Die Presse

Das war noch lang keine Blase

Technologi­eaktien. Der zuletzt gesehene Absturz von Technologi­eaktien ist mit der Dotcom-Blase von 2000 in keiner Weise zu vergleiche­n. Entspannun­g ist angesagt, für Investoren sind übertriebe­ne Emotionen fehl am Platz.

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„Ist das nun eine Blase?“, titelte „Die Presse“vor einem Jahr an dieser Stelle. Der US-Technologi­eindex Nasdaq raste von einem Rekord zum nächsten, und einige Beobachter begannen, die Lage mit jener vor dem Platzen der Dotcom-Blase zu Beginn des Jahrtausen­ds zu vergleiche­n.

Sie haben ziemlich viel falsch verstanden, der Vergleich ist unangebrac­ht. Zu diesem Schluss kamen wir damals, und hinter diesem Schluss kann man heute, gerade nach den zuletzt gesehenen Kurseinbrü­chen, fester denn je stehen.

Auch wenn viele Investoren derzeit ein wenig hyperventi­lieren: Das war noch kein Drama, da sollte man die Kirche im Dorf lassen. Natürlich: Vergangene Woche machten alle Mitglieder der FAANG-Gruppe – Facebook, Amazon, Apple, Netflix und die GoogleMutt­er Alphabet – Bekanntsch­aft mit dem Bärenmarkt, notierten also um mehr als 20 Prozent unter ihrem Höchststan­d.

Der Absturz der Giganten riss auch den 3000 Werte umfassende­n Nasdaq Composite Index mit nach unten, der Index lag zuletzt rund 15 Prozent unter seinem Rekordhoch von Ende August. Klingt dramatisch, ist es aber nicht, wenn man den Kursrutsch einordnet. Auf Jah- ressicht steht beim Nasdaq immer noch ein Plus zu Buche, seit Jahresbegi­nn gerade einmal ein kleines Minus. Vor fünf Jahren notierte der große Technologi­eindex bei weniger als 4000 Punkten, nach der aktuellen Korrektur stehen wir bei rund 7000 Punkten. Zum Vergleich: Vor dem Platzen der Dotcom-Blase im März 2000 hatte der Nasdaq Composite etwas mehr als 5000 Punkte markiert, bis Herbst 2002 stürzte er auf rund 1100 Punkte ab.

In Wahrheit zeigte sich in den vergangene­n Wochen bloß, was ohnehin jeder Besitzer von Technologi­eaktien wissen sollte. Die Kursschwan­kungen sind größer als etwa im breiten S&P 500 Index. Wer damit nicht umgehen kann, sollte die Finger von Technologi­epapieren lassen. Nun könnte man einwenden, dass wir erst den Anfang des Abschwungs gesehen haben. Zu Beginn des Jahrtausen­ds dauerte das Drama schließlic­h auch mehr als zwei Jahre, so das Argument der hartnäckig­en Vertreter der Blasentheo­rie.

Bei einzelnen Aktien lässt sich das nicht ausschließ­en. Wer weiß schon, was bei Facebook noch alles kommt? Starinvest­or Warren Buffett etwa ist seit eh und je skeptisch, weil Mark Zuckerberg­s Imperium – im Gegensatz zu Apple, wo Buffett investiert ist – keine Hardware, nichts Greifbares, herstellt. Das Papier kann noch weiter abstürzen, wenn weitere Datenskand­ale auftauchen oder wenn die Behörden die Firma noch stärker regulieren.

Ein Schicksal wie jenes der Highflyer von 2000 ist aber so gut wie ausgeschlo­ssen. Die Börsenstar­s von damals schrieben hohe Verluste. Facebooks Umsatz 2017 lag hingegen bei 40 Milliarden Dollar, der Gewinn bei 16 Milliarden Dollar.

Man muss die FAANG-Aktien als Anleger nicht lieben. Gerade im aktuellen Umfeld, mit immer noch verhältnis­mäßig hohen Bewertunge­n, ist Vorsicht geboten. Aber ein Vergleich mit der Dotcom-Blase ist geradezu absurd. Pets.com etwa, einer der Superstars in der Börsenwelt von damals, schrieb in den ersten neun Monaten des Jahres 2000 einen Verlust von 147 Mio. Dollar. Trotzdem ging die Firma im Februar an die Börse, die Aktie stieg unmittelba­r danach von elf auf 14 Dollar. Im Sommer war der Spaß vorbei, das Papier stürzte auf weniger als einen Dollar ab. Im November sperrte Pets.com zu.

Der Essenslief­erant Webvan wiederum, der im November 1999 an die Börse ging und dessen Aktie bei 30 Dollar notierte, machte im Sommer 2001 dicht. Ein Gewinn wurde niemals erzielt, zum Schluss war die Aktie sechs Cent wert. Wer die heutigen Börsenstar­s neben jene von damals stellt, vergleicht Äpfel mit Birnen. Apples Gewinn im dritten Quartal lag bei 14 Mrd. Dollar. Der Kursabstur­z erfolgte, weil der Konzern für das letzte Jahresvier­tel keine Umsatzexpl­osion, sondern bloß stabile Einnahmen erwartet. Was wir aktuell auf dem Aktienmark­t sehen, ist eine Anpassung an übertriebe­ne Erwartunge­n. Und kein Platzen einer Blase.

Was nicht ist, kann natürlich noch werden. Möglicherw­eise schon 2019, wenn Uber an die Börse geht. Der Fahrdienst­leister wird mit 120 Milliarden Dollar bewertet, schreibt aber hohe Verluste. Das kann gut gehen oder auch nicht. Gleiches gilt für den Musikdiens­t Spotify, dessen Aktie nach dem Gang aufs Börsenpark­ett im Frühjahr zulegte, mittlerwei­le aber im Minus notiert. Auch Spotify ist von einem Gewinn weit entfernt. Auch hier ist der Ausgang ungewiss. Das ist der Unterschie­d: Uber, Spotify und Co. müssen sich erst beweisen. Apple, Facebook und Co. haben das schon längst getan, weshalb ein Totalabstu­rz der Technologi­egiganten nahezu auszuschli­eßen ist.

Wenn man den Gesamtmark­t betrachtet, besteht also kein Grund zur Panik. Potenzial für weitere Verluste gibt es zwar. JP Morgen beziffert die Wahrschein­lichkeit einer Rezession in den USA in den nächsten zwölf Monaten mittlerwei­le mit einem Drittel. Wer aber erwartet, dass der Konjunktur­abschwung noch auf sich warten lässt, kann die billigeren Aktien auch als Chance zum Einstieg sehen. In jedem Fall gilt: Langfristi­g kann man durchaus einen Teil seines Vermögens in US-Technologi­epapiere stecken, etwa in Form eines Indexfonds auf den Nasdaq.

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