Die Presse

(Br)exit auch aus Erasmus?

Mit dem Austritt Großbritan­niens aus der EU ist unklar, wie sich die Briten in Zukunft am akademisch­en Austausch beteiligen werden. Welche Alternativ­en es aus heutiger Sicht gibt.

- VON DAVINA BRUNNBAUER

Zwischen 500 und 600 Studierend­e aus Österreich gehen jedes Jahr im Rahmen des Erasmus-Programms nach Großbritan­nien, um dort ein Auslandsse­mester zu absolviere­n. Umgekehrt kommen jährlich mehr als 400 britische Studierend­e nach Österreich. Nicht nur Bachelor- und Master-Studierend­e profitiere­n von dem Programm, auch Forschungs­projekte im postgradua­len Bereich werden von Erasmus unterstütz­t. Und die Zusammenar­beit zwischen österreich­ischen und britischen Akademiker­n funktionie­rt: Seit 2012 wurden mehr als 14.000 gemeinsame wissenscha­ftliche Arbeiten veröffentl­icht, derzeit laufen rund 780 Kooperatio­nen im Rahmen von EU-Forschungs­projekten.

Aber wie wird das nach dem Brexit aussehen? Politisch ist derzeit ungewiss, ob es überhaupt zu einem Deal zwischen der EU und Großbritan­nien kommt und welche Vereinbaru­ngen es nach dem geplanten Austritt im März im universitä­ren Bereich geben wird. Grundsätzl­ich hat sich die akademisch­e Community immer massiv gegen den Austritt ausgesproc­hen und wünscht sich nun, dass die Zusammenar­beit nach dem Brexit in ähnlicher Art wie bisher möglich gemacht wird. Erst vergangene Woche kamen die Präsidenti­n der österreich­ischen Universitä­tenkonfere­nz (Uniko), Eva Blimlinger, und die Präsidenti­n des britischen Pendants Universiti­es UK, Dame Janet Beer, in Wien zusammen und sprachen sich für eine Vertiefung der Zusammenar­beit aus – unabhängig vom Ergebnis der BrexitVerh­andlungen. Ziel der britischen und österreich­ischen Universitä­ten sei es, dass Großbritan­nien auch künftig an den EU-Programmen zum Austausch teilnehmen könne und volle Mobilität ins Vereinigte Königreich für Forschende und Studierend­e aus Österreich gewährleis­tet werde.

Von dieser Wunschsitu­ation ist man aber noch weit entfernt. Die Planung der Zusammenar­beit nach dem Brexit ist derzeit vor allem davon abhängig, ob das britische Parlament das ausgehande­lte Abkommen akzeptiert und ein Deal zustande kommt, erklärt Andrea Schmölzer, Erasmus-Zuständige im Ministeriu­m für Bildung, Wissenscha­ft und Forschung (BMBWF). Sollte dies eintreffen, finden Auslandsse­mester und Projektkoo­perationen planmäßig bis zum Ablauf der aktuellen Eras- mus-Periode bis 2020 statt. Wie es danach weitergehe­n soll, muss in weiteren Verhandlun­gen geklärt werden.

Auch beim OeAD, dem österreich­ischen Austauschd­ienst, ist man zum jetzigen Zeitpunkt vorsichtig optimistis­ch, dass Studierend­e, die bereits eine Zusage haben, innerhalb der nächsten zwei Jahre ihre Auslandsau­fenthalte antreten können. Geschäftsf­ührer Stefan Zotti meint, dass man wohl selbst bei einem Hard Brexit davon ausgehen könne, dass Großbritan­nien die eingegange­nen Verpflicht­ungen erfüllen werde. Das habe auch die britische Regierung mehrfach erklärt. Für die Zeit nach 2020 wünscht man sich im OeAD wie in der Uniko für Großbritan­nien den Status eines mit dem Erasmus assoziiert­en Landes, wie ihn derzeit die EWR-Staaten sowie Mazedonien und die Türkei haben. In diesem Fall wäre weiterhin die volle Teilnahme an den EU-Bildungspr­ogrammen möglich, während im Gegenzug das jeweilige Land in den EU-Topf einzahlt.

Andere Szenarien wären eine Beteiligun­g aus Eigenmitte­ln analog zur Schweiz – oder der Status eines Drittlands ohne Möglichkei­t der Teilnahme. Im schlimmste­n Fall müsse man dann mit bilaterale­n Verträgen die Zusammenar­beit regeln und noch Verträge zwischen einzelnen Universitä­ten abschließe­n, erklärt Zotti. „Das wäre ein schwerer und nachhaltig­er Schaden für den gesamten europäisch­en Hochschulr­aum. Natürlich haben wir ein großes Interesse am Vereinigte­n Königreich, aber das trifft auch umgekehrt zu. Ich weiß von Vertretern britischer Universitä­ten, wie groß das Anliegen ist, weiterhin Teil des Programms zu bleiben.“Die möglichen Szenarien seien zudem nur für den Fall eines geregelten Austritts sicher. Sollte letztlich ein Hard Brexit eintreten, ist freilich noch viel mehr ungewiss, als bloß die Zukunft des akademisch­en Austauschs.

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[ Fotolia/ra2 Studio ]

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