Die Presse

An der Börse bekommt man nichts geschenkt

Aktien zu kaufen, die sich stark verbilligt haben, ist verlockend. Besser greift man aber zu jenen, die sich in der Krise behauptet haben.

- VON BEATE LAMMER E-Mails an: beate.lammer@diepresse.com

Eine Aktie nach einem schweren Kursrutsch zu kaufen, gibt einem das Gefühl, schlau zu sein. Dieses Gefühl trügt mitunter.

Wenn es eine Krise an der Börse gegeben hat und sich eine Trendwende abzeichnet, dann soll man nicht die Werte kaufen, die (stark) gefallen sind, sondern jene, die sich behauptet haben. Diese Ansicht vertrat zumindest der legendäre Investor Andre´ Kostolany, der heuer 112 Jahre alt geworden wäre.

Nun stellt sich die Frage, ob gerade jetzt ein guter Zeitpunkt ist, Kostolanys Rat zu befolgen. Denn die jüngsten Kursturbul­enzen waren noch keine wirkliche Krise, sondern bestenfall­s eine Korrektur. Sowohl im Sommer 2015 als auch Anfang 2016 gab es tiefere Einbrüche an den Börsen als jetzt. 2011 war es noch deutlich schlimmer, da schrammten selbst die stabilen US-Börsen nur knapp an einem Bärenmarkt vorbei, und dennoch gilt noch immer das Jahr 2009 als Beginn des laufenden Bullenmark­ts.

Zudem sieht es auch nicht danach aus, dass die Korrektur schon zu Ende wäre. Vorerst dürften jene Anleger, die angesichts der steilen Kursanstie­ge bei den FAANG-Technologi­eaktien (Facebook, Apple, Amazon, Netflix, Google) bis September noch schnell auf den Zug aufgesprun­gen sind, vergrault worden sein und sich nicht so schnell wieder an der Börse blicken lassen. Ein Grund mehr, um bei Nachkäufen noch vorsichtig zu sein.

Dennoch kann ein Blick auf jene Aktien nicht schaden, die sich seit Ende September behauptet haben oder gar zulegen konnten. Da gibt es einmal die sogenannte­n „defensiven“Branchen, die sich in Krisenzeit­en ja generell besser halten sollen. Unter den wenigen Gewinnern im Euro Stoxx 50 im laufenden Quartal finden sich etwa Telekomwer­te wie die Deutsche Telekom, die spanische Telefo-´ nica oder die französisc­he Orange. Diese Firmen haben aber keine Erfolgsges­chichten hinter sich; viele An- leger haben sich in den vergangene­n Jahren damit die Finger verbrannt.

Besser, man hält nach Firmen Ausschau, die sich nicht nur in der gegenwärti­gen Korrekturp­hase behaupten, sondern auch langfristi­g auf Rekordkurs sind. Solche gibt es, wenn auch nicht viele. Während etwa der technologi­elastige Nasdaq 100 im laufenden Quartal bis dato 15 Prozent verloren hat, gibt es drei Werte, die zweistelli­g zulegen können.

Eine davon ist die des US-Autobauers Tesla, die aber grundsätzl­ich zu Kursaussch­lägen neigt, weswegen sie nicht gerade als stabiles Kriseninve­stment gelten kann. Doch auch der Kaffeehaus­konzern Starbucks sowie die US-Apothekenk­ette Walgreens konnten zulegen. Starbucks notiert nahe seinem Allzeithoc­h. Dow-Jones-Neuling Walgreens ist von diesem zwar noch ein Stück weit entfernt, konnte aber seit Juni um 35 Prozent zulegen. Im Dow Jones verzeichne­n zudem der Konsumgüte­rkonzern P&G, die Telekomfir­ma Verizon sowie McDonald’s Kursanstie­ge im (knapp) zweistelli­gen Prozentber­eich seit Anfang Oktober. Dabei notieren P&G und McDonald’s nahe ihrem Allzeithoc­h.

Ob das ein Grund zu kaufen ist, ist umstritten. Zu jenen Werten zu greifen, die stark gefallen sind und daher jetzt günstig aussehen, ist aber erst recht keine gute Idee. So sind viele Chipherste­ller optisch deutlich billiger als noch vor ein paar Monaten. Sie zu kaufen, gibt einem kurzfristi­g das gute Gefühl, mit einem Rabatt dafür belohnt worden zu sein, dass man schlauerwe­ise nicht vor ein paar Monaten, sondern jetzt erst gekauft hat. Es ist jedoch unwahrsche­inlich, dass die Krise all dieser Chipherste­ller angesichts der Überkapazi­täten in der Branche und des zu Ende gehenden Smartphone-Booms schon vorbei ist.

Gute Aktien zu kaufen, für die es keinen Rabatt gibt, löst kein solches Glücksgefü­hl aus. Es dürfte trotzdem die bessere Idee sein.

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