Straßenschlachten in Paris bringen Macron unter Druck
Frankreich. Nach Zusammenstößen in Paris wächst die Kritik am Präsidenten. Er will am Dienstag verhandeln.
Die prächtigste Geschäftsstraße von Paris, die Avenue des Champs-E´lyse´es, bot am Sonntag trotz der ganzen glitzernden Weihnachtsdekoration ein desolates Bild. Überall sind noch die Spuren der Krawalle bei einer unbewilligten Kundgebung der „Gelbwesten“gegen die Treibstoffpreise am Vortag zu sehen: Verbrannte Reste von Barrikaden aus Abschrankungen und Baumaterial, Löcher in der Straße, aus der Pflastersteine herausgerissen worden sind, Brandspuren auch auf einigen Fassaden, und manchmal riecht man sogar noch das Tränengas. Rund dreißig Personen wurden bei den Ausschreitungen festgenommen.
Viele der „Gilets Jaunes“– der Gelbwesten –, die zur Verteidigung ihrer meist sehr bescheidenen Kaufkraft aus ihrer Provinz in die Hauptstadt gekommen waren, sind ebenso konsterniert über die Ausschreitungen wie die Geschäftsleute, die bereits über eine Katastrophe für den Tourismus und die beginnenden Weihnachtsverkäufe jammern.
Alle machen rechts- und linksradikale Provokateure oder Randalierer verantwortlich. Und die meisten werfen der Staatsführung vor, die Gewalt und die Verwüstungen auf der Champs-E´lyse´es entweder vorsätzlich in Kauf genommen zu haben, um die Bewegung in Verruf zu bringen, oder aus Unfähigkeit nicht verhindert zu haben. Die Kritik richtet sich auch direkt gegen den Staatspräsidenten Emmanuel Macron, dessen Rücktritt die Demonstranten fordern.
Barrikaden auf der Prachtstraße
Das Ausmaß der Zusammenstöße, die von den Nachrichtensendern des Landes zum Schrecken der Zuschauer live übertragen wurden, haben Macron zu einem Kommentar auf Twitter veranlasst. Er ist empört, doch zuerst gilt sein Dank den Polizisten, die auf Befehl von oben die Demonstration stoppen mussten. Sie wurden deswegen mit Pflastersteinen beworfen und mussten bei einem mehrstündigen Katz-und-Maus-Spiel mit Demonstranten improvisierte Barrikaden auf der Champs-E´lyse´es räumen.
Eine „Schande“seien diese Aggressionen, schreibt Macron. Er weiß aber, dass diese moralische Entrüstung kaum genügt. Er hat angekündigt, am Dienstag einen Dialog mit den Sozialpartnern in Gang zu setzen und dabei zusätzliche finanzielle Mittel vorzuschlagen. Damit solle den in ihren gelben Westen über ihre sinkende Kaufkraft klagenden Bürgern und Bürgerinnen die Beschlüsse der Energiewende erträglicher ge- macht werden. Die Aussicht auf neue Zuschüsse oder Steuererleichterung tönt vorerst nur wie Versprechen in der Art, wie sie die Franzosen zu oft gehört haben. An Dutzenden Orten im Land gibt es weiterhin Sperren durch Personen in gelben Westen.
In sozialen Netzwerken geht die Mobilisierung unvermindert weiter. Für kommenden Samstag wird unter dem Titel „Dritter Akt: Macron tritt zurück“auf Facebook bereits zur nächsten Kundgebung in Paris aufgerufen – wieder ohne Bewilligung und wieder auf der Champs-E´lyse´es. Schon haben 50.000 Menschen ihre Teilnahme zugesagt.
Fehlende Koordination bei Gelbwesten
Die Staatsführung hat allen Grund, die Drohung ernst zu nehmen. Die „Gelbwesten“sagen, dass sie sich das nächste Mal nicht von Krawallmachern ihre Demo verunstalten lassen wollen. Bilder von brennenden Barrikaden auf der Prunk-Avenue sollen nicht zum Markenzeichen der „Gilets Jaunes“werden.
Das Chaos auf der ChampsElysees´ war die fast unvermeidliche Konsequenz einer fast gänzlich fehlenden Organisation und Koordination, die zum Wesen dieses Aufstands von Wutbürgern und Wutbürgerinnen an der Peripherie der Städte gehören. Jede und jeder entscheidet selbst, welcher Aufruf und welche Forderung in dem Netzwerk glaubwürdig oder legitim erscheinen.
Die Regierung hofft, dass die Angst vor neuen Krawallen und die „Unterwanderung“durch Extremisten die „Gelbwesten“entmutigt und die Bewegung in der öffentlichen Meinung diskreditiert. Sie spiele dabei mit dem Feuer, warnt die Opposition. „Lasst euch nicht einschüchtern“, rät Jean-Luc Melenchon´ von der linken France insoumise. Er findet es skandalös, dass der Innenminister Christophe Castaner behauptet hat, die Kundgebung sei von der radikalen Rechten manipuliert. Sein Parteikollege Alexis Corbet fordert Neuwahlen.
Wütend ist auch die Rechtsextreme Marine Le Pen. Ihr hatte Castaner vorgeworfen, sie habe indirekt zu einer nicht bewilligten Demonstration aufgerufen, da sie auf Twitter das Versammlungsverbot auf der Concorde und der Champs-E´lyse´es hinterfragte. Der Parteichef des Parti Socialiste, Oliver Faure, erteilt der Regierung einen Rat: „Wenn eine Bewegung von drei Vierteln der Franzosen gutgeheißen wird, dann versucht man nicht, sie auf eine Handvoll Randalierer zu reduzieren. Der Präsident muss Stellung nehmen, damit die explosive Situation nicht völlig außer Kontrolle gerät.“Das hatte Macron wohl auch so schon verstanden. Er ist am Dienstag im „Feuerlöscheinsatz“.
Schande über die, die gewalttätig wurden. Es ist kein Platz für Gewalt in dieser Republik. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron