Grüne Nachfolge
Heute entscheidet sich, wer Maria Vassilakou als Chef der Grünen in Wien nachfolgen wird.
In wenigen Stunden fällt die Entscheidung über die Zukunft der Wiener Grünen und auch der ersten rot-grünen Koalition auf Landesebene in Österreich: Ab 17 Uhr beginnt heute, Montag, die Auszählung der Stimmkarten – 3397 grüne Parteimitglieder und Sympathisanten („Registrierte Wähler“) durften über die Nachfolge der grünen Frontfrau Maria Vassilakou entscheiden. Und damit auch über den künftigen Kurs der Wiener Grünen – mit allen Auswirkungen auf die Wiener Rathauskoalition.
Fünf sehr unterschiedliche Kandidatinnen und Kandidaten sind angetreten, das Ergebnis des äußerst komplexen Wahlmodus wird in der Nacht auf Dienstag erwartet. Nachdem erstmals Sympathisanten mitwählen dürfen, die keine Parteimitglieder sind, ist der Ausgang der Wahl unkalkulierbar. „Die Presse“bringt deshalb einen Überblick, wohin sich die Wiener Grünen unter welchem Kandidaten entwickeln.
Peter Kraus. Der politische Ziehsohn von Maria Vassilakou würde als Vizebürgermeister und Stadtrat die Politik Vassilakous nahtlos fortschreiben. Der 31-Jährige zählt zum Realo-Flügel der Partei, positionierte sich im parteiinternen Wahlkampf als Signal eines Generationenwechsels und wird von Vassilakou und dem grünen Pla- nungssprecher Christoph Chorherr massiv unterstützt. Bis zuletzt galt er als leichter Favorit für Vassilakous Nachfolge. Denn zu hören ist, dass der LGBT-Aktivist, der seit 2013 Wiener Sprecher der Grünen Andersrum ist, vor allem in seiner Community enorm viele Sympathisanten mobilisieren konnte.
Realo gegen linken Flügel
Inhaltlich stand Kraus immer im Schatten von Vassilakou und hat sich bis jetzt noch kein klares Profil mit Ecken und Kanten erarbeiten können. Wie er unter großem Druck als grüner Spitzenkandidat bei der entscheidenden WienWahl 2020 reagieren würde, ist daher offen. Jedenfalls gilt er als Pragmatiker, der noch heute das umstrittene Hochhausprojekt am Heumarkt verteidigt, das die Wiener Grünen gespalten hat.
Unter Kraus ist der Fortbestand von Rot-Grün fix gesichert. Selbst wenn die SPÖ unter Bürgermeister Michael Ludwig von weit links deutlich mehr in die Mitte rückt, was zu rot-grünen Konflikten führt (Stichwort: Mindestsicherung). Kraus dürfte dasselbe Regierungsmotto haben wie Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl, der einst erklärt hatte: „Opposition ist Mist.“
David Ellensohn. Der grüne Klubobmann, politische Routinier und Heumarkt-Gegner („Zustimmung war ein Fehler“) fährt im innerparteilichen Wahlkampf einen sehr kanti- gen Kurs. Auch gegen den roten Koalitionspartner. Unter Ellensohn würden die Grünen deutlich weiter nach links rücken – zumindest sozialpolitisch. Statt Radwegen, „Refugees-Welcome“und Gender-Fragen würden die Grünen unter seiner Führung stärker auf Antikorruptionsthemen und linke Sozialpolitik wie die Frage von günstigen Wohnungen setzen. Inhaltlich ähnelte Ellensohns Linie im grüninternen Wahlkampf in etwa jener von Peter Pilz, als dieser noch bei den Grünen war. Ellensohn ist klar für die Weiterführung von Rot-Grün in Wien – aber nicht um jeden Preis. Rote Linien hat er dazu bereits definiert: Falls die SPÖ die Abschaffung der erhöhten Mindestsicherung für Kinder beschließt, sei das das Ende von RotGrün, hatte er erklärt.
Birgit Hebein. Die grüne Sozialsprecherin im Wiener Gemeinderat ist die große Unbekannte im Rennen um die Vassilakou-Nachfolge. Parteiintern gilt sie als Vertreterin des Links-außen-Flügels der Grünen und ist (in der Vergangenheit) öffentlich bisher kaum aufgefallen. Allerdings hatte die ausgebildete Sozialarbeiterin jegliche Änderung bei der Wiener Mindestsicherung verhindert, welche die SPÖ noch unter Bürgermeister Michael Häupl und Stadträtin Sandra Frauenberger durchsetzen wollte – indem sie das zur Koalitionsfrage erklärte. Hebein gilt als kompromisslos, wenn es um Sozialpolitik geht, und würde die Grünen dort vorrangig positionieren. Mit ihr wäre die Zukunft von Rot-Grün allerdings am unsichersten, nachdem Ludwig den sogenannten WienBonus (Bevorzugung von in Wien lebenden Menschen gegenüber neu Zuziehenden) auch auf den Sozialbereich ausweiten will. Hier sind Konflikte programmiert.
Bei rein parteiinternen Wahlen würde sie (wie Kraus) wahrscheinlich David Ellensohn unterliegen. Allerdings ist zu hören, dass sie im Bereich von NGOs extrem stark mobilisieren konnte und auch ihre Unterstützungserklärungen für die Kandidatur in Rekordzeit aufstellen konnte.
Marihan Abensperg
Traun. Die Ärztin und Quereinsteigerin ist in der Partei kaum verankert und gilt als chancenlos. Es ist für sie schon ein Erfolg, dass sie die notwendigen 100 Unterschriften erreicht hat, die für die Kandidatur notwendig sind.
Benjamin Kaan.
Kaan ist Bezirksrat in Meidling und war Mitarbeiter von Ulrike Lunacek im EU-Parlament. Er hat allerdings keine große Wahlkampfmaschine hinter sich und gilt als völliger Außenseiter. Wie sich die Grünen unter seiner Führung verändern würden, ist (wie bei Abensperg-Traun) nicht prognostizierbar. Beide sind politisch völlig unbeschriebene Blätter.