Zusatzstudium mit Blick auf die Arbeitswelt
Erweiterungsstudien. Zusätzliche Curricula mit eigenem Abschluss gab es früher nur für Lehramtsstudierende. Inzwischen sind sie parallel zum Hauptstudium in allen Disziplinen möglich, erste Lehrgänge wurden gestartet.
Am Ende eines Universitätsstudiums kann man viel und weiß doch oft wenig von der beruflichen Praxis. Seit diesem Semester haben Universitäten jedoch die Möglichkeit, sogenannte Erweiterungsstudien einzurichten – Kurzstudien, in denen Studierenden verschiedener Disziplinen meist arbeitsrelevante Fertigkeiten vermittelt werden. Wer zu einem ordentlichen Studium zugelassen ist, kann somit zusätzlich zu seinem Hauptfach kostenlos ein Erweiterungsstudium belegen, das vom Umfang her (mindestens 30 ECTS-Punkte) etwa vergleichbar einem der vielen privat zu finanzierenden Lehrgänge ist.
Bisher war der Begriff des Erweiterungsstudiums ausschließlich im Lehramt bekannt. Angehende Lehrer konnten dadurch ihr Studium an Pädagogischen Hochschulen oder Universitäten um zusätzliche Unterrichtsfächer oder Spezialisierungen erweitern. Mit der Novelle des Universitätsgesetzes im Herbst 2017 wurden Erweiterungsstudien nicht mehr nur beim Lehramt, sondern für alle Studien möglich.
Die erste Universität, die die Chance wahrgenommen hat, ist die Karl-Franzens-Universität in Graz. Hier startete kürzlich erstmals das Erweiterungsstudium Leadership – eigenverantwortlich handeln in Gesellschaft und Wirtschaft. Das zweisemestrige Programm gibt Studierenden „die Gelegenheit, unabhängig von ihrer Fachrichtung zentrale Handlungskompetenzen für die berufliche Karriere zu entwickeln“, sagt Christa Neuper, Rektorin der Karl-Franzens-Universität. Alfred Gutschelhofer, Leiter des Instituts für Unternehmensführung und Entrepreneurship, sieht es als ideale Möglichkeit, um Studierenden in einer fortgeschrittenen Phase des Studiums (Zulassungsvoraussetzung ist der Nachweis von mindestens 85 bereits erworbenen ECTS) oder in der Phase der Jobsuche sehr praktische Managementkenntnisse zu vermitteln. „Uns geht es um wirtschaftsnahes, soziales Wissen, das für eine Funktion als Assistenz der Führung nötig ist oder um ein kleines Team zu führen, wie das beispielsweise bei Naturwissenschaftlern und Technikern oft der Fall ist“, sagt Gutschelhofer, der das Erweiterungsstudium initiiert hat.
In der ersten Kohorte verzeichne man etwa Studierende des Rechts, der Psychologie, der Molekularbiologie, der Technik sowie eventuell der Soziologie und Pharmazie. Sie alle müssten in immer wechselnden Gruppenzusammensetzungen miteinander arbeiten, dies gleich zu Beginn schon in einem Praxisprojekt. „Zudem müssen sie sich den Weg zu einem vorgegebenen Ziel selbst schaffen, wie im wirklichen Wirtschaftsleben“, sagt Gutschelhofer.
Das Leadership-Erweiterungsstudium ist Teil eines neuen Leitprojekts der Universität Graz zur Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden. Das Projekt mit Namen KLUG (Kompetenzen lernen Uni Graz) beinhaltet auch sogenannte Leitevents. So werden etwa Inhalte einzelner Kompetenzmodule durch Podiumsdiskussionen aufbereitet. Das erste Leitevent ist eine öffentliche Veranstaltung. Der Styrian Strategy Summit zur Wirtschaft der Zukunft fand am 22. November statt.
Die zweite österreichische Universität, an der bereits ein Erweiterungsstudium läuft, ist die Technische Universität Wien. Das ebenfalls heuer gestartete zweisemestrige, englischsprachige Erweiterungsstudium Innovation ging aus einem sogenannten Diploma Supplement hervor, einem Zusatzdiplom, das die Fakultät für Informatik der TU Wien vor sieben Jahren erstmals anbot. Das Diploma Supplement sei hervorragend angenommen worden, berichtet Christian Huemer, Studiendekan für Wirtschaftsinformatik an der TU Wien. „Innovation ist für Techniker immer ein Thema. Und wir wollten den Studierenden, die mehr dazu machen wollten als den vorgeschriebenen Anteil an Wahlfächern, ein Zusatzdiplom anbieten.“
Die Inhalte, der Aufbau und auch die Lehrenden des Diploma Supplements wur- den in das Erweiterungsstudium Innovation übernommen. Hier habe man zwar nicht mehr wie beim Diploma Supplement die Möglichkeit, die Studienplätze zu beschränken, sagt Huemer. Man werde jedoch auch weiterhin auf ein hohes Interesse und die Selbstmotivation der Studierenden achten und habe als Zulassungsvoraussetzung den Nachweis von Grundkenntnissen in Programmierung und Wirtschaftswissenschaften festgelegt.
Operativ wird das Erweiterungsstudium durch das Innovation Incubation Center der TU abgewickelt. Laut der Leiterin des Inkubators, Birgit Hofreiter, stößt das Programm bei Bewerbern aus dem Ausland auf reges Interesse. Ähnlich wie in Graz setzt man auch hier auf die Einbeziehung von Praktikern, nicht nur als Vortragende, sondern auch durch den institutionalisierten Kontakt zu Mentoren und Business Angels. Teil des Studiums sind etwa Founder & Investor Talk Series, in denen internationale Gründer und Investoren ihre Erfahrungen zu Finanzierungsrunden, Beteiligungen und unterschiedlichen Arbeitsweisen mit Studierenden teilen. Laut Hofreiter würde der Wert eines kostenpflichtigen vergleichbaren Programms international bei etwa 25.000 Euro liegen. Damit sei das Erweiterungsstudium „bisher immer noch einzigartig für eine technische Universität ohne Business School“.
Das rege Interesse daran ist für Studiendekan Huemer auch eine Generationenfrage. „Das Weltbild der Studierenden in der Informatik hat sich stark geändert. Früher wollten die meisten bei irgendeiner Big Corporation arbeiten. Heute wollen viele ihr eigenes Start-up gründen. Da ist das Anbieten von Innovationsthemen sehr zielführend.“