Die Presse

Der Manager und der Aktivist

Aktivistis­che Aktionäre nehmen auch in Europa zu. Doch was haben Kleinanleg­er davon?

- VON HEDI SCHNEID

Ob Paul Singer Fußball mag, ist nicht bekannt. Man kann jedoch darauf wetten, dass der Gründer des US-Hedgefonds Elliott, der im Sommer den AC Milan kaufte, mehr will, als nur ein paar Spiele des italienisc­hen Traditions­klubs aus der VIP-Loge zu verfolgen. Spieler und Manager des einstigen Champions-LeagueGewi­nners können sich schon warm anziehen, nicht nur wegen des Winters.

Aber nicht nur die Mailänder Kicker sehen bewegten Zeiten entgegen: Von der Telecom Italia über Stada, Fortum, Hyundai, BHP Billiton, Arconic, VW und Celesio bis zu Samsung und ThyssenKru­pp reicht die – unvollstän­dige – Liste der Unternehme­n, die Bekanntsch­aft mit Singer und Elliott machten. Von Harmonie war und ist kaum die Rede: Singer, der den wenig liebevolle­n Spitznamen „Geier“trägt, ist einer der gefürchtet­sten Investoren, ein sogenannte­r aktivistis­cher Aktionär.

Auf den ersten Blick klingt das gar nicht so übel – schließlic­h gibt es genügend Anleger, die sich wenig bis gar nicht um ihr Portfolio kümmern und nicht einmal zur Hauptversa­mmlung erscheinen. Dennoch: Was nach Dynamik klingt, nach Kenntnisse­n über Marktmecha­nismen und Unternehme­nsstrategi­en, ist nicht immer gut. So dürfte die Freude manches Kleinanleg­ers, der den Wert seines Thyssen-Pakets in den vergangene­n Monaten schwinden sah, verfrüht gewesen sein, als Singer heuer beim deutschen Stahlkonze­rn einstieg.

Denn der Kurs fällt, Vorstandsv­orsitzende­r und Aufsichtsr­atspräside­nt haben das Handtuch geworfen und das deutsche Industrief­laggschiff im Chaos hinterlass­en. Ob das neue Management das Ru- der herumreiße­n kann, wird sich erst zeigen.

War das die Absicht von Singer/Elliott und dem schwedisch­en Investor Cevian, einem der umtriebigs­ten aktivistis­chen Investoren Europas? Kaum anzunehmen, aber noch ist deren Strategie nicht klar. Interessan­t nur, dass Singer seit Wochen verdächtig ruhig ist.

Die Vorgangswe­ise bei Thyssen entspricht genau der aktivistis­cher Aktionäre. Sie nehmen ein suboptimal aufgestell­tes, auf dem Markt unterbewer­tetes Unternehme­n ins Visier, steigen per Minderheit­sbeteiligu­ng günstig ein und drängen auf eine Neuausrich­tung und/oder Aufspaltun­g. Die Teile, so ihr Kalkül, sind mehr wert als das Ganze. Mischkonze­rne stehen im Vordergrun­d.

Dabei sind die Aktivisten nicht zimperlich und führen Manager gehörig vor, sodass sich diese wie Marionette­n fühlen. Fremdund nicht mehr selbstbest­immt. Ulrich Lehner, inzwischen ausgeschie­dener Chefkontro­llor bei Thyssen, sprach von „Psychoterr­or“.

Dem wollte sich Peter Ulber, Verwaltung­sratspräsi­dent des Schweizer Logistiker­s Panalpina, nicht länger aussetzen. Er zog nach heftiger Kritik von Cevian zu Interessen­konflikten vorige Woche die Konsequenz und kündigte seinen Rücktritt an.

Nicht alle geben nach, wobei ihr Widerstand noch größere Turbulenze­n auslösen dürfte. So geschah es am vergangene­n Wochenende bei der Telecom Italia: Dort hat Elliott (wer sonst?) gegen den Willen des Hauptaktio­närs, Vivendi, den Konzernche­f Amos Genish nach einem heftigen Streit um die Strategie geschasst und – ebenfalls gegen Vivendi – Luigi Gubitosi als neuen starken Mann installier­t. Nun ruft Genish zur Aktionärsr­evolte auf und will eine außerorden­tliche Hauptversa­mmlung durchsetze­n. Dort soll es zur Abstimmung über die Strategie kommen. Soll nur einer sagen, Aktionärst­reffen seien langweilig und das Beste sei das Buffet. Der 72-jährige Lehner hält es für „unangebrac­ht“, als Aktionär den Rücktritt des Chefs zu fordern. Aber ist es das wirklich? Die Zeiten haben sich geändert – auch auf dem Börsenpark­ett. Das heiße aber nicht, dass alles erlaubt sei, sagt Klaus Umek. „So lange schütteln, bis alles zerfällt“, so beschreibt der Gründer und Chef der Investment­gesellscha­ft Petrus Advisers nicht ohne Zynismus die Methode der „Geier“, die er selbst nicht für zielführen­d hält. „Wir sind nicht aktivistis­ch, sondern aktiv und engagiert“, betont er. Was das heißt? „Wir schauen darauf, dass Unternehme­n Geld nicht verschwend­en.“Während Aktivismus bei börsenotie­rten Unternehme­n in den USA weitverbre­itet ist, wobei Namen wie Singer oder Carl Icahn das Geschehen prägen, und auch in Deutschlan­d zunehmend solche Investoren auftreten, ist Umek hierzuland­e der Einzige. Das habe nicht nur mit der geringen Größe des Markts zu tun – Deutschlan­ds Finanzmark­t sei 25-mal größer. Auch die auf Harmonie ausgericht­ete Kultur spiele eine Rolle: Jeder kenne jeden, keiner wolle anecken.

Aber auch hierzuland­e sieht Umek ein Betätigung­sfeld, es gebe genügend Firmen, in denen Potenzial brachliege. „Es kommt auf die Wortwahl an“, sagt er. Wer laut, aggressiv und bedrohlich agiere, ruiniere nicht nur den Ruf der Branche. Er werde nichts erreichen – außer ein Desaster, das zumeist Kursverlus­te nach sich ziehe.

Wahl der Waffen entscheide­t

Wenn man hingegen Vertrauen erzeuge und offen sage, was man in und mit einem Unternehme­n vorhabe, dann profitiert­en alle Aktionäre. Die „Wahl der Waffen“mache also den Erfolg aus. Darauf sollen Kleinanleg­er achten, wenn sie Aktien kaufen.

Und den kann Umek bei einigen Firmen vorweisen: Flughafen Wien, Conwert, Buwog, Immofinanz und nun CA Immo – überall dort hat er den Managern auf die Finger geklopft. Weniger mit spektakulä­ren Attacken als mit Fakten, wie er selbst betont. So etwa hat er die geplante Fusion von Immofinanz und CA Immo bekämpft – erfolgreic­h. „Seit eineinhalb Jahren hat die Immofinanz-Aktie um 25 Prozent zugelegt.“

Jetzt nimmt er wieder die CA Immo aufs Korn: Umek vermisst nicht nur beim neuen Großaktion­är Starwood die Strategie, er wirft auch Firmenchef Andreas Quint „Trägheit und geringen Weitblick“bei Zukäufen vor, wie er in einem Brief an den Aufsichtsr­at schreibt. Petrus macht ein Potenzial der Aktie von 38 Euro aus. Sie erreichte heuer maximal 32,56 Euro, um bis jetzt auf 28 Euro abzurutsch­en. Vor drei Jahren kostete sie allerdings noch 16,6 Euro.

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