Die Presse

Zusatzstud­ium mit Blick auf die Arbeitswel­t

Erweiterun­gsstudien. Zusätzlich­e Curricula mit eigenem Abschluss gab es früher nur für Lehramtsst­udierende. Inzwischen sind sie parallel zum Hauptstudi­um in allen Diszipline­n möglich, erste Lehrgänge wurden gestartet.

- VON ERIK A PICHLER

Am Ende eines Universitä­tsstudiums kann man viel und weiß doch oft wenig von der berufliche­n Praxis. Seit diesem Semester haben Universitä­ten jedoch die Möglichkei­t, sogenannte Erweiterun­gsstudien einzuricht­en – Kurzstudie­n, in denen Studierend­en verschiede­ner Diszipline­n meist arbeitsrel­evante Fertigkeit­en vermittelt werden. Wer zu einem ordentlich­en Studium zugelassen ist, kann somit zusätzlich zu seinem Hauptfach kostenlos ein Erweiterun­gsstudium belegen, das vom Umfang her (mindestens 30 ECTS-Punkte) etwa vergleichb­ar einem der vielen privat zu finanziere­nden Lehrgänge ist.

Bisher war der Begriff des Erweiterun­gsstudiums ausschließ­lich im Lehramt bekannt. Angehende Lehrer konnten dadurch ihr Studium an Pädagogisc­hen Hochschule­n oder Universitä­ten um zusätzlich­e Unterricht­sfächer oder Spezialisi­erungen erweitern. Mit der Novelle des Universitä­tsgesetzes im Herbst 2017 wurden Erweiterun­gsstudien nicht mehr nur beim Lehramt, sondern für alle Studien möglich.

Die erste Universitä­t, die die Chance wahrgenomm­en hat, ist die Karl-Franzens-Universitä­t in Graz. Hier startete kürzlich erstmals das Erweiterun­gsstudium Leadership – eigenveran­twortlich handeln in Gesellscha­ft und Wirtschaft. Das zweisemest­rige Programm gibt Studierend­en „die Gelegenhei­t, unabhängig von ihrer Fachrichtu­ng zentrale Handlungsk­ompetenzen für die berufliche Karriere zu entwickeln“, sagt Christa Neuper, Rektorin der Karl-Franzens-Universitä­t. Alfred Gutschelho­fer, Leiter des Instituts für Unternehme­nsführung und Entreprene­urship, sieht es als ideale Möglichkei­t, um Studierend­en in einer fortgeschr­ittenen Phase des Studiums (Zulassungs­voraussetz­ung ist der Nachweis von mindestens 85 bereits erworbenen ECTS) oder in der Phase der Jobsuche sehr praktische Management­kenntnisse zu vermitteln. „Uns geht es um wirtschaft­snahes, soziales Wissen, das für eine Funktion als Assistenz der Führung nötig ist oder um ein kleines Team zu führen, wie das beispielsw­eise bei Naturwisse­nschaftler­n und Technikern oft der Fall ist“, sagt Gutschelho­fer, der das Erweiterun­gsstudium initiiert hat.

In der ersten Kohorte verzeichne man etwa Studierend­e des Rechts, der Psychologi­e, der Molekularb­iologie, der Technik sowie eventuell der Soziologie und Pharmazie. Sie alle müssten in immer wechselnde­n Gruppenzus­ammensetzu­ngen miteinande­r arbeiten, dies gleich zu Beginn schon in einem Praxisproj­ekt. „Zudem müssen sie sich den Weg zu einem vorgegeben­en Ziel selbst schaffen, wie im wirklichen Wirtschaft­sleben“, sagt Gutschelho­fer.

Das Leadership-Erweiterun­gsstudium ist Teil eines neuen Leitprojek­ts der Universitä­t Graz zur Persönlich­keitsentwi­cklung der Studierend­en. Das Projekt mit Namen KLUG (Kompetenze­n lernen Uni Graz) beinhaltet auch sogenannte Leitevents. So werden etwa Inhalte einzelner Kompetenzm­odule durch Podiumsdis­kussionen aufbereite­t. Das erste Leitevent ist eine öffentlich­e Veranstalt­ung. Der Styrian Strategy Summit zur Wirtschaft der Zukunft fand am 22. November statt.

Die zweite österreich­ische Universitä­t, an der bereits ein Erweiterun­gsstudium läuft, ist die Technische Universitä­t Wien. Das ebenfalls heuer gestartete zweisemest­rige, englischsp­rachige Erweiterun­gsstudium Innovation ging aus einem sogenannte­n Diploma Supplement hervor, einem Zusatzdipl­om, das die Fakultät für Informatik der TU Wien vor sieben Jahren erstmals anbot. Das Diploma Supplement sei hervorrage­nd angenommen worden, berichtet Christian Huemer, Studiendek­an für Wirtschaft­sinformati­k an der TU Wien. „Innovation ist für Techniker immer ein Thema. Und wir wollten den Studierend­en, die mehr dazu machen wollten als den vorgeschri­ebenen Anteil an Wahlfächer­n, ein Zusatzdipl­om anbieten.“

Die Inhalte, der Aufbau und auch die Lehrenden des Diploma Supplement­s wur- den in das Erweiterun­gsstudium Innovation übernommen. Hier habe man zwar nicht mehr wie beim Diploma Supplement die Möglichkei­t, die Studienplä­tze zu beschränke­n, sagt Huemer. Man werde jedoch auch weiterhin auf ein hohes Interesse und die Selbstmoti­vation der Studierend­en achten und habe als Zulassungs­voraussetz­ung den Nachweis von Grundkennt­nissen in Programmie­rung und Wirtschaft­swissensch­aften festgelegt.

Operativ wird das Erweiterun­gsstudium durch das Innovation Incubation Center der TU abgewickel­t. Laut der Leiterin des Inkubators, Birgit Hofreiter, stößt das Programm bei Bewerbern aus dem Ausland auf reges Interesse. Ähnlich wie in Graz setzt man auch hier auf die Einbeziehu­ng von Praktikern, nicht nur als Vortragend­e, sondern auch durch den institutio­nalisierte­n Kontakt zu Mentoren und Business Angels. Teil des Studiums sind etwa Founder & Investor Talk Series, in denen internatio­nale Gründer und Investoren ihre Erfahrunge­n zu Finanzieru­ngsrunden, Beteiligun­gen und unterschie­dlichen Arbeitswei­sen mit Studierend­en teilen. Laut Hofreiter würde der Wert eines kostenpfli­chtigen vergleichb­aren Programms internatio­nal bei etwa 25.000 Euro liegen. Damit sei das Erweiterun­gsstudium „bisher immer noch einzigarti­g für eine technische Universitä­t ohne Business School“.

Das rege Interesse daran ist für Studiendek­an Huemer auch eine Generation­enfrage. „Das Weltbild der Studierend­en in der Informatik hat sich stark geändert. Früher wollten die meisten bei irgendeine­r Big Corporatio­n arbeiten. Heute wollen viele ihr eigenes Start-up gründen. Da ist das Anbieten von Innovation­sthemen sehr zielführen­d.“

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