Die Presse

Taiwan gegen Ehe für alle

Referendum. Das oberste Gericht und die Regierung wollten Heirat für Homosexuel­le erlauben. Doch nun gingen Abstimmung­en dagegen aus.

- Von unserem Korrespond­enten FELIX LEE

Die Verwirrung einen Tag nach den Referenden ist groß: Kommt die Ehe für alle in Taiwan nun? Oder kommt sie nicht? Denn eigentlich hatte das Oberste Gerichtsho­f des Inselstaat­s bereits im Mai 2017 entschiede­n, dass ein Eheverbot für homosexuel­le Menschen verfassung­swidrig sei und die Regierung aufgeforde­rt, binnen zweier Jahre die Ehe für gleichgesc­hlechtlich­e Paare im Gesetz zu verankern. Taiwan wäre das erste Land Asiens, in dem Homosexuel­le gleichbere­chtigt heiraten dürfen.

Doch nun haben sich die Gegner der Ehe für alle gleich in mehreren Referenden durchgeset­zt. Mehr als sieben Millionen Wahlberech­tigte stimmten am Wochenende dafür, dass die Ehe der Verbindung zwischen Frau und Mann vorbehalte­n bleiben soll. Die Befürworte­r der Ehe für alle erhielten für ihren Vorschlag nur rund drei Millionen Stimmen. Dieser Ausgang überrascht: Umfragen in den vergangene­n Jahren hatten regelmäßig eine Mehrheit für die Gleichbe- rechtigung aller ergeben. Doch vor allem christlich­e Gruppen haben zuletzt kräftig mobilisier­t und auch viele aus dem konservati­ven Lager auf ihre Seite ziehen können. Sie begrüßten das Ergebnis als „Sieg für alle Menschen, die Familienwe­rte schätzen“. Entspreche­nd groß ist die Enttäuschu­ng bei den Befürworte­rn der Ehe für alle. Die Sprecherin der Koalition für Gleichheit der Ehe, Jennifer Lu, sprach vom „größten Schlag gegen Taiwans demokratis­che Werte“.

Es ist überhaupt das erste Mal in Taiwan, dass auf nationaler Ebene ein Referendum Erfolg hat. Bislang scheiterte­n sie allesamt an dem hohen Zustimmung­squorum. Mindestens die Hälfte aller Wahlberech­tigten musste teilnehmen. Diese Hürde wurde nun jedoch auf 25 Prozent gesenkt.

Aus Regierungs­kreisen ist zu vernehmen, dass man dem Ergebnis der Referenden zwar nachkommen wolle, indem man das Bürgerlich­e Gesetzbuch unangetast­et lässt. Die Ehe bleibt also eine Institutio­n zwischen Mann und Frau. Zugleich soll aber eine eingetrage­ne Partnersch­aft mit gleichen Rechten eingeführt werden.

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