genau das wurde übrigens im letzten bayrischen Wahlkampf unter dem Eindruck des Dürresommers diskutiert. Dort gewannen die Grünen stark dazu. Die Bundesgrünen hierzulande dagegen verrieten die Natur und flogen daher zu Recht aus dem Parlament. Unsere Regierung befindet sich mit ihrem konsequenten Ausblenden wichtiger Überlebensthemen in schlechter Gesellschaft mit anderen Ländern. Zugunsten eines Wohlstands auf tönernen Füßen verspielen wir gerade eine lebenswerte Zukunft.